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Die Langzeitfolgen der Nachtarbeit  
  Schichtarbeit, nächtliche Aktivitäten und Jet-Lags bedeuten unregelmäßiges Schlafverhalten. Neben den gesundheitlichen Auswirkungen warnen Wissenschaftler nun vor den ökonomischen und sozialen Folgen unserer 24 Stunden-Arbeitsgesellschaft.  
Negative Effekte auf Gesundheit
Die negativen Effekte von Nachtarbeit auf das Schlafverhalten und den allgemeinen Gesundheitszustand sind zahlreich: Nachtarbeiter schlafen weniger, sind weniger leistungsfähig und haben eine höhere Unfallwahrscheinlichkeit.

Zu den wichtigsten Gesundheitsproblemen zählen (chronische) Schlafschwierigkeiten, Magenstörungen, gestörter Fettstoffwechsel sowie ein erhöhtes Risiko für Herzrhythmusstörungen und Diabetes.
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Erhöhtes Risiko für Magenkrankheiten
Laut einer britischen Studie steigt während der Schlafenszeit, etwa ab 1.00 Uhr nachts, der Anteil des "Reparatureiweißes" im Magensaft stark an. Je geringer die nächtlichen Ruhephasen ausfallen, desto weniger regeneriert sich die Magenschleimhaut - das Risiko, an Magenkrebs oder Magengeschwüren zu erkranken, steigt.
->   Gefährliche Nachtarbeit
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Warnung vor finanziellen Langzeitfolgen
Die Biologen Shantha Rajaratnam und Josephine Arendt von der University of Surrey warnen in der aktuellen Ausgabe von "The Lancet" nun auch vor den gesellschaftlichen Langzeitfolgen wie Versicherungs- und Arbeitsunfähigkeitskosten.

Sie verweisen auf eine ältere Studie, die die Summe für durch Übermüdung verursachte Unfälle weltweit auf etwa 80 Milliarden Dollar (1,18 Billionen ATS) pro Jahr schätzt.
->   Originalartikel in The Lancet: Health in a 24 hour society
20 Prozent arbeiten unregelmäßig
Nach aktuellen Untersuchungen arbeiten etwa 20 Prozent der Beschäftigten in den Industrieländern nicht mehr während der traditionellen Arbeitszeiten.

Arbeitgeber müssten angesichts der Beweise für die gesundheitsschädigenden Auswirkungen unregelmäßiger Arbeitszeiten in Zukunft verstärkt damit rechnen, von Arbeitnehmern verklagt zu werden, schreiben Rajaratnam und Arendt.

Deshalb müssten sich beide Seiten darüber klar sein, dass "Arbeitsfähigkeit und Aufmerksamkeit am Arbeitsplatz bei nächtlicher Aktivität deutlich nachlassen, und sie müssen auch wissen, wie man dem am besten entgegen wirkt", so die beiden Wissenschaftler.
Hohes Unfallrisiko
Die meisten Verkehrsunfälle, die auf Übermüdung zurückzuführen sind, geschehen in der zweiten Nachthälfte - nach zwei Uhr. Genauso wie tagsüber das größte Unfallrisiko zwischen 14 und 16 Uhr herrscht.

Wenn man die unterschiedliche Verkehrsdichte mit einbezieht, besteht um sechs Uhr früh ein um 20 mal höheres Unfallrisiko als um 10 Uhr vormittags. Ähnliche Erfahrungen werden auch mit Arbeitsunfällen gemacht.
Innere Uhr und zirkadiane Rhythmen
Einer der Hauptgründe für diese erhöhten Risiken ist die "innere Uhr" des Menschen. Ob diese angeboren ist oder nicht, ist umstritten. Biologen gehen jedenfalls vom Sitz dieser inneren Uhr im Hypothalamus und von "zirkadianen Rhythmen" aus, nach denen sich unsere Körperfunktionen in einem 24-Stunden-Zyklus richten.

So steigt etwa die Körpertemperatur im Laufe des Tages an und sinkt in der Nacht ab. Aber auch Herzschlag, Blutdruck, Verdauung und Hormone haben ihre eigenen, unterschiedlichen Rhythmen und sind bei jedem Menschen verschieden.
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Innere Uhr geht nach
Im vergangenen Juli erregten japanische Wissenschaftler Aufsehen, die "das Geheimnis der inneren Uhr" entschlüsselt haben wollten. Ihrer Ansicht nach geht diese Uhr - als Ergebnis der Evolution - täglich um 18 Minuten nach. Damit der Zyklus nicht irgendwann kollabiert, stellt sich der Körper allerdings jeden Morgen neu ein. Licht ist der Auslöser für diese Korrektur: es beeinflusst bestimmte Proteine, die wiederum unseren Hormonspiegel, die Körpertemperatur und andere Körperfunktionen regulieren.
->   Das Geheimnis der inneren Uhr
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->   Mehr zum zirkadianen Rhythmus
Manipulation der inneren Uhr
Um die "innere Uhr" zu manipulieren, gibt es eine Reihe von Möglichkeiten: in erster Linie durch kontrollierten Schlaf, etwa in völlig abgedunkelter und stiller Umgebung.

Auch gezielter Lichteinfall kann nach Angaben von Rajaratnam und Arendt die zirkadianen Rhythmen verschieben. Dazu muss man allerdings zu exakt bestimmten Zeiten dem Licht ausgesetzt sein bzw. dieses - etwa mit Hilfe dunkler Brillen - vermeiden.

Vor allem aber durch die Behandlung mit dem Hormon Melatonin kann die "innere Uhr" gestellt werden.
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Melatonin
Hormon aus der Zirbeldrüse (Epiphyse), das fast ausschließlich nachts gebildet wird und an der Regulation des Schlaf-Wach-Rhythmus beteiligt ist. Man setzt es daher zur Therapie von Schlafstörungen ein. Eine allgemeine Funktion bei der Steuerung biologischer Rhythmen, die von der Tageslänge abhängig sind, wird angenommen.
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Unethische Manipulation
Menschen auf diese Weise zu manipulieren wäre, so Rajaratnam und Arendt "selbstverständlich unethisch". Nicht zuletzt da Experimente mit Fruchtfliegen und Hamstern hinlänglich bewiesen haben, dass die Lebenserwartung deutlich sinkt, wenn man sie zwingt, ihren Tagesrhythmus zu ändern.

Aber, so die Chronobiologen abschließend: "Gleichgültig ob aus freiem Willen oder aus Notwendigkeit, viele von uns machen in dieser Hinsicht ziemlich unkontrollierte Selbstversuche."
->   Wie die innere Uhr den Körper beeinflusst
->   Wo tickt die Uhr im Gehirn?
->   Gefährliche Beifahrerin: Müdigkeit am Steuer
 
 
 
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01.01.2010