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Wie glaubwürdig sind Naturwissenschaften?  
  Auch wenn es ungewöhnlich erscheint: Die Naturwissenschaften verlieren heute nicht weniger an Glaubwürdigkeit als auch in früheren Zeiten, sagt der Mediziner und frühere Pharmakonzernmanager Jürgen Drews im Rahmen des Forums Alpbach.  
Auch die Erkenntnisse von Kopernikus oder Galileo seien trotz schlagender Beweise lange nicht geglaubt worden und die Erkenntnisse Darwins seien von einem großen Teil der Menschheit bis heute nicht akzeptiert.
Voraussetzungen für die Glaubwürdigkeit der Naturwissenschaften
Drews nennt für die Glaubwürdigkeit von Wissenschaft drei Voraussetzungen:
- die Reproduzierbarkeit ihrer Ergebnisse und die Genauigkeit der von ihr ermöglichten Voraussagen
- die Integrität des Wissenschaftsprozesses
- die Verträglichkeit des von der Wissenschaft vermittelten Weltbildes mit traditionellen Weltbildern und Wertsystemen

Die Naturwissenschaften seien gegenüber anderen Disziplinen dabei im Vorteil, sagt Drews. Denn sie haben immer die Möglichkeit zum Rekurs auf die Praxis ¿ ein Flugzeug fliegt tatsächlich, ein Impfstoff wirkt usw.
Gewöhnung fördert Akzeptanz und Glaubwürdigkeit
Drews postuliert einen Regelkreis der Annahme neuer Erkenntnisse, wo die ''Störung'' vorhandener Gleichgewichte durch Korrekturmaßnahmen und Assimilation nach einiger Zeit wieder aufgehoben, ein neues Gleichgewicht hergestellt wird.

Diese Entwicklung erwartet Drews auch bei der aktuellen Diskussion um Stammzellenforschung: Sobald die Forscher wirksame neuen Medikamente als Ergebnisse vorweisen werden, werde die Forschung akzeptiert werden.

Fortschritt entstehe nur, wenn man intelligent gegen die Regeln verstoße, sagt Drews.
Tuppy: Naturwissenschaften stehen heute mehr unter Druck
Nicht so optimistisch sieht die Entwicklung der Biochemiker und Ex-Wissenschaftsminister Hans Tuppy:

Fälschungen in den Naturwissenschaften, politisch begründete Unredlichkeit (die Rassentheoretiker der Nazis), Forschungs- und Publikationstätigkeit aus reinen Geldinteressen, ''Druck und Zug'' von politischer und wirtschaftlicher Seite, Eitelkeit, Karrieredenken - all das schade der Glaubwürdigkeit der Naturwissenschaften.
Geheimhaltung schadet am meisten
Besonders großen Schaden an der Glaubwürdigkeit richteten auch Geheimhaltungsbestrebungen an. Deshalb sei es wichtig, dass öffentliche Geldgeber privaten Geheimhaltungsinteressen bei der Analyse des Humangenoms entgegensteuerten.
Massenmedien können die Glaubwürdigkeit der Naturwissenschaften kaum fördern
Massenmedien folgten völlig anderen Imperativen als naturwissenschaftliche Forschung, sagt Tuppy:

Klassische naturwissenschaftliche Forschung strebe nach universell gültigen Erkenntnissen, die Ergebnisse seien nicht Privateigentum der Forscher sondern sollen allen zugute kommen, die Wissenschafter sollen in ihre Arbeit keine persönlichen Interessen einfließen lassen und endgültige Urteile werden nur aufgrund überprüfter Fakten gefällt.
Aktualität wichtiger als Inhalte
In Massenmedien sei dagegen Aktualität wichtiger als Überprüfbarkeit einer Nachricht, der Lokalbezug wichtiger als die großen Zusammenhänge, die Inhalte seien emotional aufgeladen und möglichst personalisiert.
Wissenschaftler sollen Widerstand leisten
Die Glaubwürdigkeit der Naturwissenschaften werde vor allem moralisch in Frage gestellt, nicht wissenschaftlich, sagt Tuppy. Die Naturwissenschaften müßten sich daher dem Dialog mit den Nicht-Naturwissenschaftern stellen.

Einig waren sich Tuppy und Drews darüber, dass es Aufgabe der Wissenschafter sei, sich der Vereinnahmung durch Politik, Wirtschaft oder andere außerwissenschaftliche Interessen zu widersetzen.

Franz Simbürger, Ö1-Wissenschaft
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01.01.2010