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Zugvögel "sehen" das magnetische Feld  
  Wenn sich Zugvögel am Magnetfeld der Erde orientieren, um ihre Flugrichtung zu bestimmen, ist ihr visuelles System aktiv. Spezielle Rezeptoren, die zwecks Navigation durch Magnetismus nötig sind, wurden in der Netzhaut von Vögeln gefunden, berichten deutsche Forscher in einer aktuellen Studie.  
Es zeigte sich, dass jene Bereiche des Gehirns, die für die Orientierung grundlegend sind, und die Nervenzellen in der Netzhaut besonders aktiv sind, wenn die Tiere versuchen, in der Nacht zu navigieren. In welcher Form Vögel diese Information verarbeiten, ob also die magnetischen Reize auch tatsächlich in visuelle Eindrücke übersetzt werden, können die Wissenschaftler aber nicht beantworten.
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Die Studie "A Visual Pathway Links Brain Structures Active during Magnetic Compass Orientation in Migratory Birds" von Dominik Heyers von der Universität Oldenburg und Kollegen ist am 25. September 2007 im Open-Access-Journal "PLoS ONE" erschienen (doi:10.1371/journal.pone.0000937).
->   PLoS ONE
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Rätsel Orientierungssinn
Der Orientierungssinn der Vögel beschäftigt die Forschung seit Jahrzehnten. Vor 40 Jahren wiesen Forscher erstmals nach, dass Rotkehlchen sich beim Vogelzug nach dem Magnetfeld der Erde richten. Inzwischen wurde ein derartiger Kompass bei mehr als 20 Vogelarten entdeckt, wobei die überwiegende Mehrzahl zu den Singvögeln gehört, die als Zugvögel jährliche Wanderungen unternehmen.
Theorien: Eisenhaltige Körnchen und Moleküle
Wie die Wahrnehmung des Magnetfeldes funktioniert, blieb aber ungeklärt. Grob gesagt gibt es zwei sich teilweise konkurrenzierende, teilweise aber auch ergänzende Theorien: Als nahezu gesichert gilt, dass einige Vögel durch eisenhaltige Magnetitkörnchen im Schnabel navigieren. So ist etwa von der Brieftaube schon länger bekannt, dass sich solche Körnchen im oberen Teil ihres Schnabels finden.

Darüber hinaus wird angenommen, dass Vögel das Magnetfeld wahrnehmen, indem bestimmte Moleküle je nach Ausrichtung im Erdmagnetfeld ihren Energiezustand ändern, wodurch eine Art chemischer Kompass entstehen soll. Schon 2002 gab es erste Hinweise, dass dieser chemische Kompass eng mit dem Sehsinn verknüpft ist. Denn beinahe zufällig fanden deutsche Forscher damals heraus, dass Rotkehlchen, verdeckt man zu Versuchszwecken ihr rechtes Auge, völlig orientierungslos werden.
->   Vögel: Orientierung mit dem rechten Auge (3.10.02)
Orientierung und Sehsinn
Das Forscherteam um den Neurobiologen Dominik Heyers von der Universität Oldenburg griff die Frage erneut auf und wollte insbesondere der Verknüpfung von Orientierung am Magnetfeld und Sehsinn auf den Grund gehen. Anhand von 21 Vögeln wurde die Aktivität der Nervenzellen in einer speziellen Region des Vorderhirns, dem so genannten "Cluster N" untersucht und auf Verbindungen mit der Netzhaut der Tiere überprüft.
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"Cluster N"
"Cluster N" bezeichnet Bereiche des Vorderhirns von Vögeln, die - wie Versuche zeigten - offenbar stark mit der Navigationsfähigkeit verbunden sind. Denn starke neuronale Aktivität in dieser Region wurde nur bei Zugvögeln in der Nacht beobachtet, nicht aber bei sesshaften Tieren. Bei den Zugvögeln verschwindet die Aktivität der Nervenzellen, sobald ihre Augen verdeckt werden.
->   Zur Studie "Night-vision brain area in migratory songbirds" (PNAS)
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"Cluster N" und Netzhautzellen aktiv
Heyers und seine Kollegen wollten herausfinden, ob der "Cluster N" mit den Augen der Tiere korrespondiert. Dazu analysierten sie die Gehirne von Tieren, die einen Nachtflug absolviert haben, auf einen speziellen Marker, von dem auf die Aktivität von Nervenzellen geschlossen werden kann.

Es zeigte sich: Zwischen den Nervenzellen in der Netzhaut und der "Cluster N"-Region besteht eine funktionelle Verbindung, sie beide sind während der Navigation bei Nacht aktiv. Zusätzlich konnten sie zeigen, dass Cryptochrom, das die molekulare Grundlage für die Orientierung am Magnetfeld bildet, in den Neuronen der Netzhaut zu finden ist.
Visuelles System hilft bei der Verarbeitung
"Das untermauert die These, dass Vögel ihr visuelles System verwenden, um den vom Erdmagnetfeld vermittelten Kompass besser verarbeiten zu können", schreiben die Forscher in der Studie. Ob die Aktivität der Nervenzellen in der Netzhaut aber auch visuelle Eindrücke vermitteln, kann natürlich nicht geklärt werden.

[science.ORF.at, 26.9.07]
->   Dominik Heyers (Universität Oldenburg)
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->   Hühner orientieren sich am Magnetfeld der Erde (3.7.07)
->   Fledermäuse orientieren sich am Erdmagnetfeld (7.12.06)
->   Tauben haben im Schnabel einen "Kompass" (25.11.04)
 
 
 
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01.01.2010