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Schmidt-Dengler: Wissenschaftler des Jahres 2007  
  Wendelin Schmidt-Dengler, der Doyen der heimischen Literaturwissenschaft und Kritiker der vergangenen Uni-Reformen, war Wissenschaftler des Jahres 2007. Dazu hatte ihn der Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten gewählt.  
Seit 1994 zeichnet der Klub alljährlich Forscher und Forscherinnen aus, die ihre Arbeit der Öffentlichkeit besonders gut vermitteln können. Nach dem Philosophen Konrad Paul Liessmann im Vorjahr fiel die Wahl heuer auf Wendelin Schmidt-Dengler, wie Anfang Jänner bei einer Pressekonferenz in Wien bekanntgegeben wurde.

Der 65-Jährige war zu diesem Zeitpunkt Vorstand des Instituts für Germanistik der Uni Wien, Leiter des Literaturarchivs der Österreichischen Nationalbibliothek und Verfasser zahlreicher Beiträge für Ö1.
Biografie und Forschungsschwerpunkte
Bild: APA
Schmidt-Dengler bei seiner Auszeichnung
mit dem "Goldenen Ehrenzeichen für die Verdienste um das Land Wien" 2002
Wendelin Schmidt-Dengler wurde am 20. Mai 1942 in Zagreb geboren. 1944 übersiedelte er nach Wien, wo er später Altphilologie und Germanistik studierte.

1965 promovierte Schmidt-Dengler mit der Dissertation "Stilistische Studien zu den 'Confessiones' des Aurtelius Augustinus", 1974 erfolgte die Habilitation mit der Schrift "Genius. Zur Wirkungsgeschichte antiker Mythologeme in der Goethezeit".

Seit 1966 war Schmidt-Dengler am Institut für Germanistik tätig, zuerst als Universitätsassistent, seit 1989 als ordentlicher Professor und bis zuletzt als Vorstand des Instituts.

Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehörten die Deutsche Literatur des 18. Jahrhunderts und die Österreichische Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts. U.a. betreute er den Nachlass Heimito von Doderers.
->   Publikationsliste von Schmidt-Dengler
Vorliebe für Nestroy und Bernhard
Tausende Germanistik-Studenten hat Schmidt-Dengler mit profunder Sachkenntnis, sichtbarer Begeisterung und kurzatmigem Vortrags-Stakkato mit der Vielfältigkeit der österreichischen Literaturlandschaft vertraut gemacht. Trotz äußerst breit gefächerter Interessen hatte er natürlich auch seine Vorlieben und Spezialgebiete.

"Wenn ich deprimiert war oder wenn es mir schlecht ging, haben mir zwei Schriftsteller geholfen: Johann Nestroy und - Thomas Bernhard", bekannte er einmal.

Über Thomas Bernhard legte er mit "Der Übertreibungskünstler" ein Standardwerk vor, bis zuletzt war er als Vorstandsmitglied der Thomas-Bernhard-Privatstiftung tätig. Und zu Johann Nepomuk Nestroy publizierte er einen sehr persönlichen Band mit dem Titel "Die Launen des Glücks".
->   Schmidt-Dengler über Thomas Bernhard (oe1.ORF.at)
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Auszeichnung für Germanistik im Allgemeinen
Schmidt-Dengler betonte bei der Verleihung der Auszeichnung die "neue Diskursform zwischen Presse und Wissenschaft". Während sich die beiden früher gegenübergestanden sind, gebe es nun ein für beide fruchtbares Gespräch, meinte er im Ö1 Mittagsjournal. Er sah auch die Geisteswissenschaft und im Speziellen die Germanistik mit dem Preis gewürdigt: "In diesem Sinne meine ich, dass auch viele meiner Kollegen und Kolleginnen, vielleicht auch die Studierenden des Faches, ausgezeichnet worden sind."
->   Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten
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Beliebt in der Fachwelt
Ein guter Gradmesser für die Unbestechlichkeit von Österreichs prominentesten Germanisten war die hohe Wertschätzung, die er bei den Autoren und Autorinnen selbst genießt.

Als "außerordentlich erfreulichen Zeitgenossen" würdigte ihn einmal der Schriftsteller Michael Scharang in der Tageszeitung "Die Presse", als "Glücksfall eines Professors, dessen Liebe für die Literatur nicht unter dem Sachwissen erstickt, und der Glücksfall eines Kritikers, dessen Urteil nicht ins Vorurteil zurückfällt, da es an das Sachwissen gebunden bleibt."

Freilich konnte Schmidt-Dengler auch außerordentlich boshaft sein, wenn seinen Qualitätsmaßstäben nicht entsprochen wird. So urteilte er über einen Erzählungsband von Andre Heller: "Diesen massiven Herausforderungen des Tiefsinns zu genügen, ist schlicht unmöglich."
Kritiker der Uni-Reformen
Schmidt-Dengler war aber nicht nur ein unumstrittener Kenner seines Faches, er hat sich darüber hinaus auch immer wieder in gesellschaftspolitischen Diskussionen zu Wort gemeldet.

In der Bildungpolitik kritisierte er die Einschränkungen der Mitbestimmung und die Reduktion der universitären Gremien im Zuge der vergangenen Uni-Reformen.

Nach seiner Erfahrung habe die Mitbestimmung bei allen Beteiligten Lernprozesse gefördert, und auch die Auseinandersetzung in Gremien habe sich an den geisteswissenschaftlichen Instituten bewährt.

[science.ORF.at/APA, 8.1.08; aktualisiert am 8.9.08]
->   Österreichische Gegenwartsliteratur ab 1990 (Schmidt-Dengler)
->   Wendelin Schmidt-Dengler (Wikipedia)
->   Wendelin Schmidt-Dengler, Institut für Germanistik, Uni Wien
Weitere Wissenschaftler des Jahres:
->   2006: Philosoph Konrad Paul Liessmann
->   2005: Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb
->   2004: Mathematiker Rudolf Taschner
->   2003: Immunologe Josef Penninger
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Radio-Hinweise
In memoriam Wendelin Schmidt-Dengler ändert Ö1 sein Programm.

Hörspielstudio, "Literarische Außenseiter": Wendelin Schmidt-Dengler über Thomas Bernhard, Dienstag, 9. September 2008, 21:00 Uhr

Im Gespräch, Donnerstag, 11. September 2008, 21:00 Uhr
->   oe1.ORF.at zum Tod von Schmidt-Dengler
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01.01.2010