News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Gesellschaft 
 
Die Verarbeitung des Schrecklichen  
  Die Wert- und Weltbilder der Menschen sind stark abhängig von den konstruierten Realitäten der Medien. Die Bilder innerer Wirklichkeiten und die von außen wahrgenommenen Eindrücke vermischen sich zu einer neuen Realität. Der Leiter des Humaninstitutes Franz Witzeling über die psychische Verarbeitung des Schreckens.  
Nur eine Schrecksekunde zwischen dem amerikanischen Traum und dem Trauma der USA-Katastrophe
Ein Gastbeitrag von Dr. Franz Witzeling, Humaninstitut Klagenfurt.

Seit dem schwarzen Dienstag im September 2001 ist vieles anders, sicher nicht alles, auch nicht für alle Menschen, die auf unserem Globus leben. Wert- und Weltbilder wandeln sich synchron zu den beeindruckenden Bildern von TV ¿ Live - Übertragungen, die uns täglich aus den USA erreichen.

Die von den Medien über die Kontinente projizierten Schreckensszenarien konstruieren bei jedem einzelnen innere Bilder von Wirklichkeiten, die sich mit den von außen wahrgenommen Eindrücken vermischen.
Individuelle und kollektive Seeleninhalte verschmelzen
Einem Tagtraum gleich verfolgen uns die archetypischen Metaphern dieser Katastrophe weit in den Alltag bei dem Versuch ¿Business as usual¿ um jeden Preis zu realisieren. Der Psychoanalytiker sieht sich einem nahezu unlösbaren Phänomen gegenüber.

Die Angst, der Schrecken, die Ohnmacht, die Ratlosigkeit werden im aktuellen Stück traumatisierender Zeitgeschichte von unterschiedlichen Quellen und Tiefen unterbewusster Energien gespeist. Sowohl Jungianer als auch Freudianer stehen vor einem Fundus zu analysierendem Material.

Es scheint so, als würden individuelle und kollektive Seeleninhalte sich zu einem unbekannten Konglomerat verschmelzen, welches nicht nur Experten Kopfzerbrechen macht.
Neubewertung der soziokulturellen Realitäten
Dieser psychologische Exkurs ist deshalb wichtig, um den neuen "Playground" weltpolitischen Geschehens besser verstehen zu lernen und zu begreifen welche sozialpolitischen Probleme auf uns zukommen, die zu lösen sind.

Nur einige Parameter soziokultureller Realität seien erwähnt, die durch das mentale Durchleben des Terroranschlages einer Neubewertung harren.
Low-Tech kontra High-Tech
Low-Tech hat High-Tech lahmgelegt oder unterlaufen, im konkreten Fall umflogen. Menschliche Netzwerke über Jahre aufgebaut und kultiviert auf fundamentalistischen Dogmen einer Weltreligion scheinen wirksamer und feingesponnener zu sein als die hochgerüstete Logistik technologischer Netzwerke westlicher Geheimdienste.
Kapitalismus nur kurz gestoppt
Es sollte das Zentrum des westlichen Kapitalismus und das Herz einer verbliebenen Weltmacht getroffen werden. Tragischerweise ist dies auf dem Rücken tausender unschuldiger Menschen gelungen. Was sicher nicht gelungen ist, und dies zeigte sich nach der Wiedereröffnung der Börse durch die Helden der Nation in der benachbarten Wallstreet, dass die Ströme internationaler Finanztransaktionen nur kurz gestoppt wurden.
...
"Wertschöpfung der neuen Art"
Das Auf und Ab der Kurse an der Börse folgt allem Anschein nach einem Takt, der auch den Terrorismus in Schwung hält. "Wertschöpfung der neuen Art" gibt auch den internationalen Finanzmärkten ein neues Gesicht.
...
Macht und Ohnmacht
Bin Laden, der Sohn einer kapitalstarken Familie aus Saudi Arabien, sieht sich, wenn er es überhaupt sehen kann, mit verdrängten Frustrationen seiner Jugend konfrontiert, denen er sich durch seinen Exodus in den islamischen Fundamentalismus entziehen wollte.

Macht und Ohnmacht liegen für beide Seiten so nahe beieinander, sowohl die Terroristen als auch die "Weltstaatsmacht" kann und wird den Krieg nicht gewinnen. Wie man aus einer solchen "Double Bind ¿ Konstellation" herauskommt, ist bei Paul Watzlawick nachzulesen.
Ein Blick in den Himmel
Keine Parabel, aber ein Bild aus Tausend und einer Nacht soll diese Doppeldeutigkeit der Perspektiven verdeutlichen, indem unsere Welt zur Zeit steckt.

Zwei Kinder schauen zur gleichen Zeit von verschiedenen Punkten der Welt in den Himmel, sie kommunizieren über ein Satellitentelefon und schildern sich gegenseitig die Wirklichkeit, die sie vom jeweiligen Standort sehen. Das eine Kind schildert eine idyllische, friedliche Landschaft. Sein Gesprächspartner beschreibt ein Inferno einer Weltuntergangsstimmung. Die Bilder werden durch die Kommunikation überlagert, getragen von der Emotion, wie die einzelnen "Weltbilder" dem anderen übermittelt werden.
Die Lösung: Versöhnung der Weltreligionen
An dieser Stelle passt auch das Buch von Huntington "Clash of Civilisation", welches in vorausschauendem Bewusstsein geschrieben wurde. Ein zweites Buch, das Lösung bietet, stammt von Herrn Lessing, im "Nathan, der Weise" versucht Ephraim Lessing durch die Ringparabel die Versöhnung der drei Weltreligionen anzuregen.

Das scheint, wie auch die Kommentare der Experten übereinstimmend feststellen, der Schlüssel zu sein, um dem Terror Einhalt zu gebieten und dem Weltfrieden ein Stück näher zu kommen.
Eine angstfreie Welt als Ziel
Das Ziel wäre eine conviviale Gesellschaft, wie sie der Jesuitenpater Ivan Illich beschrieben hat, wo gesellschaftliche Strukturen über alle Kulturen hinweg wieder stimmig sind, und vor allem die harmonisierte ¿zwischenmenschliche Chemie¿ ein angstfreies lebenswertes Klima in der Welt schafft.
->   Das Humaninstitut
Das Humaninstitut in Klagenfurt führte eine Untersuchung über die Auswirkung des Terroranschlages in den USA auf die Psyche der ÖsterreicherInnen durch. Das Ergebniss finden sie unter:
->   Österreicher für radikale Bekämpfung des Terrors
Weitere Artikel zu den Attentaten von New York und Washington:
->   Buch als Vorbild für den Terror?
->   Kritik an Terror-Berichterstattung
->   "Clash of Civilizations": Eine Theorie sucht ihre Empirie
->   Terror im TV: Ausnahmesituation oder Bilder-Krieg?
->   US-Intellektuelle in Sorge um Demokratie der USA
->   Bildung gegen Gewalt
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Gesellschaft 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010