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Nanoforschung: Aus Röhren mache Bänder  
  Nanobänder gelten als große Hoffungsträger unter den kleinen Kohlenstoffmolekülen. Bislang haftete ihnen jedoch ein Mangel an: Die Herstellung war einfach zu teuer. US-Forscher haben nun die Tür in Richtung Massenproduktion geöffnet - sie wollen damit die Elektronik revolutionieren.  
Boomender Wirtschaftszweig
Nach Ansicht des US-Unternehmens Lux Research brauchen wir auf die Nanorevolution nicht mehr zu warten. Denn: Wir befinde uns bereits mittendrin. Laut einem Bericht des Forschungs- und Beratungsunternehmens betrug im Jahr 2006 der weltweite Umsatz mit Nanoprodukten 27 Milliarden Euro, 2014 sollen es mit anderthalb Billionen bereits erheblich mehr sein.

Lux Research sieht auch auf dem Arbeitsmarkt einen ähnlichen Trend und spricht von zehn Millionen Jobs, die an der Schnittstelle von Technologie und Industrie entstehen sollen. Das ist ohne Zweifel Balsam für die ob der Krise geschundenen Seelen der Volkswirtschaften, wenngleich sich erst in fünf Jahren zeigen wird, ob "Nano" tatsächlich so boomt wie prognostiziert.

Nachweisliche Fortschritte gibt es zumindest im Feld der Grundlagenforschung. Zwei US-amerikanische Forscherteams berichten nun von neuen, bedeutend einfacheren und effizienteren Methoden zur Herstellung von Nanobändern aus Kohlenstoff.
Röhren, Bälle, Bänder
Diese "Nanoribbons", wie sie im Englischen heißen, wurden erst vor ein paar Jahren entdeckt. Davor hatte man gemeint, Nanostrukturen seien grundsätzlich rund - wie etwa die bereits länger bekannten (kugeligen) "Buckyballs" und die (röhrenförmigen) "Nanotubes".

Doch die Architektur der Kohlenstoffmoleküle erwies sich als deutlich variantenreicher. So erhielt die Familie der Nanostrukturen in letzter Zeit auch durch flächige Gebilde Zuwachs, beispielsweise durch Kohlenstoffschichten in ein- oder mehrfacher Lage, besser bekannt unter dem Namen Graphen.
Function follows Form
Nun wäre die Form der diversen Moleküle nicht so wichtig, wenn damit nicht auch bestimmte physikalische Vorzüge verbunden wären. Die Festigkeit mancher Kohlenstoffgebilde übertrifft etwa die des Stahls bei weitem, gleichzeitig sind sie bedeutend bessere Wärme- und Stromleiter als Diamant und Kupfer.

Das und ihre erstaunliche Wandelbarkeit macht sie als Material für elektronische Bauteile interessant: "Einlagiges Graphen ist an sich metallisch, zwei Lagen haben dagegen Halbleitereigenschaften ", sagt James Tour von der Rice University gegenüber science.ORF.at: "Um daraus einen Transistor zu machen, braucht man allerdings eine relativ hohe Spannung, so zwischen 10 und 40 Volt. Nanobänder brauchen hingegen nur ein bis zwei Volt."

In Kombination mit der Beweglichkeit des Materials ein entscheidender Vorteil, ergänzt Tours Fachkollege, der Standford-Forscher Hongjie Dai: "Man kann damit viel schnellere Schaltungen bauen als mit Silizium."
Effizienter Umweg
 
Bild: Dmitry V. Kosynkin

Wie Tour und Dai nun parallel im Fachjournal "Nature" (Bd. 458, S. 872 und S. 877) berichten, ist es offenbar am ökonomischsten, Nanobänder über den Umweg konzentrischer Kohlenstoffröhrchen herzustellen (siehe Bild oben). Letztere kann man relativ einfach auf geeigneten Oberflächen wachsen lassen, was bei ersteren aufgrund ihrer Materialeigenschaften kaum möglich ist.

Hat man die Röhrchen einmal bei der Hand, muss man sie "nur" noch chemisch aufbrechen. Hier gibt es mehrere Möglichkeiten, etwa die Behandlung mit Schwefelsäure und Kaliumpermanganat oder die "Ätzmethode" mit Argonplasma. Jedenfalls kann man auf diese Weise die Größe und somit die physikalischen Eigenschaften der Bänder kontrollieren, womit die industrielle Großproduktion nun in greifbare Nähe rückt.

In welcher Technologie dieser Fortschritt seinen Niederschlag finden wird, vermag Tour noch nicht zu sagen. Er forscht zurzeit an allen möglichen Anwendungen der Nanobänder: "In der Elektronik von Druckern, in der Photovoltaik, aber auch als Baustoff elektrisch leitfähiger, durchsichtiger Materialien."
Rechnen mit Graphen
Und wie lange müssen wir noch warten, bis es den Kohlenstoff-Computer zu kaufen gibt? "Ich weiß es nicht. Momentan sind die Nanobänder nur ein neues System für die Grundlagenforschung", sagt Dai.

Sein Kollege Tour meint: "Die Nanobänder eignen sich eher für lose aufgebaute Elektronik und nicht so sehr für diskrete Bauteile, wie sie in Computern zum Einsatz kommen. Aber es gibt da eine Daumenregel des Prozessorherstellers Intel. Sie besagt: Wenn ein Gerät im Labor läuft, dauert es ungefähr acht Jahre, bis man es verkaufen kann. Die Experimente mit Graphenelektronik für Computer und Speicher laufen seit ein bis zwei Jahren. Das heißt: In der besten aller Welten würde es vielleicht noch sechs Jahre dauern."

Robert Czepel, science.ORF.at, 16.4.09
->   Hongjie Dai
->   James Tour
->   Nanotechnologie - Wikipedia
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01.01.2010