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Noch immer klischeehaft: Forscherinnen im Kino  
  Wissenschaftler, die im Kino vorkommen, bringen die Welt meistens in Gefahr oder retten sie. Frauen sind dabei sehr selten. Forscherinnen made in Hollywood sind zumeist hübscher Aufputz oder bringen die männlichen Protagonisten in üble Situationen. Seit den 90er Jahren aber verändert sich dieses Bild zunehmend - dank Figuren wie Lara Croft und Schauspielerinnen wie Jodie Foster.  
Jodie Foster - ein Gegenbeispiel
"He's got the girl's part", witzelte Jodie Foster über Matthew McConaughey. Der spielte nämlich im Hollywoodstreifen "Contact" den etwas ängstlichen und emotional weichgezeichneten Theologen Palmer Joss.

Foster selbst gab den "boy's part": Dr. Eleanor "Ellie" Ann Arroway, eine mutige und entschlossene Astrophysikerin in leitender Position, die versucht, Kontakt mit außerirdischer Intelligenz aufzunehmen.

"Ellie" ist die Lieblingsfilmforscherin von Eva Flicker. Die Wiener Soziologin hat über 150 Filme, von den Dreißigerjahren bis heute, daraufhin analysiert, wie sie Wissenschaftlerinnen ins Bild rücken.
18 Prozent der Forscher im Kino sind weiblich
Wie sehr das Kino unsere Vorstellung von Welt prägt, könne man nicht in Prozenten angeben, sagt Flicker. Aber der Einfluss der Filme sei kaum zu unterschätzen, zumal wenn es um Bereiche wie die Forschung geht, zu der die meisten Menschen keinen direkten Zugang haben.

Dass das Labor vermeintlich eine männliche Domäne ist, legen allein schon die von Flicker erhobenen Zahlen nahe. Nur in elf von sechzig Filmen mit Wissenschaftsbezug (Zeitraum 1929 bis 2003) kommen überhaupt Wissenschaftlerinnen vor, also in 18 Prozent.

Die US-Kommunikationswissenschaftlerin Jocelyn Steinke von der Western Michigan University kam für 74 Filme aus den Jahren 1991 bis 2001 auf immerhin schon 25 Wissenschaftlerinnen, sprich: 34 Prozent.
Verstärkung von traditionellen Geschlechterrollen
In Flickers Typologie von Filmcharakteren gibt es die Assistentin, deren Arbeitsplatz sich aufs Bett reduziert, oder die ruppige Emanze, die durch ihr ungepflegtes Äußeres besticht. Weiblichkeit und Intelligenz schließen sich vor allem in den älteren Filmen gegenseitig aus.

Die Traumfabrik wurde zum Verstärker von althergebrachten Geschlechterrollen. In der bis vor kurzem völlig männlich dominierten Filmkultur gab es ja auch kaum eine Drehbuchschreiberin, Regisseurin oder Kamerafrau.
Immerhin selten verrückt
Da ist es ein schwacher Trost, dass Wissenschaftlerinnen im Film im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen nur selten verrückt spielen und durch Klonieren die Welt beherrschen oder gleich ganz in die Luft sprengen wollen.

Und wenn sie böse sind, wie die Historikerin und Nazi-Anhängerin Dr. Elsa Schneider (Alison Doody) in "Indiana Jones and the Last Crusade" (1989), setzen sie nicht Viren, sondern Verführungskünste ein, um ihre niederträchtigen Ziele zu erreichen.
Von Gefühlen geleitet
Auch wenn Wissenschaftlerinnen ab den Neunzigerjahren häufiger über die Leinwand flimmern, selbstbewusster auftreten, nicht mehr nur assistieren, sondern nun auch Projekte leiten, sind sie doch noch längst nicht frei von Stereotypen.

Sie tragen immer noch knappe Tops oder Strapse unterm weißen Laborkittel. Und bei aller Intelligenz lassen sie sich von Gefühlen leiten.

In "The Lost World: Jurassic Park" (1997) kümmert sich die Figur der Sarah Harding (Julianne Moore) - ganz Frau - um ein verletztes Tyrannosaurus-Junges, sorgt für ein Schlamassel und muss von einem Mann gerettet werden.
Vaterkomplex von Lara Croft
Das 21. Jahrhundert brachte mit Lara Croft einen neuen Typus. In "Tomb Raider" vereint Angelina Jolie männlichen Kämpfer und weibliche Sexbombe in einer Figur. Croft ist aber emotional unreif, laboriert an einem Vaterkomplex und hat nur männliche Bezugspersonen. Und ihre wissenschaftliche Kompetenz als Archäologin verkomme zum Anhängsel, so Flicker.

Als Rollenmodell für Teenagerinnen auf Berufssuche scheidet sie damit wohl aus. Jocelyn Steinke verweist in ihrer Analyse darauf, dass die meisten Film-Forscherinnen Singles sind und nur ganz selten Mütter. Die Work-Life-Balance ist wohl kein Thema für Blockbuster.
Ein Bild jenseits von Klischees
Wie wäre eine ideale Wissenschaftlerin im Film darzustellen? Genau so wie ein männlicher Wissenschaftler? Oder eben doch anders - auf die Gefahr hin, Klischees von "Weiblichkeit" fortzuschreiben? In der Sprache der feministischen Theorie: Gleichheit oder Differenz?

Die Wunschliste von Eva Flicker ist lang: Klug sollte sie sein, sie sollte Berufliches und Privates unter einen Hut kriegen, sozial und fachlich kompetent sein, wissenschaftlich innovativ, humorvoll, feministisch, konfliktfreudig, mit durchschnittlichem Äußeren und doch attraktiv. Da kann selbst Ellie Arroway nicht mehr mithalten.

Oliver Hochadel, heureka, 29.4.08
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Dieser Text stammt aus dem Wissenschaftsmagazin "heureka!", das sich in seiner aktuellen Ausgabe dem Thema "Wie Wissenschaft weiblicher wird" widmet.
->   heureka
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->   Eva Flicker, Uni Wien
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01.01.2010