News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung 
 
Umstrittene Reformpläne für britische Unis  
  An den meisten europäischen Universitäten herrscht akuter Ressourcenmangel, dringend benötigte Mittel fehlen. So droht auch Großbritanniens Hochschulsystem in eine Krise zu schlittern. Umstrittene Finanzierungsmodelle sollen nun Abhilfe leisten und die durch Oxford sowie Cambridge begründete Tradition der elitären Bildung und Forschung wiederbeleben.  
Während konkrete Forschungsprojekte durch Drittmittelfinanzierung gesichert scheinen, könnte der vernachlässigte Bereich der Lehr- und Forschungsmittel den guten Ruf der Britischen Unis ruinieren. Befürchtet wird die Abwanderung hochkarätiger Wissenschaftler, aber auch rückgängige Studentenzahlen, wie "Nature" (Bd. 413, S. 105 -106) berichtet.
->   Originalartikel (zahlungspflichtig)
Hohe Qualität bei niedrigen Standards
Noch stammen acht Prozent der weltweiten Forschungspublikationen aus der Feder britischer Wissenschaftler. Diese Zahl ist durchaus beeindruckend, wenn in Betracht gezogen wird, dass Großbritannien nur vier Prozent der weltweiten Forschungsinvestitionen für sich verbuchen kann und die Finanzierung von Lehr- und Forschungsmitteln nach wie vor ungeklärt ist.

"Wir treten unerwartet stark auf, wenn man bedenkt, dass wir an einem seidenen Faden hängen", bringt es Richard Sykes, Rektor des Imperial College in London, auf den Punkt.
Zuschüsse in Milliardenhöhe erforderlich
Eine kürzlich von "Universities UK" (Dachverband der britischen Universitäten) durchgeführte Studie bestätigt die geäußerten Befürchtungen: Um das Hochschulsystem weiterhin finanzieren zu können, wären pro Jahr zusätzliche Milliarden nötig. Allein im Lehrbetrieb fehlen schätzungsweise 20 Milliarden Schilling (1,5 Milliarden Euro) pro Jahr. Die gleiche Summe wird für den Forschungsbetrieb eingefordert.
...
Geplante staatliche Zuschüsse
Angesichts dieser Summen sind die geplanten staatlichen Zuschüsse der nächsten zwei Jahre - 22 Milliarden Schilling für Forschung und etwa sechs Milliarden für Personalkosten - nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.
...
"Bisher ist es uns gelungen, wettbewerbsfähig zu bleiben, doch die derzeitige Situation ist untragbar und bedarf dringend einer Revision", kommentiert Dianna Warwick, Vorsitzende des Verbands, die gegenwärtige Situation. Inzwischen werden unterschiedliche Arten der Geldmittelbeschaffung in Betracht gezogen.
->   Universities UK
...
->   Higher Education Statistics Agency
...
Drei Modelle im Gespräch
Eine Möglichkeit wäre die Deregulierung der Studiengebühren: Die Höhe der Studiengebühren würde dann dem Spiel der marktwirtschaftlichen Kräfte überlassen und je nach gewählten Lehrveranstaltungen und Renommee der Institution variieren.
...
Bisher Gebührenhöhe begrenzt
Bisher ist es den Universitäten laut einem Regierungsbeschluss untersagt, mehr als 1.075,-- Pfund (ATS 23.642,-- / 1,075 EURO) pro Jahr und ordentlichen Studienplatz einzunehmen.
...
Eine Alternative dazu wäre die Einhebung der Studiengebühren erst nach Studienabschluss und ab einer bestimmten Verdienstgrenze.

Schließlich wird auch eine Teilprivatisierung der Universitäten ins Auge gefasst. Dabei würde die Lehre ausgegliedert und je nach Anspruch und Möglichkeiten der Universität aus eigenen Stiftungsgeldern finanziert werden. Die Forschung bliebe weiterhin vom Staat subventioniert.
Universitäten der Zwei-Klassengesellschaft
Die vorgeschlagenen Finanzierungsmodelle sorgen nun für heiße Diskussionen. Befürchtet wird eine noch stärkere Benachteiligung von Personen aus unteren sozialen Schichten als bisher. Viele sehen die Entstehung einer Zwei-Klassengesellschaft und die britische Regierung in einem Dilemma. Trat sie doch ihre Amtsperiode mit dem Versprechen an, den Hochschulzugang vor allem für Personen mit weniger privilegierter Herkunft zu öffnen.

Gleichgültig, welches Modell nun zur Anwendung kommt, ist Sykes zufolge eines gewiss: Unter den 111 staatlich finanzierten Universitäten, die um Subventionen und Studierende kämpfen, seien nur wenige, die auf internationaler Ebene wettbewerbsfähig sind. Eine Ausdifferenzierung des Systems, mag sie auch zwiespältig sein, scheint daher notwendig.
Die Konkurrenz schläft nicht
Die Neugestaltung des höheren Bildungssystems zugunsten einer internationalen Konkurrenz- und Wettbewerbsfähigkeit ist somit unabwendbar, wenn Großbritannien weiterhin unter den Weltbesten mitmischen will. Das geflügelte Wort, "mit den Joneses mithalten", scheint nun auch durch die Universitäten Großbritanniens zu hallen, worauf "Nature" mit dem Artikeltitel "Keeping up with the Jonseses" anspielt.
...
Keeping up with the Joneses
US-Slogan, der die Idee des Konsumismus zuspitzt. Bei den Joneses handelt es sich um imaginäre Nachbarn, deren Konsumverhalten es nachzueifern gilt. Man muss mit den Anschaffungen der Joneses mithalten, wenn der eigene Status verbessert werden soll.
...
Denn im Wettlauf um den besten Standort und potenzielle Konkurrenzfähigkeit liegen die USA mit ihren hervorragend ausgestatteten Privatuniversitäten und attraktiven Gehaltsangeboten deutlich vorne. Ebenso die staatlichen Universitäten wie Berkley (California), die aufgrund großzügiger staatlicher Zuschüsse durchaus mit der privaten Konkurrenz mithalten können.

Auch wenn künftige Kooperationen mit den US-Universitäten Anlass zur Hoffnung geben, wird die britische Regierung nicht umhinkommen, unangenehme Entscheidungen treffen zu müssen. Denn die Berufung auf alte Traditionen wird langfristig betrachtet keine Lösung bieten.
->   Oxford und Princeton wollen kooperieren
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010