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Forschung nach Terroranschlägen in der Krise?  
  Der Gedanke des weltweit freien Zugangs zu wissenschaftlicher Forschung fand in den letzten Jahren mehr und mehr Befürworter. Doch angesichts der Attentate vom 11. September und eines möglichen US-Gegenschlags scheint dieser Ansatz nun in Frage gestellt. Wissenschaftler fürchten weitreichende Konsequenzen für den internationalen Forschungsaustausch.  
Mit großer Betroffenheit reagieren führende Forscher auf die Terrorattacken in Amerika. Das Fachmagazin "Nature" schreibt in seiner aktuellen Ausgabe bereits von einer Forschungskrise und ruft weltweit Forscher auf, sich dieser zu stellen.
->   Originalartikel Band 413, 237¿239 (kostenpflichtig)
Forschungsalltag massiv eingeschränkt?
Forschung ist heute mehr denn je auf die Vorzüge globaler Kommunikation und Reisefreiheit angewiesen. Freier Datentransfer und unbeschränkte Reisemöglichkeit gehören zum Selbstverständnis des Forschungsalltags. Doch beides scheint seit den Anschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon in Frage gestellt.
Datensicherung kontra freier Zugang
So genießt der Bereich der Datensicherung seit den Ereignissen vom 11. September höchste Priorität. Die sonst hochgehaltene Freiheit der Daten weicht dem Schlagwort "Sicherheit".

Laut "Nature" wurde bekannt, dass diverse öffentliche Forschungseinrichtungen ihre Daten gegenüber terroristischen Angriffen unzureichend gesichert hätten.

Nun sollen verstärkte Sicherheitsmaßnahmen in Kraft treten. Dieser Umstand bleibt wohl aufgrund der weltweiten Vernetzung nicht ohne Folgen für Forschungsstellen anderer Länder.
Ausschluss bestimmter Länder befürchtet
"Zur Zeit stellen wir Forschungsdaten zur Verfügung und teilen sie unabhängig davon, von wem sie in Anspruch genommen werden" sagt Graham Cameron vom European Bioinformatics Institute in Hinxton, Großbritannien.

Allerdings rechnet er damit, dass die USA und befreundete Regierungen verlangen werden, bestimmten Ländern den Zugang zu gewissen Daten zu verweigern. Als Beispiel werden Datenbanken zur Genomsequenz von krankheitserregenden Mikroorganismen genannt.
->   European Bioinformatics Institute
Zu früh für Spekulationen, aber ...
Entsprechend beunruhigt zeigen sich offizielle Vertreter der an Afghanistan - dem wahrscheinlichsten Ziel eines amerikanischen Militärgegenschlags - grenzenden Länder, wie "Nature" weiter berichtet.

Es wäre zu früh, um sagen zu können, in welcher Form Restriktionen folgen würden, meint Ragunath Mashelkar, Indiens Minister für Forschung und Entwicklung. "Jedoch werden Nicht-Amerikaner um gewisse Freiheitseinschränkungen in den Vereinigten Staaten derzeit nicht umhinkommen", so der Minister.
Konferenzen abgesagt oder verschoben
In den Vereinigten Staaten selbst werden aus Angst vor weiteren Anschlägen beziehungsweise Ungewissheit über die nahe Zukunft wissenschaftliche Konferenzen im Augenblick verschoben oder gänzlich abgesagt.

Auch fanden die innerhalb der letzten Tage abgehaltenen Konferenzen in Asien und Europa meist ohne US-Teilnehmer statt. Damit sind US-Wissenschaftler erstmalig in diesem Ausmaß vom internationalen Forschungsaustausch abgeschnitten.
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ASM verschiebt Tagung wegen zu hohem Risiko
Die Amerikanische Gesellschaft für Mikrobiologie (ASM) kündigte zunächst an, eine für 22. bis 24. September in Chicago geplante internationale Tagung mit 15.000 Delegierten trotz der Tragödie von New York durchzuführen. Kurz darauf verlautbarten die Organisatoren mit Verweis auf Sicherheitsrisiken die Terminverschiebung auf Dezember. Die Ungewissheit bezüglich sicherer und planmäßiger Flüge, hätte die Gesellschaft gezwungen im Interesse der Teilnehmer die Veranstaltung zu verschieben, so die Organisatoren.
->   ASM Tagung verschoben
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"Flugangst" im Falle eines Gegenschlags
Über die Schwierigkeiten des planmäßigen Flugverkehrs hinaus weigern sich viele Forscher, Flugzeuge zu besteigen, solange die Situation ungeklärt ist. Andere wiederum beabsichtigen im Falle des angedrohten militärischen Gegenschlags ihre Reisen unverzüglichen einzustellen, so "Nature".

Davon besonders betroffen sind die Hightechindustrie und offizielle Forschungsstellen. Denn ihre Repräsentanten verbuchen für sich weltweit die höchste Zahl an Flugmeilen. "Im Falle eines Gegenschlags werde ich das Reisen sofort und gänzlich abstellen", erklärt beispielsweise der Forschungsdirektor eines führenden europäischen Pharmakonzerns.
Kürzung von Forschungsgeldern absehbar
Ein anderer Aspekt der Krise könnte laut "Nature" ebenfalls weitreichende Folgen für die Forschungssituation nach sich ziehen: Aus dem US-Staatsbudget fließen nun beträchtliche Mittel in den Wiederaufbau des World Trade Centers, die verschärften Sicherheitsmaßnahmen und nicht zuletzt in die geplanten militärischen Operationen.

Eine beträchtliche Kürzung der Forschungsgelder scheint somit absehbar. Denn wie Robert Eisenstein, von der NSF (National Science Foundation) anmerkt: "Das Geld muss von irgendwo kommen."
->   NSF-Leiterin Rita R. Colwell zur Tragödie in New York
 
 
 
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01.01.2010