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Dunkle Energie gibt es vielleicht gar nicht  
  Vor elf Jahren wurde die Idee der Dunklen Energie in die Kosmologie eingeführt. Sie hilft, wesentliche Aspekte der Expansion des Universums zu erklären; ihre Entdecker wurden dafür ausgezeichnet. Doch nun haben zwei Forscher ein mathematisches Modell entwickelt, mit dem das Universum auch ohne diese Energieform beschrieben werden könnte.  
Was das Universum auseinander treibt
Eigentlich sollte die Expansion des Universums abnehmen. Die Gravitation wirkt der auseinandertreibenden Kraft entgegen; die Galaxien müssten sich daher zunehmend langsamer voneinander entfernen. Davon war man lange überzeugt. Doch im Jahr 1998 entdeckten die Astronomen Saul Perlmutter und Brian Schmidt das Gegenteil: Die Expansion wird nicht geringer, sie beschleunigt sich sogar noch.

Die unbekannte Kraft dahinter wurde Dunkle Energie genannt. Sie soll 75 Prozent der Energie des Universums ausmachen. In aufwändigen Forschungsprojekten setzte man sich zum Ziel, ihre Existenz zu beweisen.

Doch ginge es nach einem mathematischen Modell zweier Forscher, könnte sie sich nun wieder in Luft auflösen. Mit ihren Formeln ließe sich die Expansion des Universums möglicherweise auch ohne Dunkle Energie erklären, schreiben die beiden US-amerikanischen Mathematiker Blake Temple und Joel Smoller in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "PNAS" (sobald online).
Der Blick in die Expansionswelle
Temple und Smoller haben eine Gruppe an Gleichungen für expandierende Wellen erstellt und diese mit dem Standardmodell der Kosmologie kombiniert. Der Schluss: In Ihrer Theorie gäbe es die Beschleunigung der Expansion des Universums gar nicht. Sie wäre nur eine Korrektur zum Standardmodell und käme dadurch zustande, dass wir von der Erde aus auf eine Expansionswelle blicken.

Um die Bewegungen der Galaxien zu erklären, käme man daher mit "klassischen Quellen" aus. Die Annahme der Dunklen Energie, mit der das Modell an Beobachtungen angepasst worden war, könnte fallen gelassen werden.
Ominöse Energieform
Richtig erhellend waren bisherige Arbeiten zur Dunklen Energie jedenfalls noch nicht. Zwar hat man weit entfernte Galaxien beobachtet und umfangreiche Karten des Universums angelegt und damit einige Hinweise für ihre Existenz gefunden, für einen sicheren Beweis reicht das aber nicht aus. Die Messfehler könnten noch zu groß sein.

Dabei geht es aber immerhin um einiges: Die Frage nach der Dunklen Energie kratzt an einigen Fundamenten der Kosmologie - etwa, ob die Gravitationstheorie überhaupt stimmt, oder ob Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie unverändert weiter bestehen kann. Möglicherweise kam Einstein selbst schon auf die Idee: Die Dunkle Energie könnte sich hinter seiner "kosmologischen Konstante" verbergen.
Nichts als Strahlung
Temple und Smoller untersuchten mit ihren Formeln die ersten 379.000 Jahre des Universums, das in diesem Zeitraum nach dem Urknall ausschließlich aus Strahlung bestand. Die Art und Weise, wie die Expansion damals gedämpft wurde, dürfte eine Rolle für die heutige Expansion des Universums spielen.

Zudem beziehen sich die Autoren auf eine Studie, nach der die ungewöhnliche Beschleunigung der Expansion durch eine lokale Unterdichte in der Nachbarschaft unserer Galaxie entstanden sein könnte (arXiv, online). Das neue Modell könnte es damit möglich machen, die Quelle dieser Unterdichte zu berechnen. Doch selbst wenn ihr Expansionswellenmodell die beschleunigte Ausdehnung des Universums nicht erklärt, hätte man damit eine Instabilität im Standardmodell entdeckt, schreiben Temple und Smoller.

Mit der Frage nach der Dunklen Energie werden sich Forscher also noch länger beschäftigen. Und auch wenn die Existenz der Dunklen Energie einmal bewiesen wäre, eine Frage bliebe noch offen: Woraus sie denn besteht.

Mark Hammer, science.ORF.at, 19.8.09
->   Blake Temple
->   Joel Smoller
->   Webseite der ESA zu Dunkler Energie
->   Webseite der NASA zu Dunkler Energie
->   Joint Dark Energy Mission der NASA
Mehr dazu in science.ORF.at:
->   Gute Karten für die Dunkle Energie
->   Zukunftspläne der NASA: Priorität für Dunkle Energie
->   Entdecker der Dunklen Energie ausgezeichnet
->   "Acceleronen" sollen Dunkle Energie erklären
 
 
 
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01.01.2010