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Atomkrieg: Aus für die Ozonschicht  
  US-Forscher haben in einer aktuellen Studie ein Horrorszenario durchgespielt: Sie haben untersucht, wie sich ein Atomkrieg zwischen Indien und Pakistan auf das Klima auswirken würde. Das Ergebnis: Von der Ozonschicht bliebe nicht viel übrig, auf den "nuklearen Winter" würde ein "UV-Frühling" folgen.  
Der Tag danach
Der Film "The Day After" aus dem Jahr 1983 führte auf drastische Weise vor Augen, wie sich die Welt nach einer nuklearen Katastrophe verändern würde. Der Streifen löste eine Diskussion darüber aus, ob das durch einen Atomkrieg ausgelöste menschliche Leid überhaupt filmisch darstellbar sei.

Überlebende der Bombenangriffe in Hirsoshima und Nagasaki sagten: Nein, die Wirklichkeit war noch viel schlimmer. Was vor TV-Geräten sitzende Amerikaner und Europäer da schockiert habe, sei nichts gewesen im Vergleich zu dem, was sich gegen Ende des zweiten Weltkrieges in Japan abgespielt habe.

Ungefähr zu dieser Zeit begann man auch darüber nachzudenken, welche klimatischen Konsequenzen ein Atomkrieg hätte. Eine der ersten Studien verfasste Paul Crutzen, der später für seine Arbeiten zum Ozonloch mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, sowie ein gewisser Carl Sagan, den meisten wohl eher als Buchautor, Exobiologe und TV-Präsentator bekannt.
Postapokalyptische Forschungen
"Nuklearer Winter" war ein Begriff, der infolge dieser Pionierarbeiten Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch fand - womit gemeint war, dass Rauch und Ruß von Atombombenexplosionen zu einer Verdunkelung der Atmosphäre und zu einem drastischen Temperaturabfall führen würden.

Über das Ausmaß der postapokalyptischen Abkühlung gab es höchst unterschiedliche Angaben, eine Studie aus dem letzten Jahr beziffert den globalen Abfall mit bis zu acht Grad, ein Jahrzehnt später immerhin noch mit vier Grad.

"Bedenkt man, dass die globale Abkühlung während der letzten Eiszeit fünf Grad betrug, würde das einen Klimawandel nach sich ziehen, der in diesem Tempo und Ausmaß in der Geschichte des Menschen einmalig wäre", schreibt der US-Klimaforscher Alan Robock im "Journal of Geophysical Research" (Bd. 112, D13107) - und betont, dass sich die größten Temperatursprünge über dem Festland ereignen würden.

In Nordamerika betrüge das Minus rund 20 Grad, in Eurasien sogar 30 Grad. Diese Werte gelten wohlgemerkt für Explosionen, die 50 bis 150 Megatonnen Staub und Ruß in die Atmosphäre befördern und wohl eher für mittlere bis globale Atomkriege realistisch sind.
Modell für "kleine" Kriege
Robock hat auch für regionale Konflikte klimatische Szenarien durchgespielt. Etwa für einen Krieg zwischen Indien und Pakistan, bei dem jedes Land umgerechnet 50 Hiroshima-Bomben zünden würde - rund drei Promille des weltweit verfügbaren Arsenals an Atomwaffen.

Die Konsequenzen wären auch hier noch beträchtlich: In diesem Fall würden mehr als fünf Megatonnen schwarzen Kohlenstoffes die Atmosphäre verdunkeln und die Temperatur - global - um 1,25 Grad fallen lassen (Atmospheric Chemistry and Physics, Bd. 7, S. 2003).
Atmosphären-Chemie spielt verrückt
An diesem Punkt hat nun Michael Mills von der University of Colorado eingehakt. Sein Modell bezieht sich ebenfalls auf die hypothetische Zündung von zwei Mal 50 Hiroshima-Bomben, nur stand diesmal nicht die Temperatur, sondern die Chemie der Atmosphäre im Mittelpunkt.

Die würde sich ebenfalls beträchtlich ändern, wie Mills mit vier Kollegen in den "PNAS" berichtet (doi: 10.1073_pnas.0710058105). Im Gegensatz zu den bodennahen Luftschichten würde sich die Stratosphäre durch den Eintrag von Ruß stark aufheizen und Reaktionen von Stickoxiden in Gang setzen. Letztere sind als Ozonkiller bekannt, dementsprechend hätte das einen regelrechten Kahlschlag in der Ozonschicht der Stratosphäre zur Folge.

Der Verlust betrüge global ein Fünftel, in mittleren Breiten zwischen 25 bis 40 Prozent, im Norden wären gar zwei Drittel der schützenden Moleküle futsch. "Das Modell zeigt die Größenordnung des Ozonverlusts innerhalb von fünf Jahren", sagt Mills, "aber wir sehen auch danach substanzielle Verluste."
Zeitalter der UV-Strahlung
Vergleicht man diese Zahlen mit früheren Studien, fällt auf: Die Wirkungen auf die Ozonschicht wurden offenbar radikal unterschätzt. "Die früheren Modellen haben die aufsteigenden Rauchsäulen und die folgende Aufheizung der Stratosphäre nicht angemessen berücksichtigt", sagt Mills Co-Autor Owen Toon.

"Die große Überraschung ist, dass selbst kleinere, regionale Atomkriege so große Effekte nach sich ziehen." Im Ernstfall würde auf den "nuklearen Winter" wohl ein "UV-Frühling" folgen - mit unabsehbaren ökologischen Konsequenzen. Michael Mills: "Die meisten Lebewesen können wenig gegen UV-Strahlung tun. Die große Frage ist, wie sie darauf reagieren würden."

[science.ORF.at, 8.4.08]
->   Michael Mills
->   Nuklearer Winter - Wikipedia
->   The Day After - Wikipedia
 
 
 
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01.01.2010