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Online-Orientierungshilfen für EU-Wahlen  
  Die Wahl zum Europäischen Parlament am 7. Juni rückt näher. Das zeigt sich nicht nur am aktiver werdenden Wahlkampf. Auch Online-Orientierungshilfen widmen sich europäischen Fragen.  
Aktuell ist www.politikkabine.at/eu online gegangen, das im Auftrag des Unterrichsministeriums umgesetzt wurde.

Im europäischen Verbund existiert mit dem EU-Profiler ein Projekt, welches die Standpunkte von Parteien aus allen EU-Mitgliedsstaaten, der Schweiz und der Türkei zusammenführt und einen Antwortvergleich ermöglicht, erklärt der Politikwissenschaftler Florian Perlot der Donau-Uni Krems in einem Gastbeitrag.
Spielerische politische Bildung
Von Florian Perlot

Voting indicator tools lautet die Fachbezeichnung derartiger Internet-Seiten. Ihr Prinzip ist einfach: Der Nutzer kann zunächst - meist 20 bis 30 - Fragen zu politischen Themen beantworten; etwa, ob sozialrechtliche Mindeststandards EU-weit eingeführt werden sollen oder ob man eine europäische Bankenaufsicht befürwortet.

Anschließend vergleicht ein Programm seine Angaben mit den Positionen von Parteien oder Politikern. Das Resultat ist eine Liste mit den Übereinstimmungen und Abweichungen zwischen persönlicher Nutzermeinung und den Standpunkten der politischen Akteure.

Hintergedanke dabei ist, Menschen spielerisch in Kontakt mit politischen Themen zu bringen und eine inhaltliche Auseinandersetzung und Diskussion anzuregen.
Vorgänger seit 1998
Eines der ersten dieser Projekte war 1998 der Stemwijzer in den Niederlanden. Seither hat sich die Palette stark erweitert. Im deutschsprachigen Raum existiert beispielsweise der Wahl-O-Mat in Deutschland, in der Schweiz Smartvote, in Österreich die Wahlkabine und die Politikkabine.at.

Letztere unterscheidet sich von anderen voting indicator tools dadurch, dass sie auch in wahlfreien Zeiten einen Fragenkatalog anbietet. Das soll die politische Bildungsarbeit abseits der ohnehin hohen Aufmerksamkeit rund um Wahlen unterstützen.
Unterschiedliche Ansprüche
So sehr sich die Seiten im Kern gleichen, so unterschiedlich sind sie in Gestaltung und Umfang. Die Schweizer Variante bietet etwa zusätzlich eine Kandidaten-Datenbank, die grafische Aufbereitungen der Standpunkte in einem politischen Koordinatensystem und die Möglichkeit, sein eigenes Ergebnis zu verschicken.

Unterschiede gibt es auch im Anspruch: Während sich einige der Seiten selbst als reine Orientierungshilfe verstehen, deklariert Smartvote sein Ergebnis als Wahlempfehlung.
Für Meinungsforschung ungeeignet
Eines sind voting indicator tools trotz des Fragebogencharakters nicht: Sie sind keine Instrumente der Meinungsforschung. Abgesehen von der methodischen Nicht-Eignung muss die Übereinstimmung zwischen Nutzer- und Parteimeinung nicht der persönlichen Präferenz entsprechen.

Vor allem aber ist es nicht ihr Ziel, derartige Daten zu gewinnen. So speichert beispielsweise Politikkabine.at nur die Zahl der Antworten, die Resultate selbst aber nicht. Im Sinne der Transparenz werden üblicherweise zudem die Methode und weitere Informationen zum Vorgehen offen gelegt.
Klare Aussagen
Kritikpunkte sind vorhanden: So kann die Reduzierung von großteils komplexen Themen auf möglichst einfache Ja/Nein-Fragen - wie sie vorgenommen wird - ebendiese Komplexität nicht abbilden. Der Verknappung lässt sich etwa mit Informationstexten zu den einzelnen Fragen gegensteuern, Parteien können auch teilweise ihre Antworten begründen. Die Verständlichkeit und der einfache Zugang für die Nutzer hat aber Vorrang.

Doch ein Vorteil der Ja/Nein-Beschränkung liegt auf der Hand: Politische Akteure werden gleichsam zu eindeutigen Stellungnahmen gezwungen. So findet man auf den genannten Seiten in aller Kürze klare Aussagen zu unterschiedlichsten Politikfeldern.
Subjektive Festlegung der Redaktion
Der Fragebogen selbst ist eine Auswahl aus einer langen Liste möglicher Themen. Welche abgefragt werden und welche nicht ist eine Entscheidung, die teils auf Aktualität und Relevanz beruht, letztlich aber eine subjektive Festlegung der jeweiligen Redaktion ist. Automatisch werden damit gewisse Aspekte ausgeblendet und Parteien nicht im vollen Umfang ihrer inhaltlichen Standpunkte gezeigt.

Dennoch: Durch den Querschnitt - von Bildung über Umwelt und Steuern bis zu Migration - geben die Fragebögen einen komprimierten Überblick. Zudem können und sollen voting indicator tools keine umfassenden Antworten liefern. Denn im besten Fall sind sie nicht das Ende, sondern der Anfang der Beschäftigung mit Politik.

[15.5.09]
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Über den Autor
Florian Perlot ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Department Politische Kommunikation - Schwerpunkt Politik und (neue) Medien der Donau-Universität Krems. Er hat an www.politikkabine.at/eu mitgearbeitet.
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01.01.2010