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Hinweise auf "linkes" Universum  
  So wie es bei Menschen Rechts- und Linkshänder gibt, unterscheiden Chemiker zwischen rechts- und linkshändigen Verbindungen. Lebende Organismen auf der Erde bestehen etwa nahezu ausschließlich aus "linken" Aminosäuren. Warum das so ist, darüber gehen die Expertenmeinungen auseinander.  
Eine aktuelle Studie zeigt, dass die Vorherrschaft der linken Variante jedenfalls älter sein dürfte als das Leben, wie wir es kennen. Bei der Untersuchung von Meteoriten, die vor Milliarden Jahren auf die Erde eingeschlagen waren, fanden Daniel Glavin und Jason Dworkin von der NASA weit mehr links- als rechtshändige Aminosäuren.
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Die Studie "Enrichment of the amino acid l-isovaline by aqueous alteration on CI and CM meteorite parent bodies" ist am 16.3. online in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" erschienen (doi: 10.1073/pnas.0811618106).
->   Abstract der Studie
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Bild und Spiegelbild
Mit "linksdrehend" und "rechtsdrehend" assoziieren die meisten wohl den Schwindel, der einen vor der Wahl des richtigen Joghurts im Supermarkt überfällt. Was sich dort auf die tatsächlich oder vermeintlich wohltuende Wirkung der Milchsäure bezieht, heißt in der Chemie "Enantiomere".

Gemeint sind damit Paare chemischer Verbindungen, die in ihren Bestandteilen ident sind, deren räumliche Struktur aber jener von Bild und Spiegelbild entspricht. Schon Luis Pasteur wusste vor über 150 Jahren von diesen Molekülpaaren.

Enantiomere kommen entweder in einer linksdrehenden (oder -händigen) bzw. einer rechtsdrehenden Version vor und werden entsprechend mit L- bzw. D- abgekürzt (lateinisch laevus bzw. dexter).
->   Enantiomere (Wikipedia)
Aminosäuren: Grundstoffe des Lebens
Aminosäuren, die Bausteine der Proteine, gibt es auf der Erde in Organismen fast nur in der L-Variante. 1997 berichtete die Biochemikerin Sandra Pizzarello von der Arizona State University, dass auch Milliarden Jahre alte Meteoriten diesen Hang zur Asymmetrie haben. Dies passte gut zu der These, dass die Grundstoffe des Lebens einst durch kosmischen Steinschlag auf die Erde importiert worden waren.

In der bisher umfangreichsten Studie zu dem Thema haben nun Daniel Glavin und Jason Dworkin von der NASA die Aminosäure Isovalin in sechs Meteoriten untersucht, die in der Antarktis bzw. Australien eingeschlagen waren. Sie sind über 4,5 Milliarden Jahre alt und somit älter als die Erde.
Deutlich mehr "Linkshänder"
 
Grafik: NASA/Mary Pat Hrybyk-Keith

Grafische Darstellung von links- und rechtsdrehender Aminosäure Isovalin

Bei allen sechs Exemplaren fanden sie deutlich mehr links- als rechtsdrehende Aminosäuren. In einem Fall betrug das Missverhältnis sogar 82:18 Prozent, der größte bisher gefundene Unterschied bei Meteoriten.

"Ich konnte das zuerst gar nicht glauben", so Glavin gegenüber der Online-Ausgabe des Fachjournals "Science".
Wasser als Ursache
Wenn die Differenz älter ist als die Erde, stellt sich die Frage, wie sie so früh im Universum zustande gekommen ist. Die von den Wissenschaftlern bevorzugte Erklärung: Die Aminosäuren sind mit schmelzendem Wasser in Berührung gekommen, als die späteren Meteoriten noch Teil größerer Asteroiden waren. Bestimmte Zustände des Wassers begünstigen die Bildung von L-Aminosäuren.

Eine andere Erklärung liegt in der selektiven Zerstörung der in den kosmischen Trümmern befindlichen D-Aminosäuren durch polarisiertes UV-Licht, wie es etwa durch Supernovae erzeugt wird.
Auch Meteoritenfunde sind umstritten
Wie auch immer: Ob die Ungleichverteilung der Enantiomere im gesamten Universum gleich ist, darauf können auch Meteoritenfunde keine endgültige Antwort geben. Nicht zuletzt weil die Gesteinsbrocken aus dem All einmal auf der Erde gelandet sofort von Bakterien verunreinigt werden.

"Wissenschaftler haben Bakterien bereits dabei zugesehen, wie sie glücklich in ihrem Inneren wachsen", sagt die Pionierin der Forschungsbranche Sandra Pizzarello gegenüber "Science". Falls sich diese vorwiegend von rechtsdrehenden Aminosäuren ernähren, könnten auch sie für die aktuelle Asymmetrie verantwortlich sein.

[science.ORF.at, 17.3.09]
->   Daniel Glavin, NASA
->   Jason Dworkin, NASA
->   Science Now
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Warum die Natur bisweilen Links bevorzugt
->   Stammt die Form der Biomoleküle aus dem Kosmos?
 
 
 
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01.01.2010