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Mehrheit der Österreicher lehnt Rechtschreibreform ab  
  Eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts IMAS zeigt deutlich, dass die vor drei Jahren eingeführte Rechtschreibreform bei der Österreichischen Bevölkerung bisher wenig Akzeptanz gefunden hat: Nur acht Prozent halten sich an die neuen Regeln.  
Schon die erste Frage nach der Grundeinstellung gegenüber der neuen Orthografie-Regeln zeigt deutlich die geringe Begeisterung der Österreicher: Nur neun Prozent gaben an, sie hielten die Reform für gut. 57 Prozent lehnen sie grundsätzlich ab, 34 Prozent zeigten sich unentschieden.
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Repräsentativer Querschnitt
Die Daten wurden zwischen 28. August und 18. September erhoben. Befragt wurde ein repräsentativer Querschnitt der Bevölkerung, insgesamt rund 1.081 Österreicherinnen und Österreicher über 16 Jahre.
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Nur acht Prozent befolgen neue Regeln
Daher überraschen die Zahlen nicht, wenn es um die konkrete Anwendung der neuen Schreibregeln geht: Lediglich acht Prozent der Österreicher halten sich an die Regeln.

Dagegen steht die Mehrheit der Bevölkerung, die entweder komplett nach den alten Regeln schreibt (56 Prozent), oder zwischen alt und neu wechselt (29 Prozent). Die verbliebenen sieben Prozent machten zu dieser Frage keine Angaben.
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Ältere Umfrage: Höhere Akzeptanz
Zum Thema Akzeptanz der Rechtschreibreform bei der Österreichischen Bevölkerung hat das Meinungsforschungsinstitut OGM im August ebenfalls eine Studie veröffentlicht. Die Zahlen lagen demnach allerdings etwas anders: Laut OGM-Report wenden 15 Prozent bereits die neuen Regeln an, während die IMAS-Umfrage nur auf 8 Prozent kommt.
->   Mehr dazu in science.orf.at
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Alter nicht entscheidend
Offenbar hat die mehrheitliche Ablehnung nicht primär mit dem Alter der Befragten zu tun. Denn mit einem Anteil an "Reform-Verweigerern" von 73 Prozent liegen die über 50-Jährigen zwar deutlich über dem Durchschnitt, doch immerhin 45 Prozent der 16- bis 29-Jährigen lehnen die Reform ebenfalls ab und schreiben weiterhin nach den alten Regeln.
Pragmatismus der Jüngeren
In der Studie heißt es dazu: " Kennzeichnend für Personen unter 30 ist am ehesten eine Art von Pragmatismus im Sinne einer überdurchschnittlich ausgeprägten Neigung, sich sowohl der neuen, als auch der alten Regeln zu bedienen. Dieses Verhalten trifft auch auf die Gebildeten (Personen mit Matura oder Universität) zu."
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Neue Rechtschreibung - "Geschichte" einer Reform
Der Grundstein für die jetzige Reform wurde in den siebziger Jahren gelegt. Internationale Tagungen zur Rechtschreibung begannen 1973 und führten verschiedene Experten und Arbeitsgruppen allmählich zu einem "Internationalen Arbeitskreis für Orthographie" zusammen. Diesem Arbeitskreis gehörten Fachleute aus Österreich, der BRD, der damaligen DDR und der Schweiz an.

Bei drei "Wiener Gesprächen", zu denen das österreichische Unterrichtsministerium 1986, 1990 und 1994 einlud, wurden die Vorschläge des international besetzten Rechtschreib-Arbeitskreises auf Beamtenebene diskutiert.

Nach langen Verzögerungen wurde die Reform am 1. Juli 1996 in Wien von alle deutschsprachigen Staaten beschlossen. Man unterzeichnete eine so genannte Absichtserklärung. Auch Länder mit deutschsprachiger Minderheit wie Südtirol, Belgien, Frankreich, Ungarn und Rumänien setzten ihre Unterschrift unter das Dokument. Der offizielle Starttermin wurde mit 1. August 1998 fixiert, der Zeitrahmen für den Übergang bis 2005 gesteckt.
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Überprüfung an konkreten Beispielen
Das Meinungsforschungsinstitut beließ es aber nicht nur bei "theoretischen" Fragen, sondern prüfte auch an konkreten Beispielen: So schreibt die Hälfte der Befragten "selbstbewusst" nach wie vor mit einem "ß", also "selbstbewußt" und 60 Prozent begnügen sich bei "Flussschifffahrt" mit weniger Konsonanten ("Flußschiffahrt" nach der alten Regelung).
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Liste mit "Gegensaztpaaren"
Den Befragten wurde eine Liste mit zehn Wörtern jeweils in alter und in neuer Schreibversion vorgelegt. Man musste angeben, welche Version man bevorzugt.

Eine kleine Auswahl: alleinstehend (alt) und allein stehend (neu); eislaufen gehen (alt) und Eis laufen gehen (neu); allgemeinbildende höhere Schule (alt) und allgemein bildende höhere Schule (neu); aufwendig (alt) und aufwändig (neu); eine Handvoll Zuhörer (alt) und eine Hand voll Zuhörer (neu)
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"Belämmert" überrundet "belemmert"
Gerade mal zwei Beispiele könnten die Reformer hoffen lassen: Bei dem Wort "belemmert" (alte Form) bevorzugen mittlerweile 57 Prozent die neue Schreibweise "belämmert", 51 Prozent bevorzugen "erstplatziert" (neu) gegenüber "erstplaziert" (alt).

Alle anderen Beispiele für die neue Rechtschreibung blieben weit unter diesen Werten: Am wenigsten Zustimmung erhielt "allein stehend" (24 Prozent), am höchsten lag die "Hand voll Zuhörer" mit 42 Prozent.
Mehrheit für freie Auswahl
Dennoch, die Zukunft könnte ein rechtes Kuddelmuddel werden, wenn man nach der Mehrheit der Befragten entscheiden würde. Diese 50 Prozent votieren nämlich dafür, es jedem selbst zu überlassen, wie er schreiben möchte.

Dagegen stimmen 30 Prozent für eine Rückkehr zur alten Regelung, und lediglich neun Prozent wollen die neue Regelung beibehalten. Der Rest der Befragten zeigte sich unentschieden.
Düsteres Fazit: "Fehlschlag großen Stils"
So klingt denn auch das Fazit des IMAS-Reorts recht düster für die "ungeliebte Reform": "Die Rechtschreibreform entpuppt sich als Fehlschlag großen Stils", heißt es dort.
Kommission für deutsche Rechtschreibung
Am Institut für Deutsche Sprache in Mannheim wurde eine "Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung" installiert, die Zweifelsfälle und Ungereimtheiten bei der Umsetzung ausräumen soll sowie allgemeine Informationen bietet.
->   Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung
->   Meinungsforschungsinstitut IMAS
science.orf.at-"Report":
Wir wollen es genau wissen: Ein "repräsentativer Querschnitt" der science.orf.at-User kann in untenstehender Vote-Box seine Einstellung zur Rechtschreibreform kundtun: Was halten Sie von der neuen Rechtschreibung?
 


 Ich finde sie gut und wende sie an.

 Ich finde sie nicht gut und wende sie nicht an.

 Ich finde sie nicht gut, muss sie aber anwenden.

 Ich wechsele zwischen alt und neu.

 Keine Meinung zu diesem Thema.

 
Zum Vergleich
Zum Vergleich bietet sich das Forum einer älteren Geschichte in science.orf.at an. Die vertretenen Meinungen zur Rechtschreibreform lagen damals zwischen "i-d-i-o-t-i-s-c-h" (schellack), "Blödsinn" (artefakt), "Schwachsinn - diese "Reform" war so notwendig wie ein Kropf" (falseprophet) und "Dieses (ohnehin zahnlos maßvolle) "Reförmchen" werden wir wohl aushalten und uns hoffentlich bald daran gewöhnen, denn die deutsche Sprache Sprache geht damit nicht unter." (ivanvinodolski).
->   Obenstehend erwähnter Artikel in science.orf.at
 
 
 
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01.01.2010