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Neues Alter für den Pekingmenschen  
  Chinesische Forscher haben die Fundstelle des berühmten Pekingmenschen neu analysiert und kommen zu dem Schluss: Dessen Knochen sind 200.000 Jahre älter als bisher gedacht. Theoretisch hätte der "chinesische" Homo erectus somit jede Menge Zeit gehabt, nach Südostasien zu wandern - seinen "Cousin", den Javamenschen, hat er vermutlich dennoch nicht getroffen.  
"Wir müssen sie nur noch finden!"
Als der Schwedische Geologe Johan Gunnar Andersson 1918 für die chinesische Regierung als Bergbauexperte arbeitete, stieß er in der Nähe von Peking auf ein Höhlensystem, in dem Einheimische diverse Knochen gefunden hatten. Die darüber liegende Erhebung nannten sie "Drachenknochenhügel", wohl ein Hinweis auf deren Verwendung als traditionelle Arznei. Andersson indes war aus wissenschaftlichen Motiven an der Höhle in der heutigen Region Zhoukoudian interessiert.

Er führte erste Probegrabungen durch und entdeckte dabei weißen Quarz, der in jener Region nicht vorkommen sollte - es sei denn, jemand hätte ihn vor langer Zeit dorthin gebracht. Andersson soll sofort die Bedeutung des Fundes erkannt und ausgerufen haben: "Hier gibt es primitive Menschen. Jetzt müssen wir sie nur noch finden!"

Er lag mit dieser Vermutung goldrichtig. 1921 grub der österreichische Paläontologe Otto Zdansky an gleicher Stelle einen Backenzahn aus, der von anderen einer neuen Menschenart zugeordnet wurde, heute bekannt als Homo erectus pekinensis, der Pekingmensch.

Daraufhin folgten in den nächsten Jahrzehnten weitere 150 Zähne, 14 Schädel, Skelettreste von insgesamt 50 Individuen sowie tausende Steinartefakte. Der Großteil der Knochen ging allerdings während des 2. Weltkriegs verloren. Was heute an Skelettmaterial des Pekingmenschen existiert, sind vorwiegend Abgüsse der verschwundenen Originale.
Neue Technik, neues Alter

Homo erectus pekinensis
Das tut der Forschung über diese Variante des Homo erectus jedoch keinen Abbruch: Wie ein Team um Guanjun Shen von der Nanjing University im Fachblatt "Nature" (Bd. 458, S. 198) berichtet, muss man die Geschichte des "aufrechten Menschen" in Asien revidieren. Bislang schätzte man das Alter der Pekingmensch-Knochen auf 400 bis 600.000 Jahre, Shen und seine Kollegen kommen aber auf einen deutlich höheren Wert.

Sie haben die tiefste Schicht am Fundort Zhoukoudian, wo auch fossiles Material ausgegraben wurde, mithilfe einer neuen Technik auf rund 770.000 Jahre datiert. Die Technik basiert auf dem Zerfall von Aluminium- und Beryllium-Isotopen in Quarzkörnern und liefert nun endliche die Erklärung für eine rätselhafte zeitliche Lücke, mit der sich Paläontologen in den letzten Jahren herumschlagen mussten.

Andere H. erectus-Fundstellen in China wurden nämlich mit Hilfe der sogenannten Magnetostratigraphie deutlich älter beurteilt. Nachdem Guanjun Shen die Ankunft des Pekingmenschen nun um 200.000 Jahre vorverlegt, rücken die einst divergierenden Horizonte deutlich näher zusammen.
Von Afrika nach Asien
Mit dieser Korrektur stellt sich Homo erectus' Geschichte nun folgendermaßen dar: Der bis zu 1,80 Meter große Mensch mit einem Hirnvolumen, das etwa zwei Drittel des unsrigen erreichte, entstand vor rund 2 Millionen Jahren in Afrika und zog von dort in Richtung Asien. Vor 1,3 Millionen Jahren erreichten die ersten Pioniere den Nordosten des Kontinents, etwas früher kamen sie bereits in Sangiran auf der Insel Java an, wo sich ein besonders wichtiger Fundort des Homo erectus befindet.

Ob die Populationen im nord- und südöstlichen Asien jemals in Kontakt standen, ist noch nicht klar. Ökologische Überlegungen sprechen eher dagegen: Zwischen den beiden Populationen lag ein undurchdringlicher subtropischer Wald, der die sogenannnte Ailuropoda-Stegodon-Fauna beherbergte, benannt nach dem (noch lebenden) Großen Panda sowie (ausgestorbenen) elefantenähnlichen Rüsseltieren. In diesen Wäldern lebte, wie Paläoökologen wissen, auch der bis zu 500 Kilogramm schwere Riesenaffe Gigantopithecus.

Der eher an offene Landschaften angepasste Homo erectus war nach Ansicht der meisten Biologen von Gigantopithecus' Gefilden eher wenig begeistert und mied sie. Folglich dürften einander Peking- und Javamensch, obwohl der gleichen Art zugehörig, nie begegnet sein.
Zwei Routen durch den Kontinent
Jedenfalls stammen beide von Populationen ab, die von Afrika, eventuell auch von Südwestasien aus in Richtung Osten gewandert sind. Die einen wählten die Route über die arabische Halbinsel und den Südrand des Himalayas in Richtung Tropen. Die anderen marschierten durch Zentralasien und die Mongolei in die temperaten Becken Chinas.

Nachhaltiger war vermutlich die Entscheidung Richtung Süden zu gehen: Die jüngsten Knochenreste in Sangiran, Java, sind nur 50.000 Jahre alt. Der Pekingmensch dürfte bereits vor 400.000 Jahren verschwunden sein.

Robert Czepel, science.ORF.at, 12.3.09
->   Pekingmensch - Wikipedia
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01.01.2010