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Fischerei greift massiv in Fisch-Evolution ein  
  Exzessive Fischerei gefährdet laut Studie nicht nur die Fischbestände, sie greift auch massiv in deren Evolution ein. Deshalb regenerieren sich geschädigte Arten wesentlich langsamer als angenommen.  
Darauf machen die Forscher, unter anderem Vertreter des in Laxenburg angesiedelten Internationalen Instituts für Angewandte Systemanalyse (IIASA), in der jüngsten Ausgabe von "Science" aufmerksam.
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Der Artikel "Managing Evolving Fish Stocks" von Christian Jørgensen et al. ist in der aktuellen Ausgabe von "Science" (Bd. 318, 23. November 2007, DOI: 10.1126/science.1148089) erschienen.
->   Artikel
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Evolutionsdruck durch Fischfang
Die Wissenschaftler der "Study Group on Fisheries Induced Adaptive Change - SGFIAC" haben für ihre Studie über Jahre vorliegende Fischerei-Daten und auch andere Untersuchungen aufgearbeitet. Besonders alarmierende Auswirkungen habe die Fischerei nachweislich für den Kabeljau oder Dorsch, erklärte dazu Ulf Dieckmann von der IIASA gegenüber der APA.

"Die derzeit gängige Praxis, hauptsächlich große Fische zu fangen, während kleinere, junge Exemplare durch die Maschen der Netze entkommen können, übt einen Evolutionsdruck aus", erklärte Dieckmann. Der Druck besteht darin, dass große, geschlechtsreife Tiere weg gefangen werden und sich dadurch Tiere, die zufällig früher Nachwuchs produzieren, massiv durchsetzen.
Frühe Geschlechtsreife - wenig Nachwuchs
Das hat innerhalb von wenigen Jahrzehnten dazu zu geführt, dass die Dorsche in manchen Regionen immer früher geschlechtsreif werden. Während die Fische früher rund zehn Jahre Wachstum bis zur Geschlechtsreife brauchten, sind es nun teilweise nur noch sechs Jahre.

Das habe allerdings Konsequenzen: Die Fischerei schneidet sich gleichsam ins eigene Fleisch. So produzieren kleine, frühreife Dorsche deutlich weniger Eier, als große. "Als Faustregel gilt: Ein halb so großes Weibchen produziert auch nur ein Achtel der Zahl an Eiern", so der Experte.

Die Veränderungen in der Reife der Dorsche dürften für beunruhigende Befunde in der Gegend von Neufundland zumindest mitverantwortlich sein. Dort gab es 1992 einen völligen Zusammenbruch der Kabeljau-Population durch Überfischung. Nach entsprechenden Regulierungen wurde erwartet, dass sich die Bestände doch innerhalb von drei bis vier Jahren erholen sollten. "Tatsächlich sind die Bestände bis heute um Größenordnungen unter den Werten etwa der 1980er Jahre", so Dieckmann.
Notwendiges Umdenken in der Fischerei
Die Experten fordern daher ein Umlernen bezüglich der Fischerei. Denn die innerhalb von wenigen Jahrzehnten herbeigeführten Veränderungen lassen sich nicht ebenso rasch rückgängig machen. Es könnte rund 250 Jahre dauern, bis die Dorsche durchschnittlich wieder in der üblichen Größe Nachwuchs produzieren.

Neben Forderungen nach einer generellen Reduktion der Fischerei sollte vermieden werden, dass Fische im Stadium der ersten Geschlechtsreife bereits gefangen werden. Konkret wäre das durch Vergrößerungen der Maschenweiten möglich. Das würde zwar kurzfristig weniger Erträge, aber eine langfristige Sicherung der Bestände bringen.

[science.ORF.at/APA, 23.11.07]
->   Christian Jørgensen
->   IIASA
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01.01.2010