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Denkende Oktopus-Arme  
  Dass ein Oktopus zu intelligentem Verhalten fähig ist, gilt als bekannt. Doch jetzt entdeckte man, dass die groß dimensionierten Arme des Meeresbewohners autonom und unabhängig Bewegungen durchführen. Und dass dieses Verständnis eine neue Generation intelligenter Roboter ermöglicht.  
Das beschreiben Binyamin Hochner von der israelischen Hebrew University und seine Kollegen in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Science". Die Wissenschaftler berichten von Verhaltensweisen der Arme, die vom Gehirn des Oktopus völlig unabhängig ablaufen.

Die Resultate der Biologen lösen nach ihren Angaben endlich das biologische Rätsel, wie der Oktopus seine acht Arme kontrolliert und koordiniert. Das könnte auch zu einem optimierteren Design neuer Roboter-Generationen führen.
Originalartikel in "Science" (293, S. 1.845 ¿ 1.848; 2001; kostenpflichtig) unter dem Titel "Control of Octopus Arm Extension by a Peripheral Motor Program"
->   Originalartikel in "Science"
Elektrische Stimulation
Mittels elektrischer Stimulation von Nerven in amputierten Armen des Oktopus oder durch Stimulation der Haut entdeckten die Wissenschaftler das autonome Verhalten der Arme.

"Wir fanden eine autonome Kontrolle der Bewegungen des gesamtem Arms", beschreibt Hochner. Das und andere einfache Experimente demonstrierten laut den Forschern, dass die neuronale Kontrolle für bestimmte Bewegungen des Arms in den Nervennetzen des Armes selbst liegt.
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Oktopus (Kopffüßer)
Klasse hoch entwickelter Weichtiere. Der Kopf ist mit vier oder fünf Paaren von meist Saugnäpfe tragenden Armen besetzt, die zum Ergreifen der Beute und zur Fortbewegung dienen. Auf der Rückenseite befindet sich eine Schale, die bei einigen Kopffüßern gekammert und spiralig aufgerollt sein kann, bei den meisten aber rückgebildet ist.

Nach unten umschließt der Mantel als Hautfalte die Mantelhöhle an der Bauchseite. In diese kann Wasser durch eine enge Mantelspalte eingesaugt und durch einen Trichter ausgestoßen werden. Das geschieht ruckartig, sodass die Kopffüßer nach dem Rückstoßprinzip durch das Wasser schwimmen.

Am Hinterende der meisten Kopffüßer befindet sich der Tintenbeutel, aus dem bei Gefahr ein dunkelbrauner Farbstoff abgegeben wird. Kopffüßer ernähren sich von kleineren Meerestieren.
->   Mehr zum Oktopus
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G. Sumbre et al.

Die Darstellung zeigt einen achtarmigen Oktopus (Octobrachia).
Unendliche Anzahl an Positionen möglich
Oktopus-Arme können theoretisch eine unendliche Anzahl verschiedener Positionen einnehmen, meinen die Forscher um Hochner. Jeder der acht Riesententakel enthält circa 50 Millionen Nervenzellen, von denen über 40.000 direkt mit den Muskeln der Arme verbunden sind.

Interessanterweise existieren nur relativ wenige Nervenverbindungen von den Armen zum Zentralnervensystem des Oktopus.
Frei für andere Aufgaben
Die Forscher gehen auf Grund ihrer Ergebnisse von der Annahme aus, dass durch die autonome Selbstkontrolle der Arme das Gehirn des Tintenfisches mehr Kapazität für andere Aufgaben frei hat.

Diese Idee ist getragen vom Verhalten des Oktopus: Die Meerestiere führen eine große Anzahl komplexer Verhaltensweisen mit einem relativ kleinen Repertoire an Armbewegungen aus.

Das Team um Hochner möchte nun diese Bewegungsmuster einzeln stimulieren, um diese stereotypischen Abläufe modellieren zu können.
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Nervensystem des Oktopus
Durch die fortgeschrittene Konzentration von Ganglien im Kopfbereich kann man bei den Kopffüßern bereits von einem Gehirn sprechen. Die Relation von Gehirngewicht zu Körpergewicht übertrifft die der meisten Fische und Reptilien. Das außerordentlich große Repertoire an Verhaltensmustern sowie die hohe Lernfähigkeit kennzeichnen die exponierte Stellung der Cephalopoden innerhalb der Wirbellosen.

Die Organisation des Nervensystems ist gekennzeichnet durch periphere Ganglien, die für fein abgestimmte Reflexe zuständig sind, und ein übergeordnetes Gehirn, das die Kontrolle über den gesamten Organismus ausübt. Als typische Neuerwerbungen kommen für diese Klasse brachiale, optische, olfaktorische, pedunculare und periphere Ganglien und axiale Nervenfaserbündel in den Armen hinzu.
->   Mehr zum Nervensystem von Weichtieren
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Modell für neue Roboter-Generationen?
Roboter-Experten versuchten lange die Bewegungen der Oktopus-Arme für ihre Zwecke zu verstehen und umzusetzen. Die neuen Entdeckungen könnten wertvolle Hinweise für die Entwicklung neuer Roboter liefern, die simultan in jeder Dimension verschiedenste Bewegungen ausführen können.

Bis jetzt konnten diese komplexen Bewegungsabläufe noch nicht direkt für die Robotik genutzt werden. "Diese Bewegungen waren einfach zu komplex, um sie direkt umsetzten zu können", beschreibt Bob Full von der University of California in Berkeley, der biologisch inspirierte Roboter entwickelt.
Ein wichtiger Schritt
Jetzt besteht vielleicht erstmals die Möglichkeit, Computer so zu programmieren, dass einzelne Roboter-Gelenke jene komplexen Bewegungen ausführen können.

"Hochners Arbeit könnte der erste Schritt zur Entwicklung der nächsten Roboter-Generation sein", so Full.

(red)
->   Department of Neurobiology, Stanford University
->   Department of Neurobiology and Interdisciplinary Center for Neuronal Computation, Hebrew University
 
 
 
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01.01.2010