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Steinzeitliche Fürsorge  
  Steinzeitmenschen waren sozial weiter entwickelt als bisher angenommen. Neue Funde weisen darauf hin, dass bereits Prä-Neandertaler ihre Kranken und Schwachen versorgten.  
Darauf deutet das in Südfrankreich entdecktes Bruchstück eines zahnlosen menschlichen Kiefers hin, wie Erik Trinkaus von der Washington University und Kollegen in der aktuellen Ausgabe des US-Fachblatts "Proceedings of the National Academy of Sciences" veröffentlichten Studie schreiben.
Trotz fehlender Zähne am Leben geblieben
Der Kieferknochen gehörte laut Untersuchungen zu einem Mann, der seine Zähne zumindest mehrere Monate vor seinem Tod verloren hatte und daher zum Überleben auf Unterstützung angewiesen war. Vermutlich hatten die Mitglieder seiner Gruppe ihm beim Zerkleinern von fester Nahrung geholfen. Offensichtlich hätten seine Zeitgenossen bereits eine "so hohe sozio-kulturelle Stufe erreicht, dass sie behinderten Mitmenschen helfen konnten und wollten", heißt es in der Studie des internationalen Forscherteams.
Soziales Engagement früher als angenommen
Bislang waren Wissenschaftler davon ausgegangen, dass die entfernten Verwandten des heutigen Menschen erst vor ungefähr 50.000 Jahren anfingen, für Kranke und Schwache zu sorgen. Dabei handelte es sich um den Neandertaler. Dieser soll laut bisheriger Erkenntnisse der Erste in der Hominiden-Geschichte gewesen sein, der mit einem quasi sozialen Bewusstsein ausgestattet war
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Der Neandertaler
Der Neandertaler entwickelte sich vor 550.000 bis 620.000 Jahren aus dem Homo Erectus - dem aufrecht gehenden Stammvater der weitverzweigten Menschheitsgeschichte, die ihre Wurzeln in Afrika hat. In Europa, Nordafrika und dem Nahen Osten lebten Homo Sapiens und Neandertaler jedoch bis zu 50.000 Jahre nebeneinander. Vor etwa 30.000 Jahren starb der Neandertaler mit der fliehenden Stirn aus - ob durch eine Epidemie oder die Dominanz des fortschrittlicheren Homo Sapiens bleibt unklar. Seinen Namen hat der Neandertaler von dem ersten spektakulären Fund 1856 in einem kleinen Tal in der Nähe von Düsseldorf. Bisher wurden insgesamt etwa 150 mehr oder weniger bruchstückhafte Skelette entdeckt.
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Bisher kaum Aufschlüsse über soziales Verhalten
Denn bislang gab es keinerlei Hinweise, dass ein derart fortgeschrittenes soziales Verhalten früher einsetzte. Im Gegenteil, bisherige Funde zeigten deutlich: Der Verlust von Zähnen bedeutete den sicheren Tod für unsere gemeinsamen Vorfahren, die Primaten. Sie verhungerten buchstäblich.

Diese Annahmen wurden nun durch den rund 175.000 Jahre alten Kieferfund widerlegt. Dieser war in einer Höhle nahe Monieux in Südfrankreich gefunden worden. Er gehörte zu einem etwa 30 Jahre alten Mann - ein stolzes Alter für die damalige Zeit. In der Höhle entdeckte Tierknochen weisen darauf hin, dass die Bewohner bereits ausgereifte Jagdtechniken beherrschten und Pferde, Auerochsen und Steinböcke erlegten.
Überleben vom Zustand der Zähne abhängig
Dass diese Höhlenbewohner in ihrem sozialen Verhalten weiter entwickelt sein mussten, belegen noch erhaltenen Zähne am gleichen Fundort. Spuren an diesen Zähnen bestätigen, dass die Überlebenschance der Prä-Neandertaler, ebenso wie bei den Neandertalern, maßgeblich vom Zustand ihrer Zähne abhängig war.
Da sie noch nicht über entsprechende Werkzeuge verfügten, waren sie auf ihre Zähne angewiesen, um Fleisch von Knochen abzulösen aber auch um Knochen zu zerteilen.

Da der Kieferfund eindeutig belegt, dass der Prä-Neandertaler auf jeden Fall einen längeren Zeitraum ohne Zähne überleben konnte, sind sich die Forscher einig, er muss Unterstützung von Mitgliedern seiner Gruppe erhalten haben.

(APA/red)
->   Proceedings of the National Academy of Sciences
->   Erik Trinkaus von der Washington University in St. Louis
->   Stammbaum der Hominiden
 
 
 
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01.01.2010