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Mutation macht Grippeviren zu Killern  
  Zwei Studien haben sich mit den Ursprüngen jener extrem tödlichen Grippeviren beschäftigt, die immer wieder weltweit ihre Todesopfer fordern. Offenbar genügen bereits kleinste genetische Mutationen, um aus relativ harmlosen Influenzaviren wahre Killer zu machen.  
Grippeviren sind an und für sich bereits potentiell tödlich, von 25.000 Erkrankten stirbt im Schnitt einer.

Normalerweise sind sie jedoch nur für Menschen mit einem angegriffenen Immunsystem bzw. für sehr kleine Kinder und alte Menschen gefährlich.
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Grippe/Influenza: Häufig epidemisch, meist im Winter
Eine Grippe bzw. Influenza ist eine schwere Infektionskrankheit, nicht zu verwechseln mit einem vergleichsweise harmlosen grippalen Infekt. Sie tritt häufig epidemisch auf, meist während der kalten Jahreszeit. Hervorgerufen wird der Infekt durch die so genannten Influenza-Viren, die man in verschiedene Typen unterteilt. Die Viren werden durch Tröpfcheninfektion übertragen und besiedeln die Schleimhäute der oberen Luftwege. Die schweren Verläufe sowie Komplikationen der Grippe sind meist durch zusätzliche Infektionen mit bestimmten Bakterien (so genannte bakterielle Superinfektionen) bedingt.
->   Ausführliche Informationen beim Robert-Koch-Institut
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Immer wieder Pandemien mit Millionen Toten
Doch bestimmte Erregerstämme können weitaus tödlicher sein, wie etwa die größte Influenza-Pandemie in der Geschichte der Menschheit zeigte: Zwischen 1918 und 1920 starb an der so genannten "Spanischen Grippe" jeder Fünfundzwanzigste.

Wie genau diese extrem gefährlichen Grippeviren entstehen, haben parallel gleich zwei Studien untersucht, die beide im US-Fachmagazin "Science" veröffentlicht wurden.
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Die beiden Artikel "Molecular Basis for High Virulence of Hong Kong H5N1 Influenza A Viruses" und "Recombination in the Hemagglutinin Gene of the 1918 Spanish Flu" sind erschienen in "Science", Bd. 293, Ausgabe vom 7. September 2001.
->   "Science"
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Tödlichster Erreger: "Spanische Grippe"
Die erste Studie hat den "tödlichsten" aller bisher bekannten Influenza-Viren zum Gegenstand: Der Erreger der von Spanien ausgehenden und demnach "Spanische Grippe" benannten Pandemie, die zwischen 1918 und 1920 weltweit Millionen Tote forderte.

1918 starben schon innerhalb einer ersten Welle von drei Monaten so viele Menschen wie im Ersten Weltkrieg. Insgesamt verstarben geschätzte 22 Millionen Menschen an dieser Influenza, rund 500 Millionen Menschen erkrankten weltweit.
Erreger wurde teilweise rekonstruiert
Möglich wurde die Untersuchung erst durch die teilweise genetische Rekonstruktion des Erregers, die die Forscher der Australian National University in Canberra mit anderen Virus-Stämmen vergleichen konnten.
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Gen-Material gewonnen aus Opfern
Der Erreger der Spanischen Grippe galt lange Zeit als "verloren". Doch 1997 fanden amerikanische Forscher Teile seines genetischen Materials im Körper eines weiblichen Grippe-Opfers, der in Alaskas Permafrostböden gefunden worden war. Weiteres Material wurde aus alten Proben gewonnen, die bereits 1918 von zwei während der Pandemie gestorbenen US-Soldaten genommen worden waren. Die Analyse der Gewebeproben ergab, dass die "Spanische Grippe" durch einen Virus vom Typ A verursacht worden war.
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RNA-Teile liefern Gen-Sequenzen
Die gewonnenen RNA-Stückchen lieferten die kompletten Sequenzen von Genen, die für wichtige Virus-Proteine verantwortlich sind, darunter Hämagglutinin, das sich in der Virushülle findet.

Doch nichts in der Struktur dieser Eiweißstoffe konnte zunächst erklären, warum das Virus so virulent war. Erst eine neuerliche Analyse brachte die Forscher auf die richtige Spur.
Hybrid-Gen aus zwei Virenstämmen
Offenbar war das für das Protein Hämagglutinin verantwortliche Gen eine Art Hybrid, der aus der Rekombination, also der Erbgutvermischung von humantpatogenen Viren und Schweinegrippe-Viren entstanden war.

Hier, so die Forscher, liege möglicherweise die Erklärung für die extreme Virulenz der "Spanischen Grippe".
Zweite Studie: Hongkong-Virus von 1997
Eine zweite Forschergruppe von der University of Wisconsin untersuchte jenen berüchtigten Grippe-Erreger, der 1997 in Hongkong von Hühnern direkt auf den Menschen übersprang und zum Tod von sechs Erkrankten führte.

Seit damals weiß man, dass etwa auch Vögel die Viren auf den Menschen übertragen können.
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Keine Übertragung von Mensch zu Mensch
"Relativ" glimpflich ging es damals für die Menschen aus: Von insgesamt 18 Erkrankten starben sechs. Eine größere Ausbreitung verhinderte die Massenschlachtung von Geflügel (rund 20 Millionen Hühner wurden getötet), denn das Virus konnte zwar ungewöhnlicherweise direkt vom Vogel auf den Menschen übertragen werden, jedoch (noch) nicht von Mensch zu Mensch.
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Zwei Varianten isoliert
Die Wissenschaftler isolierten mithilfe von Proben des Erregers (H5N1) zwei verschiedene Varianten: Der aggressivere der beiden Stämme führte bei infizierten Mäusen mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Tod, die weniger aggressive Variante verursachte nur schwache Infektionen der Atemwege.
Minimale Unterschiede im Erbgut
Dabei war der Unterschied im Erbgut beider Erreger minimal. Die Forscher setzten daher eine spezielle Methode ein, mit deren Hilfe sie aus den beiden Stämmen neue Viren "mischten". Diese Mischvarianten wurden wiederum an Mäusen getestet, so ließ sich schließlich ein bestimmtes Gen als der "Unheilbringer" identifizieren.
Mutation innerhalb des Gens als Ursache
Durch weitere Versuche wurde das tödliche Virus noch genauer bestimmt: Eine Mutation innerhalb des so genannten PB2-Gens war offenbar in Hongkong für das gefährliche Potential der aggressiven Variante verantwortlich.
Ausbruch neuer Pandemie jederzeit möglich
Glaubt man ím Übrigen den immer lauter werdenden Warnungen von Medizinern, so kommt die nächste Grippe-Pandemie bestimmt. Nach Ansicht vieler Experten ist dies nur noch eine Frage der Zeit - Ursprung könnte etwa auch eine "Vogelgrippe" sein.
->   University of Wisconsin
->   Australian National University
->   Alles zum Stichwort Grippe im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010