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Warum jeder Sandburgen bauen kann  
  Wer sich am Strand an der Bildhauerei mit feuchtem Sand versucht, braucht einiges an Geschicklichkeit und Fantasie, aber kein Rezeptbuch, denn der Wassergehalt ist nämlich für die mechanischen Eigenschaften des Sandes weitgehend unwichtig. Diese Beobachtung war bisher ein Rätsel. Ein Team von Physikern zeigte nun, warum das so ist.  
Offenbar bildet Wasser im Inneren von Sandburgen schon in sehr geringen Mengen feine Brücken aus. Sie sind für die mechanische Festigkeit verantwortlich.
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Der Artikel "Morphological clues to wet granular pile stability" von M.Scheel et al. ist auf der Website von "Nature Materials" (10. Februar 2008; doi: 10.1038/nmat2117) erschienen.
->   Zum Abstract
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Wenig Flüssigkeit führt zu beachtlicher Festigkeit
Wenn ein granulares Material wie Sand mit einer bestimmten Menge Flüssigkeit vermengt wird, verleiht ihm diese beachtliche Festigkeit. Diese mechanische Steifigkeit bleibt in einem Feuchtigkeitsbereich von weniger als einem bis weit über zehn Prozent praktisch konstant.

Um dieser Materialeigenschaft auf den Grund zu gehen, haben die Wissenschaftler rund um Stephan Herminghaus vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen flüssigen Strukturen in feuchten Granulaten mittels Computertomografie untersucht.
Röntgenstrahlen machen Struktur sichtbar
Dabei wird ein Objekt aus verschiedenen Winkeln mit Röntgenstrahlen durchstrahlt. Es entsteht ein Schattenbild ähnlich einer gewöhnlichen Röntgenaufnahme. Ein Computer wertet alle diese Bilder aus und ermittelt, welche dreidimensionale Struktur das Objekt haben muss, um diese Schattenbilder zu erzeugen.

Wenn Wissenschaftler dabei eine brillante Röntgenquelle nutzen, wie etwa die Synchrotron-Strahlungsquelle am European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) in Grenoble, entstehen auf diese Weise Computertomographien mit einer Auflösung von wenigen Tausendstel Millimetern. Das ist genug, um die winzigen und dabei hochkomplexen flüssigen Strukturen aufzulösen, die sich in einem feuchten Granulat bilden, wie beispielsweise im Innern einer Sandburg.
Ein filigranes Gebilde aus Flüssigkeit, Körner und Luft
Was Forscher dabei zu sehen bekamen, ist zunächst verblüffend: Die Flüssigkeit durchsetzt das Granulat keineswegs vollständig, verdrängt also nicht die Luft aus den Zwischenräumen. Vielmehr entsteht ein filigranes Gebilde, in dem Flüssigkeit, Körner und Luft gleichermaßen nebeneinander bestehen.

Der Grund dafür: Da die Flüssigkeit die Körner benetzt (sonst könnte man sie überhaupt nicht in das Granulat hineinbringen), möchte sie sich mit möglichst viel 'Korn' umgeben. Das geht am besten an den Kontaktstellen, an denen sich zwei Körner berühren. Es bilden sich sogenannte Kapillarbrücken. Der 'leere' Raum dazwischen ist für die Flüssigkeit relativ unattraktiv und füllt sich mit Luft.

Die Kapillarbrücken spielen laut den Forschern auch die wesentliche Rolle für die mechanische Stabilität des Materials.
Wichtig für das Verständnis von Naturkatastrophen
Diese Eigenschaften seien laut Stephan Herminghaus nicht nur beim Bau von Sandburgen entscheidend. "Sie sind für die Pharma- und Lebensmittelindustrie ebenso relevant wie für das Verständnis mancher Naturkatastrophen, wie zum Beispiel Erdrutsche: Denn überall dort hat man es mit feuchten Granulaten zu tun, deren mechanische Eigenschaften wir nun besser verstehen.", so der Physiker.

[science.ORF.at/MPG, 11.02.08]
->   Stephan Herminghaus
->   ESRF
Mehr dazu in science.ORF.at:
->   Sand: Was Körner treiben und Dünen singen lässt (4.2.08)
 
 
 
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01.01.2010