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Gentech-Nahrung für Entwicklungsländer  
  Der Biologe Ingo Potrykus hat in zehn Jahren Forschungsarbeit eine Reissorte entwickelt, die eine Vorstufe des lebenswichtigen Vitamin A erzeugt und damit den Mangel daran in Entwicklungsländern mindern soll. Bei einem Kongress in Wien sprach er über weitere Projekte, bei denen mithilfe von gentechnisch modifizierten Nahrungsmitteln die Ernährung in ärmeren Ländern verbessert werden soll.  
Ingo Potrykus sprach am Mittwoch beim "Life Science 2001"-Kongress, der an der Universität für Bodenkultur in Wien abgehalten wird.
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Life Science 2001
Gemeinsame Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Biochemie und Molekularbiologie (ÖGBM), der Österreichischen Gesellschaft für Biotechnologie (ÖGBT) und der Österreichischen Gesellschaft für Genetik und Gentechnik (ÖGGGT). Der Kongress ist heute zu Ende gegangen.
->   Mehr Informationen zum Kongress
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"Goldener Reis" produziert Provitamin A
Mit der Entwicklung des so genannten "Goldenen Reis" hat der Biologe für weltweites Aufsehen gesorgt. Durch das Einbringen fremder Gene produziert die Pflanze Provitamin A und soll damit den chronischen Mangel an Vitamin A in Entwicklungsländern lindern helfen.
Namensgeber Beta-Carotin
Seine Farbe und damit seinen Namen erhält der modifizierte Reis durch die von ihm erzeugte Vitamin A-Vorstufe Beta-Carotin.
Normaler Reis ohne Vitamin-Vorstufe
Denn Reiskörner enthalten normalerweise keine Carotinoid-Verbindungen, aus denen der menschliche Körper das lebenswichtige Vitamin A erzeugen kann. Vor rund zehn Jahren kam Potrykus allerdings die Idee, Reispflanzen dieses Provitamin A erzeugen zu lassen.
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Reis und Vitamin A
Reispflanzen produzieren nur in den grünen Pflanzenteilen die Vorstufe von Vitamin A, nicht aber im Reiskorn selbst. Deshalb ist ein Mangel in jenen Regionen weit verbreitet, in denen Reis als alleiniges Hauptnahrungsmittel dient. Vom Vitamin A-Mangel sind über 100 Millionen Kinder weltweit betroffen, aber auch erwachsene Frauen leiden häufig darunter.

Vitamin A ist unter anderem wichtig für die Funktion des Immunsystems und verantwortlich für den Schutz der Schleimhautzellen. Ein Mangel führt zu einer erhöhten Infektionsanfälligkeit, zu Nachtblindheit und in den schweren Fällen zur vollständigen Erblindung. Mehr als 1 Million Kinder sterben jährlich an den Folgen von Vitamin A-Mangel.
->   Mehr Informationen zu Vitamin A
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Erfolgreiche Versuche mit einzelnen Genen
Einzelne Gene, etwa für Resistenzen, von einer Pflanze auf die andere zu übertragen, stellt für die Wissenschafter kein Problem mehr dar. So wurde etwa mittlerweile eine pilzresistente Roggensorte und herbizidresistente Sojabohnen gezüchtet.

Doch Potrykus' Projekt war weitaus ambitionierter: Es ging darum, ganze Stoffwechselketten aus anderen Pflanzen in den Reis zu implantieren. Zehn Jahre brauchten die Forscher für den Erfolg.
Manipulation von Weizen, Mais, Bananen ...
Da Reis nicht in allen vom Vitamin A-Mangel betroffenen Regionen der Welt das Hauptnahrungsmittel darstellt, haben Forscher bereits begonnen, auch in Weizen, Mais, Banane und Süßkartoffel die Stoffwechselketten für die Provitamin A-Produktion zu implantieren.
Weiteres Einsatzgebiet: Eisen- und Proteinmangel
Ingo Potrykus hat damit allerdings noch längst nicht sein Ziel erreicht: Er will mit Hilfe der Gentechnik auch den Eisen- und Proteinmangel in armen Ländern bekämpfen.

Drei Milliarden Menschen hätten weltweit Eisenmangel, der erhöhte Mütter- und Kindersterblichkeit verursache und sich negativ auf die motorische und mentale Entwicklung auswirke, zitiert ihn die APA.
Reis soll mehr Eisen binden ...
Potrykus arbeitet deshalb daran, dass Reis, der so wenig Eisen enthält wie kaum ein anderes Grundnahrungsmittel, mehr Eisen bindet. Dies sei mit einem Gen bereits möglich.
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Problem Eisenaufnahme des Körpers
Ein Problem sei allerdings, dass in Ländern mit vorwiegend vegetarischer Ernährung, also vor allem sehr armen Ländern, die Eisenresorption im Darm der Menschen miserabel sei, erklärte Potrykus. Denn Reis enthalte einen Hemmstoff, der die Aufnahme von Eisen vermindere. Problem ist, dass dieser Stoff bei der Keimung der Pflanze eine biologische Funktion hat, also nicht einfach ausgeschalten werden kann. Deshalb versuchen die Wissenschafter, hitzestabile Enzyme einzubauen, die erst beim Kochen diesen Hemmstoff abbauen.
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... und Aminosäuren bilden
Im Zuge dieser Entwicklungen wollen die Forscher auch den Mangel an Proteinen, vor allem essentiellen Aminosäuren bekämpfen, die beispielsweise für die Kindesentwicklung notwendig sind.

Erste Erfolge, in denen in Reis diese Proteine gebildet werden, stimmen Potrykus zuversichtlich. "Mein Ziel ist es, ein ernährungsphysiologisch optimiertes Grundnahrungsmittel herzustellen und es Menschen, die kein Geld haben, sich etwas anderes zu kaufen, zur Verfügung zu stellen", so der Wissenschafter.
Sublizenz zur "humanitären Nutzung"
Der "Goldene Reis" kann im Übrigen tatsächlich auch den Armen zugute kommen. Denn obwohl Potrykus zur Finanzierung seines Projektes eine Pharmafirma beteiligen musste und diverse Labortechnologien zur Entwicklung benutzt wurden, die mit Patenten geschützt sind, hält der Biologe eine "Sublizenz".

Er kann nun für die "humanitäre Nutzung" solche Sublizenzen vergeben, die zwar mit einer Einnahme-Grenze von 10.000 Dollar pro Jahr verbunden sind. Das stelle jedoch für Kleinbauern in Entwicklungsländern kein Problem dar, so Potrykus.
Artikel zum Thema genmanipulierte Lebensmittel in science.orf.at:
->   Genmanipulierte Lebensmittel als Nahrung der Zukunft?
->   Helge Torgersen: Gentechnik: Schaden oder Nutzen
->   Gentechnik gegen den Welthunger?
 
 
 
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01.01.2010