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Reiches Leben in der Lobau  
  Die Artenvielfalt der Regenwälder und der Meere ist intensiv erforscht. Über die Biodiversität der Grundwasser-Ökosysteme weiß man hingegen relativ wenig. Ein Forschungsteam ist mit Unterstützung des Wissenschaftsfonds (FWF) nun der faunistischen Vielfalt in der unteren Lobau auf den Grund gegangen. Das Ergebnis: Das Naturreservat bei Wien gehört weltweit zu den fünf artenreichsten Grundwasser-Ökosystemen.  
Vor allem Würmer und Krebse
Wenn Sie das nächste Mal in der Wiener Lobau spazieren gehen, machen Sie sich bewusst: Unter Ihren Füßen, wenige Zentimeter unter dem Boden, befindet sich das artenreiche Ökosystem "Grundwasser". In den Schotter- und Sandablagerungen des geschützten Reservats des Nationalparks Donau-Auen tummeln sich vor allem eine Vielfalt verschiedener Kleinlebewesen wie Würmer und Krebse.

Der Limnologe Dan Danielopol und sein Wiener Kollege Peter Pospisil konnten allein auf einer Untersuchungsfläche von 0,8 Quadratkilometern 35 verschiedene Stygobionten - ausschließlich im Grundwasser lebende Organismen - feststellen. Nur vier andere Standorte auf der Welt zeigen eine höhere Artendichte. Damit zählt die Lobau zu den artenreichsten Grundwassersystemen der Welt.
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Nationalpark Donau-Auen und die Lobau
Der 9.300 Hektar große Nationalpark Donau-Auen wurde 1996 errichtet. Er besteht zu 60 Prozent aus Auwald und zu 25 Prozent aus Gewässern. Die Donau durchfließt ihn auf einer Länge von 36 km bei einer durchschnittlichen Flussbreite von 350 Metern.

Die Lobau - der Name bedeutet eigentlich Wasserwald - war ursprünglich eine Gebiet mit vielen Inseln in der Donau. Nach wechselnden Besitzverhältnissen gelangt 1917 die Obere Lobau und erst 1973 die Untere Lobau in das Eigentum der Stadt Wien. Internationale Anerkennung erlangte die Region durch die
UNESCO-Erklärung zum "Biosphärenreservat" im Jahr 1977.

Seit der "Lobauverordnung" 1978 ist die gesamte Lobau Naturschutzgebiet. Mit 2.400 Hektar von 2.998 Hektar ist die geschützte Region ein wichtiger Teil des Nationalparks Donau-Auen.
->   Nationalpark Donau-Auen
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Endemische Artenvorkommen
Das Forschungsteam der Österreichischen Akademie der Wissenschaften rund um Danielopol beschäftigt sich seit mehr als 20 Jahren mit dem Ökosystem Grundwasser. Die Wissenschaftler haben sich dabei in den Untersuchungen vor allem auf Kleinlebewesen wie Krebstiere und Würmer spezialisiert.

"Mehr als zwei Drittel der Grundwasserorganismen, die wir in der Lobau ausfindig machen konnten, gehören zu verschiedenen Gruppen der Ruderfuß-, Muschel- oder Flohkrebse", erläutert der Limnologe die vom Wissenschaftsfonds (FWF) unterstützte Langzeitstudie. "Viele der erfassten Arten sind endemisch in der Lobau, sprich jene Arten beschränken sich auf diese Region und das nähere Verbreitungsgebiet des Nationalparks Donau-Auen."
Neue Arten entdeckt

Zeichnung des "Austriocyclops vindobonae"
von Peter Pospisil
Die Wissenschaftler haben bei ihren Untersuchungen unter anderem einen Ruderfußkrebs, genannt Austriocyclops vindobonae, wieder entdeckt, der zuletzt vor 40 Jahren anhand eines einzigen Exemplars als missgebildete Krebsart beschrieben worden ist.

Der Limnologe Pospisil konnte zudem eine neue stygobiontische und endemische Ruderfußkrebs-Art entdecken und beschreiben: den Acanthocyclops gmeineri. Bei den Analysen der Donauauen konnte festgestellt werden, dass diese Art im Grundwasser der Lobau weit verbreitet ist.
Kraftwerk zerstörte Fadenwurm

Mikroaufnahme des "Acanthocyclops gmeineri"
Auch das Rädertier - bekannt aus dem Grundwasser am Rhein in der Nähe von Straßburg - konnte in den letzten 60 Jahren erstmals wieder erfasst werden -, und zwar als Neuentdeckung im Nationalpark Donau-Auen. Andere Grundwasserorganismen wie der Fadenwurm Theristus franzbergeri, der eigentlich nur von den Schotterbanken der Donau bei Wien bekannt ist, wurde nicht wieder gefunden.

Mit dem Bau des Kraftwerks Freudenau wurde der Hauptlebensraum des Fadenwurms zerstört. Ebenso sind zwei neue Milbenarten der Gattung Schwiebea nicht mehr zu erfassen, die erstmals in den Grundwasserquellen von Wien durch den Bau der U-Bahnstrecken entdeckt worden sind.
"Hotspot diversity site"
"Gemessen an der hohen Zahl an Stygobionten und verglichen mit der Anzahl an Krebstieren in anderen Grundwasser-Ökosystemen können wir die Lobau durchaus als 'hotspot diversity site' in Europa bezeichnen", führt Danielopol aus.

"Wir konnten beispielsweise feststellen, dass die Biodiversität im Grundwasser der Nationalparks direkt mit der Vielfalt der verschiedenen Ökosysteme in Beziehung steht und vom Grad der Konnektivität zwischen Grund- und Oberflächengewässern abhängt."
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Wer einen Einblick in die Naturschätze der Lobau gewinnen möchte, hat noch bis 26. Oktober die Gelegenheit: Unter fachkundiger Begleitung kann man mit dem Nationalpark-Boot auf eine Schnupper-Exkursion durch die Aulandschaft gehen.
Information und Anmeldung:
Nationalpark-Forstverwaltung Lobau Tel.: 022 49 - 23 53
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Nur Rhein und Rhone vergleichbar
Die Grundwassersysteme der Lobau sind daher wichtige ökologische Indikatoren, die es auch weiterhin zu schützen gilt." Ein weiteres Argument für den Schutz dieses Naturkleinods ist die Tatsache, dass es nur mehr wenige intakte Beispiele des Ökosystems Grundwasser gibt.

In Europa findet man lediglich zwei vergleichbare Naturreservate mit einer ähnlich hohen Artenvielfalt an Grundwasserorganismen: die Flußläufe der oberen Rhone und des oberen Rhein.

Eva-Maria Gruber, "Universum Magazin"
->   Wissenschaftsfonds (FWF)
->   Universum Magazin
->   Institut für Limnologie (ÖAW)
 
 
 
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01.01.2010