News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung 
 
Rektoren wollen keine "Ministerialuniversität"  
  Georg Winckler, der Präsident der Österreichischen Rektorenkonferenz (ÖRK) und Rektor der Uni Wien, kritisiert die Vorschläge zur Hochschulreform des Bildungsministeriums. Er spricht sich gegen eine reine Ökonomisierung der Universitäten und deren Eingliederung in die "ministerielle Konzernstruktur" aus.  
Kleingedrucktes problematisch
Die allgemeinen Erklärungen über die politischen Grundlinien in dem Diskussionspapier bezeichnet Winckler als durchaus plausibel, wenngleich er fordert, dass Fragen der Mitbestimmung noch eingehend diskutiert werden.

"Das Problem der Gestaltungsvorschläge ist das Kleingedruckte, die zahlreichen Fußnoten, in denen die entscheidenden Sachen abgehandelt werden." Dort jedenfalls seien nicht so sehr die politischen Vorstellungen verpackt, "sondern die Vorstellungen der Ministerialbürokratie - und die machen uns skeptisch."
...
Gestaltungsvorschläge des Bildungsministeriums
Die seit Montag vorliegenden "Gestaltungsvorschläge" des Bildungsministeriums für die volle Rechtsfähigkeit der Universitäten stehen im Mittelpunkt der Herbstarbeit der ÖRK. In mehreren Präsidiums- und zwei Plenarsitzungen wollen sich die Uni-Chefs mit dem 85-Seiten-Papier auseinandersetzen, eine endgültige Stellungnahme soll Ende November vorliegen.
->   Österreichische Rektorenkonferenz
...
->   Uni-Reform: Diskussionspapier liegt komplett vor
Vollrechtsfähigkeit der Unis umstritten
Wichtigstes Anliegen des Rektorenchefs ist die Frage der Universitäts-Autonomie. "Die Vollrechtsfähigkeit bringt sicher formelle Autonomie, aber das muss nicht unbedingt auch materielle Autonomie bedeuten", so Winckler, der in diesem Zusammenhang an die lange Tradition der akademischen Selbstverwaltung der Universität erinnert. "Es muss klar sein, dass auch die vollrechtsfähige Universität ein Selbstverwaltungskörper wird."

Eine besondere Rolle in dieser Frage gibt der Rektor dem Universitäts-Rat. Dieser müsse sich als Organ der Universität verstehen und dürfe nicht als Ort betrachtet werden, wo ministerieller Einfluss geltend gemacht werde. Doch die Rektoren haben "den Eindruck, dass die Universitäten Teil einer ministeriellen Konzernstruktur werden sollen". Es gebe in dem Papier "eine Reihe von Hinweisen, dass das Ministerium Einfluss gewinnen möchte - aber wir wollen sicher keine Ministerialuniversität", so Winckler.
Unvereinbarkeits-Bestimmungen gegen ministeriellen Einfluss
Als konkretes Beispiel nennt der Rektoren-Chef den Uni-Rat, für den er Unvereinbarkeits-Bestimmungen fordert: "Wir wollen nicht, dass ein Beamter des Bildungsministeriums zu einem Mitglied dieses Gremiums wird, dort den Kurs der Universität bestimmt, etwa bezüglich des Abschlusses von Leistungsvereinbarungen, dann derjenige ist, mit dem man am nächsten Tag diese Leistungsvereinbarungen im Ministerium verhandelt, und am übernächsten Tag ist er wieder als Aufsichtsorgan der Uni tätig, um festzustellen, ob die Uni alles so macht, wie er sich das vorstellt."
Vorrangiges Ziel soll Lehre und Studienangebot bleiben
Bei der Diskussion über die geplante Form der Mitbestimmung irritiert Winckler, dass diese rund um eine organisatorische Lösung geführt werde. "Man sollte eher danach fragen, welche Ziele mit der Mitbestimmung erreicht werden sollen und welche organisatorischen Lösungen dafür am geeignetsten sind", meint der Rektor.

Vorrangige Ziele seien sicher ein hoher Stellenwert der Lehre und ein Studienangebot, das den gesellschaftlichen Bedarf abdecke und den Bedürfnissen der Studenten entspreche. "Bei der derzeit geltenden Form der Mitbestimmung bin ich mir nicht sicher, ob diese Ziele erreicht werden", so Winckler.
Skepsis gegenüber Reformtempo
Eine weitere kritische Frage ist für den Rektoren-Chef das Reformtempo: "Wir wollen eine gute Reform, aber nicht eine Reform, damit ein Punkt aus dem Regierungsprogramm vor der nächsten Wahl abgehakt ist." Georg Winckler ist skeptisch, dass sich wichtige und komplizierte Fragen wie etwa jene der medizinischen Fakultäten bis Juli kommenden Jahres lösen lassen.

Politische Absicht ist ja, das Gesetz noch vor dem Sommer kommenden Jahres zu beschließen. Ziel der Unis sei es, dass die Reform von einer breiten parlamentarischen Mehrheit getragen werde. Alleine schon deshalb, weil man nicht wolle, dass in der nächsten Legislaturperiode eine mögliche neue Regierung wieder alles novelliere.
Konkurrenzfähigkeit der Unis in Frage gestellt
Ein weiteres Anliegen Wincklers ist die Leistungsfähigkeit der Universitäten im europäischen Kontext. Viele Fragen der Autonomie müssten im Hinblick darauf gesehen werden, ob die Unis in die Lage versetzt werden, zu wichtigen Akteuren im europäischen Rahmen zu werden bzw. zu bleiben. "Die Zeiten sind vorbei, in denen man einen nationalen Sonderweg gehen konnte."
Uni als reines Wirtschaftsunternehmen inakzeptabel
Wichtig ist dem Chef der Rektorenkonferenz zudem, dass die Universitäten nicht zu stark ökonomisiert werden: "Eine Terminologie, die nur wirtschaftsnah ist, werden wir nicht akzeptieren."

Der geplante Universitäts-Rat solle sicher Funktionen eines Aufsichtsrats haben, "aber man kann ihn nicht als Aufsichtsrat sehen". Damit werde man nicht der Tradition und Bedeutung der Universitäten gerecht, die wesentlich mehr als reine Wirtschaftsunternehmen seien und auch eine starke kulturelle und regionale Dimension hätten.

(Das Gespräch führte Christian Müller/APA/red)
->   Bildungsministerium
->   Mehr Infos zur geplanten Uni-Reform
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010