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Mädchen schämen sich für den eigenen Körper  
  Österreichische Jugendliche pflegen laut Studie einen selbstkritischen Umgang mit dem eigenen Körper. Besonders Mädchen vergleichen sich mit dem in unserer Gesellschaft als Idealbild geltenden Körper und entwickeln ein starkes Schamgefühl.  
Sexuelle Treue und Partnerschaft haben trotz des Verlusts traditioneller Familienstrukturen einen hohen Stellenwert bei den Jugendlichen. Keinen Sex vor der Ehe halten sie jedoch für "absurd". Der erste Sex sollte idealerweise zwischen 14 und 16 stattfinden.
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Die Dissertation "Sexualwissenschaftliche Untersuchung zu Sexualität, Scham, Nacktheit, Körperbild und Selbstwert von Jugendlichen im Alter von 15 Jahren bis 20 Jahren" von Klaudia Odreitz und Mario Obersteiner wird 2007 publiziert (Alpen-Adria-Universität in Klagenfurt).
->   Kurzfassung
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Mehr als 500 Schüler befragt
Im Zuge ihrer Dissertation befragten die Diplompädagogin Klaudia Odreitz und der Klinische Psychologe Mario Obersteiner 523 Schülerinnen und Schüler aus ganz Österreich anhand mehrerer standardisierter Fragebögen zum eigenen Körpergefühl, zu Sexualität und Liebe sowie zu ihren Schamgefühlen. Die untersuchten Mädchen und Burschen waren zwischen 15 und 20 Jahre alt.
Sich für den ganzen Körper schämen
Einen zentralen Punkt in ihrer Arbeit widmeten die Dissertanten dem Begriff "Scham". Die Scham für den eigenen Körper wird aus Sicht der Psychologie durch eine Identitätskrise ausgelöst, die durch einen körperlichen Aspekt hervorgerufen wird. In solchen Krisen gerät ein Mensch, weil das Verhältnis zu seinem Körper nicht ein-, sondern doppeldeutig ist.

Mädchen weisen laut Dissertation ein größeres Schamgefühl in Bezug auf ihren Körper als Burschen im selben Alter: Während sich dieses Gefühl bei Mädchen auf den ganzen Körper bezieht, richten männliche Jugendliche ihre Scham auf den Penis, heißt es in einer Aussendung.

70 Prozent der Schülerinnen schätzen ihre körperbezogene Scham als "ziemlich stark" bis "sehr stark" ein. Bei den Burschen sind es nur etwa 30 Prozent. Für die Mädchen stelle Scham, bezogen auf ihren ganzen Köper, ein hohes Gefühl von Minderwertigkeit dar, so die Forscher.
Im eigenen Körper beheimatet sein
Dieses Schamgefühl kommt nicht von ungefähr: Die Jugendlichen sind laut Studie mit einer Vielzahl von Ideal- und Zerrbildern von Nacktheit und Sexualität konfrontiert.

Das Gefühl der Minderwertigkeit und der daraus resultierende geringere Selbstwert seien bei Mädchen ausgeprägter. Ihre weibliche Identität, ihr Selbstwert und ihre Körperlichkeit sind durch Eigen- und/oder Fremdablehnungen stark bedroht.

Die Entfremdung vom eigenen Körper und Hemmungen hängen laut Untersuchung stark mit der vorherrschenden Inkongruenz zwischen physiologischen Vorgängen (wie der Bildung von Fettgewebe an Hüften und Oberschenkeln bei weiblichen Teenagern) und dem burschikosen Schönheitsbild magersüchtiger Models zusammen.

Während Burschen ihre Attraktivität nicht ausschließlich durch die Schönheit des eigenen Körpers definieren müssen, ist der Rahmen der sozial akzeptierten Körperformen für Mädchen deutlich enger gesteckt. Das Diktat des Schönheitsideals gaukle den Jugendlichen eine optische Illusion vor, die sie als real wahrnehmen.
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Umfrage an Wiener Gymnasien
Eine Wiener Diplomarbeit von Matthias Giffinger fand heraus, dass es für fast 60 Prozent der Mädchen und jungen Frauen "einfach dazu gehört", auf die Figur zu achten. Jede fünfte Österreicherin zwischen 14 und 30 hält Diät. 44,2 Prozent der Mädchen sind der Meinung "sie könnten ein paar Kilos abnehmen", während das bei nur 20 Prozent der Burschen der Fall war.

Etwa 30 Prozent der Schülerinnen empfinden Prominente, Stars und Models als Vorbilder, jedoch empfinden sich auch rund 20 Prozent von den aktuellen Schönheitsidealen unangenehm unter Druck gesetzt, da man häufig nur nach dem Aussehen bewertet wird.
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Das erste Mal zwischen 14 und 16
Wann der ideale Zeitpunkt für den ersten Geschlechtsverkehr sei, schwankt laut Studie bei den Jugendlichen zwischen 14 und 16 Jahren. "Das erste Mal" wird von Mädchen als weitaus "schlimmer" bewertet als von Burschen.

Während sich fast alle Jugendlichen vor den eigenen Körperflüssigkeiten ekeln, werden diejenigen des Partners nicht als unangenehm wahrgenommen. Mädchen und Burschen nehmen den Körper des Partners als sehr positiv wahr und geben an, ihn "sehr zu mögen".
Wunsch nach Treue in Partnerschaft
Die meisten Jugendlichen wünschen sich laut Untersuchung eine Paarbeziehung in einer partnerschaftlichen Form mit sexueller Treue, gefolgt von Ehe mit sexueller Treue. Das Single-Dasein steht an dritter Stelle. Eine Ehe mit erlaubtem Fremdgehen fand bei den Schülerinnen und Schülern kaum Anklang.
Kindesmissbrauch weiter verbreitet als gedacht
Im letzten Kapitel behandelten die Studienleiter die Frage des Missbrauchs im Kindesalter. Zwölf Prozent der Burschen und mehr als vierzehn Prozent der Mädchen gaben an, dass es in ihrer Kindheit für sie unangenehme Berührungen gegeben habe. Neun Prozent der Mädchen und zwei Prozent der Burschen machten in ihrer Kindheit Erfahrungen mit Missbrauch.

Karin Jirku, science.ORF.at, 28.9.07
->   Gemeinschaftspraxis Klaudia Odreitz und Mario Obersteiner
Mehr dazu in science.ORF.at:
->   Schüler träumen von Kleinfamilie und Berufserfolg (4.10.06)
->   Experten: Erwartung an Jugend immer erdrückender (2.12.05)
 
 
 
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01.01.2010