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Impfung gegen Nikotinsucht  
  Raucher kennen die Probleme mit der Nikotin-Sucht nur zu gut. Das Abgewöhnen ist nicht einfach, auch wenn inzwischen diverse Präparate den Aufhör-Willigen unterstützen. Eine neue Methode könnte nun die "Raucher-Therapie" revolutionieren: Eine Impfung gegen die Nikotinsucht, die verhindert, dass das Gift im Gehirn wirkt.  
"Mit dem Rauchen aufzuhören ist einfach. Es ist mir schon tausend Mal gelungen." Dieses Zitat von Mark Twain können die 2,5 Millionen Österreichischen Raucher vermutlich nur unterstreichen. Wer einmal dem blauen Dunst verfallen ist, der kommt nur sehr schwer wieder davon los.
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Rauchen in Österreich
Jeder dritte Österreicher raucht. Jährlich werden rund 13 Milliarden Zigaretten geraucht (Tendenz steigend). Damit liegt Österreich im europäischen Spitzenfeld. Was den Prozentsatz der jugendlichen Raucher anbelangt, werden wir in ganz Europa nur von Grönland überboten. Denn nach einem Bericht der WHO rauchen in Österreich bereits 19% der 15-jährigen Mädchen und 17% der 15-jährigen Burschen regelmäßig Zigaretten. Rund 14.000 Österreicher sterben jährlich an den Folgen ihres Tabakkonsums. Viele wollen aufhören, doch nur jeder 20. Raucher schafft es im Alleingang, dem blauen Dunst zu entsagen. Mit Nikotin-Ersatzpräparaten wie Kaugummi, Nasenspray oder Pflaster, in Kombination mit neuen Medikamenten gelingt es jedem Dritten.
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Nikotin macht süchtig...
Der Grund dafür: Nikotin ist eine Droge, die stark süchtig macht. Wissenschaftler in Amerika, Schweden, England und in der Schweiz arbeiten jetzt an Impfungen, die Raucher dauerhaft von ihrer Sucht befreien sollen. Ein riesiger Markt lockt, denn weltweit sind etwa 1,3 Milliarden Menschen dem Nikotin verfallen.
...Rauchen macht glücklich
Die neue Hirnforschung zeigt, dass Nikotin genau wie Heroin oder Kokain im Gehirn den Botenstoff Dopamin freisetzt, der glücklich macht. Es steigert auch das Gedächtnis und die Konzentrationsfähigkeit.

Diese positive Erinnerung wird dem Raucher zum Verhängnis. Er wird süchtig nach der Belohnung. Das beweisen Untersuchungen der Rezeptoren, der Bindungsstellen für die Nikotinmoleküle im Gehirn.
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Nikotin und seine Wirkung
Beim Inhalieren des Zigarettenrauches gelangt das Nikotin über die Lunge ins Blut und erreicht innerhalb von sieben Sekunden das Gehirn. Dort koppelt sich das Nikotin an die so genannten Nikotinrezeptoren. Über diesen Andockmechanismus werden die psychogenen Wirkungen der Droge ausgelöst. In geringen Mengen regt Nikotin die vegetativen Zentren des zentralen Nervensystems an, wodurch etwa eine erhöhte Abgabe von Adrenalin ins Körperinnere erfolgt. Das hat zur Folge, dass Blutdruck, Speichel- und Schweißproduktion erhöht werden. Außerdem wird die Darmperistaltik, also die Eigenbewegung des Darmes zum Zwecke des Transportes von Stoffwechselendprodukten angeregt. Die tödliche Dosis liegt bei 0,06 Gramm, in einer Zigarette finden sich etwa 0,001 Gramm, die jedoch zum größten Teil vom Raucher nicht inhaliert werden.
->   Nikotininstitut Österreich
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Neue Methode zur Raucherentwöhnung
In der Schweizer Stadt Genf wird an einer völlig neuen Methode zur Raucherentwöhnung gearbeitet. Eine Impfung, die gezielt die Nikotinsucht bekämpft. Sie könnte die letzte Hoffnung sein für starke Raucher, die schon alles probiert haben.

Der Genfer Immunologe Erich Cerny wollte eigentlich eine Impfung gegen Heroin- und Kokainsucht entwickeln. Doch dann konzentrierte sich der Forscher auf das Nikotin. Der Trick dabei: Wenn der Raucher nach der Impfung eine Zigarette inhaliert, dann wirkt das Nikotin nicht mehr.
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So wirkt die Anti-Nikotin-Impfung
Die Impfung regt im Blut die Bildung von Abwehrzellen des Immunsystems an, so genannten Antikörpern. Wenn ein Raucher nun nach der Impfung eine Zigarette inhaliert, kommt zwar nach wie vor der Rauch in die Lunge. Doch die Antikörper fangen die süchtig machenden Nikotinmoleküle im Blut ab. Es gelangt kein Nikotin mehr ins Gehirn, der Reiz, der den Kick auslöst, bleibt aus.

Der Erfinder der Impfung, der Immunologie Dr. Erich Cerny: "Einer der Vorteile dieser Impfung ist der Langzeiteffekt. Der Patient oder die Person, die mit dem Rauchen aufhören will, muss nicht jeden Tag Tabletten schlucken. Sondern wenn sie einmal geimpft ist, so nehmen wir an, dass der Impfstoff über Jahre wirksam sein wird."
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Tierversuche waren erfolgreich
Bei Versuchen mit Mäusen, denen die Forscher große Nikotin-Dosen spritzten, hat die Impfung sehr gut funktioniert und auch kaum Nebenwirkungen gehabt. Bei Menschen ist der Impfstoff noch nicht erprobt.

Die Wissenschafter sind aber optimistisch. Denn nach einem ganz ähnlichen Konzept wird bereits eine Impfung gegen Kokainsucht an Menschen erfolgreich getestet. Möglicherweise kann der Impfstoff sogar als Spray verabreicht werden.
Mehr Rauchen als Ergebnis?
Die Frage bleibt allerdings offen, ob Nikotinsüchtige nicht trotz der Impfung sogar mehr rauchen, um ihr unwiderstehliches Verlangen zu stillen.

Wenn die Impfung funktioniere, so würden die Patienten Entzugssymptome entwickeln, meint dazu Cerny. Doch könne man durch mehr Rauchen trotzdem nicht die Stimulation der Zigarette spüren. Der Rauch sei somit das "einzige Vergnügen", das man habe - und man wisse, dass die Leute unter diesen Bedingungen mit dem Rauchen aufhören würden, erklärt der Immunologe.
Versuche an Menschen noch in diesem Jahr
Ende des Jahres, so hoffen die Schweizer Forscher, sollen erste klinische Studien mit der Nikotinimpfung im Kantonspital in St. Gallen beginnen. Testpersonen werden zunächst stark abhängige Raucher sein, und Ex-Raucher, die nicht rückfällig werden wollen.

Dann kann die neue Anti-Raucher-Impfung in der Praxis beweisen, dass sie tatsächlich wirkt. Die Tests sollen auch zeigen, wie lange der Impfschutz anhält und wie oft die Impfung aufgefrischt werden muss.

Sylvia Unterdorfer, Modern Times
Mehr zum Thema Rauchen und Nikotin in science.orf.at:
->   Rauchen und Alkohol - die "Bio-Connection" (19.07.01)
->   Nikotin ist doch schädlich (29.06.01)
->   Ohne Glimmstängel aus dem Krankenhaus (29.05.01)
 
 
 
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01.01.2010