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Wenn Liebe über Leichen geht  
  Uferschwalben sind nicht gerade wählerisch, wenn sie für eigene Nachkommenschaft sorgen wollen. Dann verteilen sie ihr Sperma selbst an toten Artgenossinnen. Und zwar umso großzügiger, je mehr sie der Konkurrenz anderer Männchen ausgesetzt sind.  
Dies bewies Henry Nicholls von der University of Sheffield, Hauptautor einer Studie, die in der aktuellen Ausgabe der Proceedings of the Royal Society erschienen ist.
Spermienkonkurrenz an toten Vögeln erforscht

Um die so genannte "Spermienkonkurrenz" - also den Impuls, für eigene Nachkommenschaft zu sorgen - von Uferschwalben zu untersuchen, wählte der britische Wissenschaftler eine makaber anmutende Methode.

Er bot den für ihre Promiskuität bekannten Vögeln tote Artgenossinnen als Objekt der Begierde an. Und diese nahmen dankend an, selbst wenn es sich einmal um ein Männchen handelte.

Darüber hinaus bewiesen die Piepmätze auch ihren Sinn für Wettbewerb: Waren sie alleine mit der vermeintlichen Liebespartnerin, hielten sie sich eher zurück. Sobald jedoch ein Konkurrent auftauchte, sonderten sie weitaus mehr Sperma ab.
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Spermienkonkurrenz
Wenn in einer Fortpflanzungsperiode mehrere Männchen mit demselben Weibchen kopulieren, konkurrieren die Spermien dieser Männchen um die Befruchtung des Eies bzw. der Eier. Dieses Phänomen wird Spermienkonkurrenz genannt.
->   Mehr über Spermienkonkurrenz
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Schwierige Ausgangsposition
Spermienkonkurrenz bei Vögeln zu untersuchen, ist keinesfalls einfach. Besonders bei Arten, die auf Treue nicht allzu viel Wert legen. Denn bei ihnen konkurrieren Spermien verschiedener Männchen, zum Teil noch im Körper eines einzigen Weibchens.

In erster Linie bedarf es dafür des Einsammelns von Sperma - ein Vorgang, der weder für die Vögel noch für die Forscher angenehm ist, wie Henry Nichols meint. "Abgesehen davon sammelte man bei den Studien bislang viel geringere Mengen ein, als man sie bei Männchen findet, die unter natürlichen Bedingungen ejakulieren."
Männchen und Weibchen kaum zu unterscheiden
So schlug er eine andere Versuchs-Anordnung vor: Er sammelte tote Uferschwalben ein, die er in ihrem natürlichen Habitat in Ungarn gefunden hatte, konservierte sie chemisch, versteifte ihre Beine mit Draht und klebte sie auf einen Zweig.

Dabei konnten sie noch nicht einmal sicher sein, ob es sich jedes Mal tatsächlich um ein Weibchen handelte: Uferschwalben sind sexuell monomorph, was ihre äußeren Genitalien betrifft.
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Uferschwalbe
Die Uferschwalbe (Riparia riparia) ist die kleinste Schwalbe mit einer Größe von 12 Zentimeter. Beide Geschlechter sind gleich gezeichnet. Die Oberseite ist stumpf grau- bzw. erdbraun gefärbt. Von dieser heben sich deutlich die weiße Unterseite und die ebenfalls weißen Halsseiten ab, zwischen denen ein braunes Kropfband verläuft. Die Unterflügeldecken und die Achselfedern sind dunkelbraun gekennzeichnet. Der schwarze Schnabel ist breit und flach mit einer gebogenen Spitze. Die schwarzen Beine und Füße der Uferschwalbe sind bis auf ein kleines Federbüschel am unteren Lauf unbefiedert. Die ältesten Uferschwalben erreichten ein Alter von 9 bzw. 10,3 Jahren.
->   Mehr über die Uferschwalbe
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Konkurrenz verstärkt Sperma-Abgabe
Die Männchen schien dies wenig zu stören: Sie paarten sich mit den präparierten Leichen, gleichgültig, ob es sich männliche oder weibliche Artgenossen handelte. Nichols und sein Team brauchten dann nur noch das Sperma von den toten Vögeln einzusammeln und auszuwerten.

Dabei stellten sie fest, dass die Uferschwalben sehr unterschiedlich mit ihrem Sperma haushalten: Sobald sich ein Konkurrent zeigte, enthielt das Ejakulat deutlich mehr Spermien als wenn sie mit dem Weibchen allein waren.
Wie bei einer Tombola?
Damit, so mutmaßt Nichols, können sie je nach Situation die Wahrscheinlichkeit steuern, dass ihr Erbgut zum Zuge kommt.

Das ganze sei am ehesten mit einer Tombola zu vergleichen, meint der britische Forscher gegenüber BioMed News: "Wenn Sie als einziger spielen, kaufen Sie nur ein Los und gewinnen immer. Wenn Sie jedoch wissen, dass Sie gegen andere spielen, müssen Sie mehr Lose kaufen als diese, um gute Gewinnchancen zu haben."

(red)
->   Proceedings of the Royal Society: Biological Sciences
->   BioMed News
->   University of Sheffield
 
 
 
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01.01.2010