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Schimpansen erkennen Freunde am Hinterteil  
  Verhaltensforscher haben herausgefunden, dass Schimpansen eine recht detailreiche Vorstellung ihrer nächsten Gruppenmitglieder haben. Sie erkennen einander sogar anhand von Fotos, auf denen nur das Hinterteil zu sehen ist.  
Bottom-up-Information im Sozialverband
Der niederländische Primatenforscher Frans de Waal widmet sich im Rahmen seiner Arbeit vor allem dem Gruppen- und Konfliktverhalten von Menschenaffen - also eigentlich recht ernsten Themen.

In der ersten Ausgabe des neuen Fachjournals "Advanced Science Letters" (Bd. 1, S. 99; doi: 10.1166/asl.2008.006) präsentiert nun de Waal mit seiner Kollegin Jennifer Pokorny eine eher ungewöhnliches Fragestellung, nämlich: Können Schimpansen die Hinterteile von Artgenossen den entsprechenden Gesichtern zuordnen?

Experimente mit entsprechenden Fotos zeigen: Ja, sie können es, aber nur sofern sie einander persönlich bekannt sind. Bei Tests mit Abbildungen unbekannter Artgenossen scheiterten die Tiere nämlich.
Integriertes Körperbild
"Sie sahen die Fotos nicht nur als Abbildung bekannter Schimpansen, sondern verknüpften Gesicht und Rückseite, indem sie gedanklich einen Zusammenhang mit dem ganzen Körper herstellten", sagt de Waal gegenüber dem "New Scientist".

Die Menschenaffen treffen die Zuordnung offenbar nicht anhand allgemeiner Merkmale im Gesicht, sondern tragen so etwas wie ein integriertes Körperbild ihrer Artgenossen mit sich herum. Und dieses Körperbild dürfte von persönlichen Erfahrungen in der Gruppe geformt werden, vermutet de Waal.
Fachkollegin skeptisch
Agnes Lacreuse von der University of Massachusetts in Amherst äußert sich allerdings gegenüber dem "New Scientist" ein wenig skeptisch. Ihrer Meinung nach seien noch mehr Versuche notwendig, um zu so einer Schlussfolgerung zu gelangen.

"Wir wissen beispielsweise, dass Makaken die Gesichter von Männchen und Weibchen kategorisieren. Daher wäre es sehr überraschend, wenn Schimpansen nicht dazu fähig wären."
Geschlechtszuordnung nur bei Bekannten
In einem anderen Experiment testeten de Waal und Jennifer Pokorny die Fähigkeit der Schimpansen, das Geschlecht anderer Schimpansen allein auf der Basis von Fotos dieser Tiere zu erkennen. Dazu zeigten sie den Tieren Bilder männlicher oder weiblicher Geschlechtsteile ihrer Artgenossen, die sie einem Männchen oder einem Weibchen zuordnen sollten. Auch diesen Test schlossen die Schimpansen erfolgreich ab - jedoch wiederum nur, wenn es sich um ihnen bekannte Primaten handelte.

Sollte de Waal mit seiner Interpretation Recht behalten, dann rücken die Affen in kognitiver Hinsicht erneut in Richtung Homo sapiens. Experimente haben gezeigt, dass auch wir Gesichter schneller als männlich oder weiblich identifizieren, sofern sie uns bekannt sind.

[science.ORF.at, 24.9.08]
->   Frans de Waal
->   Schimpansen - Wikipedia
->   New Scientist
 
 
 
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01.01.2010