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Stammzellen: Forscher dämpft Erwartungen  
  Die Entwicklung der Induzierten Pluripotente Stammzellen (IPS) durch den japanischen Wissenschafter Shinya Yamanaka galt und gilt als Sensation. Der Forscher dämpft nun aber überzogene Erwartungen.  
Die Wissenschaftler der Kyoto University berichtete am Donnerstag im Rahmen der Alpbacher Technologiegespräche über seine Arbeiten.
Körperzellen in "Urzustand" zurückversetzen
Yamanaka und seinem Team ist es gelungen, normale Körperzellen durch gentechnische Manipulationen in einen Zustand zurückzuversetzen, von dem aus sie sich wieder in (fast) alle Zellen verwandeln können.

Bisher kannte man diese Möglichkeit nur von Embryonalen Stammzellen (ES). Diese müssen allerdings Embryonen entnommen werden, was ethisch höchst umstritten ist.
->   "Jungbrunnen" macht aus Haut embryonale Stammzellen
Erbinformation für ganzen Organismus
Theoretisch verfügt jede Zelle über die gesamte Erbinformation für den ganzen Organismus, bei ausdifferenzierten Zellen - etwa Haut- oder Nervenzellen - steht dieses Potenzial normalerweise nicht mehr zur Verfügung.

Durch Einfügen von vier Faktoren für die Regulation der Gensteuerung ist es zuerst im Mausmodell und dann mit menschlichen Hautzellen gelungen, das Potenzial wieder abrufbar zu machen.
Gene ticken anders
"Menschliche IPS und ES sind einander ähnlich, sie sind aber nicht identisch", betonte Yamanaka. So hätten Analysen mittlerweile ergeben, dass in den IPS doch rund 1.000 Gene anders ticken als in den ES.

Die eingeschleusten Gene setzen an zahlreichen Stellen an. Deshalb könnten auch die Forschungen an ES nicht eingestellt werden, die Wissenschafter brauchen noch mehr Vergleiche.
"Immer noch wie Blackbox"
Unklar ist aber auch, was die vier Faktoren - mittlerweile konnte die Zahl reduziert werden - genau machen, um das Verhalten der Zelle derart grundlegend zu verändern.

"Es ist immer noch wie eine Art Blackbox", räumte der Forscher ein. Bis heute weiß auch noch niemand, wie natürliche Stammzellen funktionieren, welche Faktoren dabei die Hauptrolle spielen. Fest steht, dass sich IPS mit den gleichen Techniken künstlich zu bestimmten Zellen differenzieren lassen wie ES.
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Ein Beitrag mit Shinya Yamanaka ist am Freitag, dem 22. August 2008, im "Dimensionen-Magazin" (Radio Österreich 1, 19.05 Uhr) zu hören.
->   oe1.ORF.at
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Kein maßgeschneidertes Ersatzgewebe
Dass sich aus den Möglichkeiten der IPS in absehbarer Zeit konkrete Therapien entwickeln lassen, vor allem, dass Menschen bei Bedarf quasi maßgeschneiderte Ersatzgewebe oder gar Organe aus eigenen Zellen bekommen, glaubt Yamanaka nicht.

Auch wenn die Techniken in den Kurzfassungen der Medien relativ einfach klingen, so bleibt der Aufwand sehr groß. Alleine die Reprogrammierung ist eine aufwändige Prozedur, so war die Methode bei Hautzellen in nur einer von 5.000 Stück erfolgreich.
Neue Dimension der künstlichen Zeugung?
Inwieweit die Möglichkeiten der IPS ethische Probleme lösen, ist nicht absehbar. Fest steht nur, dass für die Herstellung weder menschliche Eizellen noch Spermien oder gar Embryonen nötig sind.

Es könnten sich aber völlig neue Fragen stellen, wenn sich etwa herausstellt - und Yamanaka hält das für möglich -, dass sich IPS etwa in Eizellen oder Spermien umprogrammieren lassen. Damit wäre eine neue Dimension der künstlichen Zeugung von menschlichem Leben denkbar.

[science.ORF.at/APA, 21.8.08]
 
 
 
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01.01.2010