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Kohlmeisen töten Fledermäuse  
  Wenn das Futter zur Winterzeit knapp ist, stellen Kohlmeisen ihren Menüplan um - und fressen schlafende Zwergfledermäuse. Bietet man ihnen jedoch Sonnenblumenkerne oder Speck an, dann verzichten sie auf derlei Beutezüge.  
Jagd auf kleine Säugetiere
Der Erfindungsreichtum von hungrigen Meisen ist - zumindest unter Verhaltensforschern - legendär. Auf den Britischen Inseln lernten Blaumeisen etwa in den 40er Jahren, vor Häusern abgestellte Milchflaschen zu öffnen, um an die Fettschicht zu kommen, die sich an der Unterseite des Deckels gebildet hatte. Eine weitere erstaunliche Verhaltensweise hat nun ein Team um Björn Siemers vom Max-Planck-Institut für Ornithologie entdeckt.

Die deutschen und ungarischen Forscher beobachteten während zweier Winter Kohlmeisen, die in eine Höhle im Nordosten Ungarns flogen, um dort Jagd auf überwinternde Zwergfledermäuse zu machen (Biology Letters, online). Die Forscher erklären dieses Verhalten mit einer extremen Notsituation bei der Nahrungssuche. Denn Kohlmeisen fressen im Sommer Insekten oder Spinnentiere und suchen im Winter eigentlich nach Samen oder Beeren. Im Nordosten Ungarns können aber harte Winter mit einer geschlossenen Schneedecke herrschen.
Verhängnisvolle Abwehrrufe
 
Bild: Max-Planck-Institut f¿r Ornithologie

Der Jäger: die Kohlmeise (Parus major)

Die untersuchte Höhle hat einen großen Eingang, so dass etwas Licht in diese fällt und sich die Meisen im Halbdunkeln noch orientieren können. In der Höhle finden die Vögel die Fledermäuse möglicher Weise durch Laute, welche die im Winterschlaf gestörten Tiere beim Aufwachen ausstoßen. Die Laute reichen vom menschlichen Hörbereich bis hinein in den Ultraschall.

Dass sie auch im hörbaren Bereich der Vögel liegen, zeigten die Forscher, in dem sie den Meisen die Fledermauslaute vorspielten und diese sich interessiert dem Lautsprecher annäherten. "Es sind vermutlich Laute, die der Abwehr dienen sollen", so Björn Siemers, "aber es ist möglich, dass sie von den Meisen zum Orten der Fledermäuse genutzt werden."

Die Meisen benötigten höchstens eine Viertelstunde vom Eindringen in die Höhle bis zum Erbeuten einer Fledermaus. Teilweise trugen sie die Fledertiere in ihrem Schnabel aus der Höhle heraus und fraßen sie auf Bäumen in der Nähe der Höhle.
Speck macht Meisen friedlich
 
Bild: Max-Planck-Institut f¿r Ornithologie

Das Opfer: die Zwergfledermaus (Pipistrellus pipistrellus)

Dieses Verhalten ist allerdings stark vom vorhandenen Nahrungsangebot abhängig. Als die Forscher wenige Meter vor dem Höhleneingang zusätzliches Futter in Form von Sonnenblumenkernen und Speck anboten, holte sich nur mehr eine einzige Kohlmeise eine Fledermaus.

"Verhaltensflexibilität, gepaart mit veränderten Gegebenheiten der Umwelt, z.B. Nahrungsengpässen, kann erstaunliche Neuerungen im Tierverhalten hervorbringen", sagt Siemers. Dieses Innovation ist kein Einzelfall und wird wahrscheinlich von Generation zu Generation weitergegeben.

Denn Péter Estók, Erstautor der Studie, beobachtete bereits zehn Jahren zuvor eine Fledermaus fressende Kohlmeise in dieser Höhle. Auch aus Polen wurde so eine Beobachtung berichtet. Siemers: "Dies könnte für eine kulturelle Weitergabe zwischen verschiedenen Populationen sprechen. Oder für eine unabhängige Entwicklung aufgrund gleicher ökologischer Gegebenheiten".

[science.ORF.at/MPG, 9.9.09]
->   Max-Planck-Institut für Ornithologie
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01.01.2010