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Gen-Mutation macht die Lipizzaner zu Schimmeln  
  Die Lipizzaner der Hofreitschule zählen zu den Zugpferden des österreichischen Tourismus. Ihr Ansehen verdanken sie wohl nicht nur ihrer Kunstfertigkeit, sondern auch ihrem edlen Aussehen, also ihrer weißen Farbe. Genau diese macht die Tiere auch für die Forschung interessant: Eine österreichisch-schwedisches Team hat nun jenes Gen erforscht, das die Pferde zu Schimmeln macht.  
Die Wissenschaftler konnten nachweisen, dass die Tiere eine identische Gen-Mutation besitzen, die vermutlich auf einen einzigen Vorgänger zurückzuführen ist, der bereits vor tausenden Jahren gelebt hat.
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Die Studie "A cis-acting regulatory mutation causes premature hair graying and susceptibility to melanoma in the horse" von G.R. Pielberg et al. ist in "Nature Genetics" (20.Juli 2008, DOI: 10.1038/ng.185) erschienen.
->   Abstract der Studie
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Ein "besonderes" Tier
 
Bild: EPA

Lipizzaner vor dem Schloss Schönbrunn in Wien

In Geschichte, Literatur und Kunst spielten weiße Pferde schon immer eine wichtige Rolle. Sie gelten als Symbol für Würde und als besonders edle Lebewesen.

Das führte weltweit zu einer gezielten Züchtung von Tieren, die das entsprechende Grau-Gen tragen, wie hierzulande die Lipizzaner, die ihren Status auch ihrem speziellen Äußeren verdanken.
Gen lässt das Haar ergrauen
Dabei werden die Pferde gar nicht weiß geboren. Bei der Geburt sind sie nämlich noch farbig, etwa braun oder schwarz. Bereits im ersten Jahr beginnen sie zu ergrauen, man nennt das auch "Ausschimmeln". Mit sechs bis acht Jahren sind sie dann weiß, nur die Haut darunter bleibt pigmentiert.

Das lässt sich durchaus mit dem Ergrauen menschlicher Haare vergleichen, nur dass der Prozess bei Schimmeln unglaublich beschleunigt abläuft. Verantwortlich dafür ist eine Gen-Mutation, die zum Verlust der Farbpigmente führt.
Züchtung des speziellen Aussehens
Für die aktuelle Studie haben die Forscher rund um den Studienleiter Leif Andersson vom Institut für medizinische Biochemie und Mikrobiologie der Universität Uppsala in Schweden 1.000 weiße Pferde aus Österreich, Slowenien, Ungarn, der Slowakei und Kroatien genotypisiert.

Die Forschungsarbeit zeigte, dass alle untersuchten Tiere exakt dieselbe Genmutation tragen, die auf einen gemeinsamen Vorfahren zurückzuführen ist.

Laut Andersson hat sein beeindruckendes Äußeres vermutlich zur gezielten Züchtung dieser Eigenschaft geführt, sodass es weltweit mehrere Schimmelarten gibt. Heute tragen etwa zehn Prozent aller Pferde das Grau-Gen.
Gesundheitliche Schattenseite der Schönheit
Bei der Untersuchung, an der auch Wissenschaftler der Universität für Bodenkultur, der Medizinischen und der Veterinärmedizinischen Universität in Wien beteiligt waren, wurden vor allem die Unterschiede zwischen rein- und mischerbigen Schimmeln analysiert.

Dabei zeigte sich, dass die reinerbigen Tiere deutlich heller, also sogenannte Milch-Schimmel ohne jegliche Sprenkeln sind.

Die Schönheit der Tiere bringt laut den Studienautoren aber leider auch gesundheitliche Nachteile mit sich. Denn das Ergrauen hat auch andere - zwar weniger dominante - aber trotzdem häufige "Nebenwirkungen". So seien etwa besonders die reinerbigen Pferde, die zwei Kopien der Mutation tragen, deutlich häufiger von Melanomen betroffen.
Gen führt häufig zu Erkrankungen
Im Durchschnitt erkranken ungefähr 75 Prozent der weißen Pferde, die älter als 15 Jahre sind, an einer gutartigen Form des Melanoms. Meist tritt es an verschiedenen Stellen der Köperoberfläche auf, manchmal kommt es aber auch zu einer Ausbreitung auf innere Organe und zur Metastasierung.

Eine andere häufige Erkrankung ist Vitiligo. Dabei sind manche Hautstellen der betroffenen Pferde unpigmentiert oder kahl.

Die aktuelle Studie liefert unter anderem neue Hinweise auf den molekularen Pfad, der zur Entwicklung dieser schweren Hautkrankheiten führt: So führt das Gen zwar einerseits - quasi wunschgemäß - zum Verlust der Haarpigmente, bei den Hautpigmenten scheint es aber gleichzeitig krankhafte Prozesse zu initiieren.
Erkenntnisse über Pigmentierung und Tumorbildung
Laut dem Co-Autor Johann Sölkner vom Institut für Nutztierwissenschaften der Universität für Bodenkultur Wien ist es ungewöhnlich, dass ein einziges Gen Auswirkungen auf so viele Merkmale hat. Auch die Art der Mutation sei ungewöhnlich, weil sie sich in einem unerwarteten Bereich des Gens befinde.

Generell hätten die Ergebnisse der Studie geholfen, das Grau-Gen der Lipizzaner besser zu verstehen, was zu grundsätzlichen Erkenntnissen über Pigmentzellen und über Tumorbildung beitragen soll.

Eva Obermüller, science.ORF.at, 20.07.08
->   Schimmel (Wikipedia)
->   Leif Andersson
->   Johann Sölkner
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->   Auch Pferde leiden unter Übergewicht (9.7.07)
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01.01.2010