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Der kleine Bruder wird selbständig  
  Vor acht Jahren wurden die slowakische und die tschechische Republik auf sanfte Weise geschieden. Der "kleine Bruder" Slowakei wurde selbständig. Betriebe standen ohne Markt und Finanzen da, ein neues Staatsverständnis musste aufgebaut werden. Heute scheint sich die Slowakei weitgehend konsolidiert zu haben.  
Für viele war die sanfte Scheidung keine demokratische Trennung, denn es gab keine Volksabstimmung. Eine Meinungsumfrage vor der Trennung ergab, dass mehr als 65 Prozent der Slowaken dagegen waren.

Und mehr als 60 Prozent der Tschechen lehnten die Trennung ebenfalls ab. Für den Wirtschaftswissenschafter Juraj Stern war es "ein Spiel von zwei Politikern, Klaus und Meciar. Ein Spiel, das man schlussendlich akzeptiert hat." Und es war eine unblutige Scheidung, darauf sind alle stolz.
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'Volkswirtschaftlicher Wahnsinn'
Juraj Stern sah in der sanften Scheidung eine volkswirtschaftliche Katastrophe. "Es war ein Wahnsinn, wenn man einen Markt mit 15 Millionen Einwohnern hat, ist das für die Wirtschaft immer besser als zwei Märkte von 10 und 5 Millionen. Der Markt ist kleiner geworden, es hat die slowakische Wirtschaft getroffen, obwohl es für mich überraschend war, wie sich die Wirtschaft gefangen hat. Heute kann man sagen, dass sie nicht so sehr getroffen war, als wir es erwartet haben."
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Goldgräberstimmung
Die anfängliche Goldgräberstimmung hat inzwischen einem realistischen Pragmatismus Platz gemacht. Christoph Thanei: "Es gab Anfang der 90er Jahre eine Art Goldgräberstimmung mit allem was dazugehört.

Auch damit, dass man gesehen hat, man kann sehr schnell reich werden, wenn man einen 'guten Riecher' und 'starke Ellbogen' hat. Viele Leute sind auf zweifelhafte Weise zu Firmen gekommen. Jetzt läuft das ein bisschen in geordneteren Bahnen."
Gewinner und Verlierer
Zu den Gewinnern der Trennung zählen vor allem die jungen, dynamischen Unternehmer, die die neue freie Marktwirtschaft nützen konnten. Verlierer sind vor allem alte Leute und Menschen mit schlechter Ausbildung.

Christoph Thanei: "Vielfach sind es die, die viel Energie aufgebracht haben, den von vielen als hoffnungsvoll verstandenen Sozialismus aufzubauen. Ein großes Plus des alten Systems war eine relativ sichere Sozialversorgung. Die gibt es jetzt nicht mehr."

"Als die Leute in Pension gegangen sind, war das Pensionssystem schon so schwach, dass jetzt Pensionisten wirklich materiell sehr ungünstig leben. Die Pensionisten müssen sich von ihren Kindern oft durchfüttern lassen", so Thanei.
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17 Prozent Arbeitslosigkeit
Die wirtschaftliche Überlebensfrage des jungen Staates stand vom Anfang an im Vordergrund. Im Januar 1993 war die Arbeitslosenzahl der Slowakei rund vier Mal so hoch wie in der Tschechischen Republik. Die meisten Betriebe wurden privatisiert, kaum noch etwas erinnert heute an die Zeit des Kommunismus. Die Arbeitslosigkeit liegt heute bei rund 17,5 Prozent, in manchen Regionen im Norden, Süden und Osten des Landes bei fast 30 Prozent.
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Minderheiten
Rund fünf Millionen Menschen wohnen in der Slowakei, fast ein Drittel davon gehört einer Minderheit an. Die Ungarn sind mit mehr als 500.000 Menschen die mit Abstand größte Gruppe, gefolgt von Roma, Tschechen, Ruthenen, Ukrainern, Deutschen, Polen, Bulgaren und Russen.

Die Minderheitenfrage hat in den vergangenen Wochen die Regierung in Pressburg fast zu Fall gebracht. Die in der Koalition befindliche Ungarn-Partei hat gedroht, die Koalition zu verlassen, falls ihre Forderungen nach mehr Autonomie für die Ungarn in der Slowakei nicht erfüllt würden.
Zweisprachigkeit, Schulen, Mitbestimmung
Vor allem Zweisprachigkeit, Schulen und Mitbestimmung in der Verwaltung sind heiß diskutierte Themen. Acht Prozent der slowakischen Bevölkerung sind Roma. Im Sozialismus wurde versucht, sie sesshaft zu machen, jetzt leben sie in Plattenbauten und Elendsquartieren.

Misshandlungen von Roma und gewalttätigen Überfälle auf sie mehren sich ¿ und auch Vorwürfe gegen die Polizei, selbst an Übergriffen beteiligt gewesen zu sein. Die Regierung hat eine Anti-Rassismus-Kampagne angekündigt. Geschehen ist aber bisher kaum etwas.
Hoffnung Europa
Der Wunsch nach einer schrittweisen Integration in einen gesamteuropäischen Wirtschaftsraum vereinigt den größten Teil der slowakischen Bevölkerung. Ein EU-Beitritt wird trotz mancher Enttäuschungen von über 70 Prozent der Bevölkerung und von allen im Parlament vertretenen Parteien als wichtigstes außenpolitisches Ziel gesehen.

Für Juraj Stern wäre ein Nato-Beitritt der Slowakei, gemeinsam mit Polen der Tschechischen Republik und Ungarn wünschenswert. Denn das wäre ein Signal der Stabilität an Investoren, dass im Land normale Verhältnisse herrschen.

Ein Beitrag von Wolfgang Slapansky für die Ö1-Dimensionen vom 19.9.2001.
->   Slowakische Republik online
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Ö1-Schwerpunkt "Nebenan"
Der Slowakei ist der vierte Teil des Ö1-Schwerpunktes "Nebenan. Erkundungen in Österreichs Nachbarschaft" gewidmet. Zahlreiche Sendungen im Programm Österreich 1 befassen sich noch bis kommenden Sonntag mit diesem Nachbarland.
->   Informationen über den Ö1-Schwerpunkt "Nebenan" - Slowakei
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01.01.2010