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Antarktische Mikroben: Überleben im Eis  
  Für Menschen zählt die Antarktis zu den unwirtlichsten Plätzen auf dieser Erde. Dennoch finden Polarforscher immer wieder erstaunliche Formen des Lebens in der rund um den Südpol gelegenen Region. US-Wissenschaftler haben nun ein tief unter einer Eisschicht eingeschlossenes Ökosystem entdeckt, in dem Mikroben ohne Licht und Sauerstoff Millionen Jahre überlebt haben.  
Ein spezieller Stoffwechselprozess ermöglichte ihnen, sich ihre schwefel- und eisenreiche Umgebung nutzbar zu machen.
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Die Studie "A Contemporary Microbially Maintaines Subglacial Ferrous 'Ocean'" von Jill A. Mikucki ist in der aktuellen Ausgabe von "Science" (17. April 2009, DOI:10.1126/science.1167350) erschienen.
->   Zum Abstract der Studie
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"Blutiger" Wasserfall
 
Bild: Science, Benjamin Urmston

Schon seit bald hundert Jahren beschäftigt ein beeindruckendes Naturphänomen am Taylorgletscher in den Antarktischen Trockentälern zahlreiche Forscher: die "Blood Falls". Ein - wie der Name schon vermuten lässt - blutrotes Wasserfall-artiges gefrorenes Etwas, das den weißen Gletscher färbt.

Glaubten seine Entdecker im Jahre 1911 noch, dass rote Algen für die Farbe verantwortlich sind, weiß man heute, dass Eisen die Ursache ist. Dennoch blieb die seltsame Flüssigkeit der Wissenschaft ein Rätsel. In unregelmäßigen Abständen fließt sie aus dem Gletscher, bevor sie gefriert, was eine genaue Analyse bis jetzt erschwerte.
Marine Art
Ein längerer Forschungsaufenthalt der Harvard-Forcherin Jill Mickucki im Rahmen des Internationalen Polarjahrs machte es nun möglich. Sie und ihr Team konnten ausreichend frische Proben der salzigen Flüssigkeit ziehen.

Schon die erste Untersuchung ergab, dass das Substrat zwar keinerlei Sauerstoff enthielt, aber trotzdem Bakterien, vor allem die Gattung Thiomicrospira arctica. Die genetische Analyse der Mikroorganismen ergab, dass sie mariner Abstammung sind. Das heißt, sie ähneln den Mikroben, die noch heute im Meer leben und weniger jenen, die man an Land findet. Darauf deutet auch die hohe Konzentration von Schwefel.
1,5 Millionen Jahre eingeschlossen
Daraus folgern die Wissenschaftler, dass die kleinen Lebewesen vor 1,5 Millionen im offenen Meer gelebt haben. Als sich dann der Boden der Täler hob, wurde ein Teil des Meerwassers eingeschlossen und danach von einer Gletscherschicht überzogen.

So entstand eine flüssigkeitsgefüllte Kapsel, in der die Bakterien die Zeit überdauerten, nur ab und zu drang etwas von der roten Substanz an die Oberfläche. "Es ist als ob man einen Wald findet, den 1,5 Millionen Jahre niemand gesehen hat", kommentiert die Co-Autorin Ann Pearson die Entdeckung.
Anpassung ermöglicht Schwefelkreislauf
Der unterirdische See gefriert offenbar aufgrund seiner extremen Salzigkeit nicht. Dass die Mikroben tief unter der geschätzten vierhundert Meter dicken Eisschicht überleben konnten, verdanken sie laut den Forschern einer nützlichen Anpassung ihres Stoffwechsels.

Ein spezieller chemischer Prozess ermöglichte ihren Fortbestand. Dadurch können sie das aus dem Felsboden ausgewaschene Eisen aufnehmen, ein schwefelhaltiges Enzym fungiert als Katalysator. Entstanden sei diese Stoffwechseleigenschaft aufgrund der geringen Vorräte an organischem Kohlenstoff infolge der fehlenden Photosynthese.

In das unterirdische Reservoir vorzudringen, ist aufgrund seiner Lage laut den Forschern nicht möglich. Sie schätzen aber, dass es etwa weniger als 5.000 Meter lang ist.
Leben in feindlichen Welten
Die erstaunliche Tatsache, dass Organismen selbst unter derartig extremen Bedingungen und völlig isoliert überleben können, könnte laut den Wissenschaftlern auch bei der Beantwortung anderer Fragen zum Leben in feindlichen Umwelten hilfreich sein: Etwa bei der Untersuchung der "Schneeball Erde"- Hypothese. Sie besagt, dass die Erde einmal großflächig mit Eis überzogen war.

[science.ORF.at, 17.4.09]
->   Antarktische Trockentäler (Wikipedia)
->   Pearson Group (Harvard University)
Mehr dazu in science.ORF.at:
->   Kein ewiges Eis in der Westantarktis (19.3.09)
->   Unterirdische Seen: Eisbänke schmelzen schneller (18.11.08)
->   Internationales Polarjahr startet (1.3.07)
->   Neue große Seen unter Antarktis-Eis entdeckt (21.2.07)
 
 
 
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01.01.2010