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Neues Verständnis für Proteinfunktionen  
  Nach der Entzifferung des menschlichen Genoms richtet sich die wissenschaftliche Aufmerksamkeit vermehrt auf die Produkte der Gene: die Proteine und ihre zentrale Rolle in sämtlichen Lebensfunktionen. Zwei neue Techniken werfen jetzt nicht nur ein neues Licht auf die wichtigen Rollen, die Proteine in der Zelle spielen. Sie könnten auch zu einem präziseren "Design" wirksamerer Medikamente führen.  
Zwei Forscherteams aus den USA und Deutschland haben die wesentlichen Funktionen von Proteinen durch unterschiedliche Methoden unter die Lupe genommen.

Beide Forscherteams publizierten ihre Arbeiten in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Angewandte Chemie".
Zwei Teams, zwei Ansätze
Gerhard Klebe und seine Kollegen von der Universität Marburg untersuchten die für Proteine essentiellen Bindungsstellen, an denen sich bestimmte "Ziel-Substanzen" anlagern, um das Protein für bestimmte Zwecke zu "aktivieren".
->   Artikel von Klebe und Kollegen in "Angewandet Chemie" (kostenpflichtig)
Während dessen entwickelten Peter Schultz und seine Mitarbeiter vom Scripps Research Institute in Kalifornien eine Methode, eine große Anzahl von Proteinen gleichzeitig zu untersuchen, um jene Proteine herauszufiltern, an die spezifische "Ziel-Moleküle" binden.
->   Artikel von Schultz und Kollegen in "Angewandet Chemie" (kostenpflichtig)
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Die Struktur der Proteine
Proteine sind organische Moleküle, die im Organismus rund 50-70 Prozent der Trockenmasse ausmachen. Grundbausteine der Proteine sind die Aminosäuren (As). Die Reihenfolge, in der die As miteinander verbunden sind, ergibt die Primärstruktur der Proteine. Treten Teile solcher Peptidketten untereinander räumlich in Verbindung, entstehen wendelartige oder faltblattartige Sekundärstrukturen. Andere Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Bereichen einer Kette erzeugen eine Faltung der Polypeptidkette, die als Tertiärstruktur bezeichnet wird. Mehrere Ketten gleicher oder verschiedener Qualität können dann zu einer Quartärstruktur verschmelzen (z.B. Hämoglobin).
->   Mehr zu Proteinen
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Die zentrale Rolle der Bindung
Die selektive Bindung von Proteinen an kleine Moleküle spielt eine zentrale Rolle in den vielfältigen Funktionen von Proteinen. Proteine weisen in der Regel hochspezifische Bindungsstellen auf, an die nur ganz bestimmte Moleküle nach einem Schlüssel-Schloss-Prinzip andocken können.

Oft ermöglicht solch eine Bindung erst die Ausführung einer bestimmten chemischen Funktion des Proteins, z.B. die eines Bio-Katalysators, der bestimmte Reaktionen in den Zellen beeinflusst.
Genaue Kenntnis von Form und Funktion
Derzeitige Methoden zur Entschlüsselung der genauen Funktionen eines Proteins verlangen ein detailliertes Wissen von seiner Struktur und Form. Die genauen Funktionen der Tausenden von Proteinen einzeln zu bestimmen würde mit diesen Methoden Jahre dauern.

Die neuen Techniken der deutschen und amerikanischen Forscher ermöglichen jetzt eine Beschleunigung in der Entschlüsselung vieler Proteinfunktionen.
Verborgene Gemeinsamkeiten
Gerhard Klebe und seine Kollegen von der Universität Marburg haben sich vor allem auf die Bindungsstellen und die Ähnlichkeit der daran bindenden Moleküle konzentriert. Sie verwendeten für ihre Untersuchungen ein neues Computerprogramm.

Die Methode der deutschen Chemiker spürt in erster Linie Gemeinsamkeiten zwischen Proteinen auf, die mittels früherer Methoden nicht zu erkennen waren.
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Die Funktionen der Proteine
Proteine sind an den wichtigsten Vorgängen des Zellstoffwechsels beteiligt. Je nach Struktur und Löslichkeitsverhalten haben sie sehr unterschiedliche Funktionen. Sehr wichtige Aufgaben erfüllen sie als Biokatalysatoren, Hormone, Schutz- und Transportstoffe. Als Stütz- und Gerüstsubstanzen sind sie maßgeblich am Organ- und Gewebeaufbau beteiligt. Eine Teilsynthese von Proteinen im Laboratorium ist E. Fischer schon vor dem 1. Weltkrieg gelungen. Die erste Totalsynthese gelang 1963 H. Zahn mit dem Insulin. Proteine werden in einfache und zusammengesetzte Proteine eingeteilt. Zu der ersten Gruppe gehören die globulären und die fibrillären Proteine. Die zweite Gruppe enthält neben Aminosäuren einen Nichtproteinanteil im Molekül (Hämoglobin). Entsprechend werden sie als Glyko-, Lipo-, Nucleo- und Metallproteine bezeichnet.
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Exakte Ergebnisse durch Computerprogramm
Die Forscher aus Marburg verglichen die Bindungsstellen von zwei Proteinen, das eine stammt von der Hefe, das andere vom Bakterium Escherichia Coli. Obwohl sie dieselbe Funktion ausüben, besteht zwischen den beiden Eiweißen nur eine 20-prozentige Übereinstimmung in der Struktur.

Ein reiner Vergleich der Amniosäure-Sequenzen der beiden Proteine würde nicht entdecken, dass beide Eiweiße diesselbe Funktion ausüben. Das neue Computerprogramm aber konnte durch den Vergleich tausender Bindungsstellen herausfinden, dass das Protein von Escherichia Coli die höchste funktionale Übereinstimmung mit dem Hefeprotein zeigt.
Ergänzung in Kalifornien
In Ergänzung zu den deutschen Wissenschaftlern fanden die Forscher um Peter Shultz vom "Scripps Research Institute" in Kalifornien einen Weg, simultan eine große Anzahl an Proteinen zu "scannen" und jene herauszufiltern, die an ganz bestimmte
Ziel-Moleküle binden.

Das Team um Peter Shultz setzte die komplexe Protein-Mixtur, die jede Zelle besitzt, etlichen Molekülen aus, die speziell markiert wurden. Die spezielle Markierung ist wie ein Barcode, an dem die Wissenschaftler ablesen können, welche Proteine an welche Moleküle binden.
Konkrete Anwendungen
Die Wissenschaftler versprechen sich von der zunehmenden Entschlüsselung der Proteine nicht nur ein besseres Verständnis der Funktionen und Bedeutungen von Eiweißen insgesamt.

Sie wollen die neu gewonnenen Erkenntnissen auch konkret in die Entwicklung neuer, effektiverer Medikamente umsetzten.
->   Institut für Pharmazeutische Chemie, Universität Marburg
->   Department of Chemistry des Scripps Research Institute
 
 
 
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01.01.2010