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Moral: Wie das Gehirn entscheidet  
  Es ist eine von Ethikern, Psychologen und anderen seit langem umstrittene Frage: Warum geben Menschen auf moralische Probleme, die logisch ident scheinen, unterschiedliche Antworten? Eine neue Studie hat nun untersucht, was während solcher Entscheidungsprozesse im Gehirn vor sich geht. Sie legt nahe, dass es der unterschiedliche Grad geweckter Emotionen ist, der moralische Dilemmata entscheidet.  
Wissenschaftler der Princeton University im US-Bundesstaat New Jersey haben für ihre Studie, die im aktuellen "Science Magazine" erschienen ist, verschiedenen Probanden eine Reihe von mehr oder weniger schwierigen Problemsituationen zur Entscheidung vorgelegt.
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An fMRI Investigation
Der Artikel "An fMRI Investigation of Emotional Engagement in Moral Judgment" ist erschienen in Science Bd. 293, S. 2105-2108.
->   Der Originalartikel (kostenpflichtig)
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Beispiel: Fünf Leben gegen eines
Es geht etwa darum, dass fünf Menschen auf einem Schienenstrang festsitzen und ein herannahender Zug durch Umleitung auf einen anderen Weg lediglich eine Person statt der fünf töten würde. Ist es also moralisch vertretbar, den Zug umzuleiten, oder nicht?
Studie stellt nicht Frage nach Moral
Die Studie urteilt allerdings nicht darüber, welche Entscheidungen in den spezifischen Fällen moralisch vertretbar sind.

"Wir beschreiben nur, wie Menschen eine Entscheidung treffen. Das heißt nicht, dass sie zu der richtigen Entscheidung gelangt sind", erklärt Jonathan Cohen, ein Co-Autor der Studie.
Wie werden die Entscheidungen getroffen?
Es geht tatsächlich rein um die Frage, wie diese Entscheidungen getroffen werden. So urteilt etwa im oben beschriebenen Beispiel die Mehrheit der Befragten in aller Regel, die Umleitung des Zuges sei moralisch vertretbar.
Ähnliches Szenario führt zu anderer Antwort
Doch ein ähnliches Szenario führt mehrheitlich zu einer anderen Antwort: Wenn man zur Rettung der fünf eine Person -aktiv - vor den Zug stoßen müsste, so beurteilen die meisten diese Lösung als moralisch nicht vertretbar.
Gehirn-Scan gibt Aufschlüsse
Für die Untersuchung, wie genau die Versuchspersonen zu einer Entscheidung gelangen, verwendeten die Forscher eine Technik, die sich funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) nennt.

Die fMRT zeigt genau auf, welche Bereiche des Gehirns aktiv sind. Wird einem Probanden also ein Problem zur Lösung vorgelegt, kann der Forscher mitverfolgen, welche Gehirnareale für den folgenden Entscheidungsprozess aktiviert werden.
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Funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT)
Sie misst im ganzen Gehirn geringste Veränderungen eines Magnetfeldes, die entstehen, wenn sich die Konzentration des Desoxyhämoglobins in den venösen Blutgefäßen des Gehirns ändert. Dieser von der Sauerstoffaufnahme des Blutes abhängige Kontrastmechanismus (BOLD-Effekt) wird beim Menschen in großem Maßstab für die Untersuchung kognitiver Hirnleistungen bzw. psychiatrischer und neurologischer Störungen eingesetzt.
->   Mehr Informationen zur fMRT
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Unterschiedliche Problemstellungen
Die Psychologen stellten zunächst einen Katalog mit rund 60 verschiedenen Dilemmata auf, die unterschiedlich schwere Problemstellungen zum Inhalt hatten.

Einige der in der Studie verwendeten Dilemmata ähneln dem "Zug-umleiten"-Problem, andere dem "Vor-die-Schienen-schubsen"-Problem, wieder andere hatten keinerlei offensichtliche moralische Komponente.
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Beispiele
Ein weithin bekanntes Beispiel: Man findet einen Geldbeutel mit einigen tausend Schilling. Der Besitzer ist offenbar ein wohlhabender Mann, man selbst jedoch steckt in finanziellen Schwierigkeiten. Ist es zulässig, nur das Geld zu behalten und den Geldbeutel mit Kreditkarten etc. zurück zu geben. Schwieriger wird die Entscheidungsfindung wohl bei Fragen über das Leben anderer Menschen: So etwa die Frage, ob es zulässig ist, drei Personen zu retten und dabei einen Menschen zu opfern.
->   Der Gesamtkatalog der Dilemmata (kostenpflichtig)
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Je emotionaler, desto schwieriger
Insgesamt 18 Versuchspersonen beantworteten die Fragen, ihre Gehirnaktivität wurde währenddessen mithilfe der fMRT überwacht.

Das Ergebnis der Gehirn-Scans: Bei bestimmten Entscheidungen zeigte sich durchgehend eine erhöhte Aktivität in Bereichen des Gehirns, die für die Verarbeitung von Emotionen zuständig sind.

Dilemmata, die dem "Vor-die-Schienen-schubsen"-Problem ähnelten, riefen stärkere Emotionen hervor als andere, die ungefähr wie das "Zug-umleiten"-Problem aufgebaut ware.
Moral als Frage der Emotionen?
Die unterschiedliche Bereitschaft, eine Lösung als moralisch vertretbar oder nicht einzustufen, hängt nach Ansicht der Studienleiter zumindest teilweise davon ab, wie stark unsere Emotionen durch die Problemstellung aktiviert werden.

(red)
->   Science
->   Princeton University
 
 
 
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01.01.2010