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Heftige Diskussion um Troja  
  Seit Heinrich Schliemann Troja entdeckte, steht das altertümliche Troja immer wieder im archäologischen und öffentlichen Blickpunkt. Die exakte Rekonstruktion der lange Geschichte von Troja und vor allem seine Bedeutung in altertümlicher Zeit entflammte einen heftigen Streit unter Experten.  
Im Schussfeld der Kritik steht derzeit der langjährige Troja-Ausgräber Manfred Korfmann. Sechs Althistoriker und Archäologen aus ganz Deutschland werfen dem Tübinger Historiker vor, die Öffentlichkeit mit seinen Thesen zu Troja "in die Irre" zu führen.
'Däniken der Archäologie'
Sie stellen sich damit in dem der dpa vorliegenden Schreiben an die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" an die Seite des Tübinger Althistorikers Frank Kolb, ohne dessen Polemik zu übernehmen, Korfmann sei ein "Däniken der Archäologie".

Wie Kolb meinen auch die sechs Wissenschaftler, Korfmann könne seine Behauptung nicht belegen, Troja sei in der Zeit von 1700 bis 1300 vor Christus eine große Handelsmetropole gewesen. "Erst recht ist es methodisch unzulässig, Funde aus ganz unterschiedlichen Epochen für die Konstruktion einer Handelsmetropole Troia VI zusammenzuziehen, wie Korfmann dies tut."

Das gelte auch für die Rekonstruktion der Unterstadt von Troja VI, wie sie zur Zeit in Braunschweig in der Ausstellung "Traum und Wirklichkeit" zu sehen ist.
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Was war Troja?
antike Stadt auf einem Hügel bei Hissarlik im Nordwesten der Türkei. Schauplatz des Trojanischen Kriegs, den man ursprünglich für nichthistorisch hielt. Bei den von H. Schliemann 1870 begonnenen Ausgrabungen wurden neun aufeinander folgende Besiedlungsschichten freigelegt; in der Schicht VI werden seit den Untersuchungen von W. Dörpfeld (1893) die Reste des von Homer beschriebenen Troja gesehen; die untersten 5 Schichten gehören der frühen Bronzezeit (Mitte 3. bis Anfang 2. Jahrtausend v. Chr.) an; Troja war aber schon in der Jungsteinzeit (4. Jahrtausend v. Chr.) bewohnt. Für Schliemann war die von einer Ringmauer umgebene, nach 2300 v. Chr. abgebrannte Burg der 2. Siedlungsschicht das homerische Troja; reiche Gold-, Silber- und Keramikfunde erschienen ihm die Richtigkeit seiner Annahme zu bestätigen. Die Schichten über VII A bezeugen einen wiederholten Aufbau der um 1240 v. Chr. zerstörten Anlage. Unter Cäsar und Augustus wurde die Stadt als Ilium novum wieder aufgebaut, geriet aber unter Byzantinern und Türken in Vergessenheit.
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'Irreführung'
"Die Öffentlichkeit führt er (Korfmann) in die Irre, indem er seine kaum als Hypothesen zu bezeichnenden Spekulationen wie gesicherte Ergebnisse präsentiert", heißt es in den Schreiben weiter.

Zu den Unterzeichnern gehören der Münchner Archäologe Prof. Dieter Hertel und der Kölner Althistoriker Prof. Karl-Joachim Hölkeskamp.
Beleidigter Korfmann?
Manfred Korfmann sieht sich und seine Grabungsmannschaft durch seinen Tübinger Professoren-Kollegen Frank Kolb beleidigt.

Für Korfmann sei dies nicht nur "eine Beleidigung für die zahlreichen Wissenschaftler der Grabungsmannschaft, sondern auch für alle, die das Troja-Projekt unterstützen: so die Universität Tübingen, diverse wissenschaftliche Förderinstitutionen und alle staatlichen Einrichtungen, die an der Troja-Ausstellung beteiligt sind".
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Umstrittener Erich von Däniken
Der Schriftsteller Erich von Däniken wird mit seinen Büchern über den angeblichen Besuch außerirdischer Wesen auf der Erde von der wissenschaftlichen Fachwelt nicht anerkannt.
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'Fanatsie'
Kolb, Ordinarius für Alte Geschichte, verwies die
Vorstellung, dass Troja von einer dicht besiedelten Unterstadt umgeben gewesen sei, in das Reich der Fantasie. Korfmann sagte dazu: "Jeder, dem es ehrlich um die Sache geht, möge nach Troja kommen und sich das ausgegrabene Stadtviertel selbst ansehen."

Die Steinfundamente seien sehr solide und die Gebäude regelhaft gebaut, sie hätten im Innern Feuerstellen und Podeste.
'Man kommt an Homer nicht vorbei'
"Es war nie unser Ziel, Homer zu verifizieren oder zu
falsifizieren", sagte Korfmann. Aber nach 21 Grabungssommern in Troja komme man bei der 4000-jährigen Troja-Geschichte an Homer nicht vorbei. Kolb hatte dazu erklärt, Homers Troja sei nicht mehr als "eine poetische Schöpfung".

Eine "sachliche Diskussion" über die gesamt Thematik Troja kann nach Korfmanns Worten am 27. Oktober in Tübingen geführt werden. Dann wird Korfmann öffentlich an der Uni über die neuesten Grabungsergebnisse referieren.

(APA/dpa/red)
->   Christiane Zintzen: Troia, Schliemanns Markenzeichen
->   Otto Urban: Troja
->   Virtuelle Archäologie: Gang durchs antike Troja
 
 
 
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01.01.2010