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'Verschränkte Wirklichkeit'  
  Der Wunschtraum nicht nur vieler Physiker von der erfolgreichen Teleportation von Materie rückt wieder ein Stück näher. Jetzt haben dänische Wissenschaftler erstmals eine Billion Atome miteinander 'verschränkt'. Damit erhalten die weltweiten Anstrengungen zur Entwicklung neuer Computergenerationen auf der Basis von Quanten einen neuen Impuls.  
Eugene Polzik und seine Kollegen berichten in der aktuelle Ausgabe von 'Nature' davon, dass sie erstmals die Teilchen von zwei Gaswolken quantenmechanisch miteinander 'verschränkt' haben.
Das Phänomen 'verschränkter' Teilchen
"Verschränkte Teilchen haben von vornherein überhaupt keine Eigenschaften. Bei der Messung nimmt eines rein zufällig eine Eigenschaft an und das andere wird dann sofort die entsprechende Eigenschaft besitzen ganz egal, wie weit es entfernt ist ", beschreibt der österreichische Quantenphysiker Anton Zeilinger, das Phänomen 'verschränkter Teilchen'.

Das Phänomen der 'verschränkten Teilchen' konnte auch erstmals durch den österreichische Physiker Anton Zeilinger vom Institut für Experimentelle Physik der Universität Wien experimentell beobachtet wurde.
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Verschränkte Teilchen
Verschränkung bedeutet, dass ein Paar Photonen durch die Messung die gleichen Eigenschaften hat, auch über große Entfernungen. Albert Einstein hatte diese Effekt bereits 1935 entdeckt und er nannte ihn eine "spukhafte Fernwirkung". Wird nun ein Photon eines solchen verschränkten Paares in seinen Eigenschaften verändert, dann ändert sich das zweite, entfernte Photon parallel und gleichzeitig. Die Eigenschaften werden in Nullzeit über eine große Entfernung übertragen. Lässt man ein drittes Photon (das Photon, das teleportiert werden soll) mit einem Photon dieses verschränkten Paares interagieren, dann ändert sich das zweite Photon des verschränkten Paares am anderen Ort.
->   Forschungsschwerpunkte von Anton Zeilinger
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'Eine neue Generation von Experimenten'
"Diese Arbeit sollte den Weg für eine neue Generation von Experimenten ebnen, die Materie in verschiedenen Zuständen teleportiert", sagt begeistert Ignacio Cirac, ein Quantenphysiker der Universität Innsbruck.

Er und Peter Zoller von der Universität Innsbruck haben im Frühjahr dieses Jahres bereits die Grundlagen für Speicher-Formen zukünftige Quantencomputer geschaffen.
->   Innsbrucker Forscher: Neue Speichermöglichkeit für Quantencomputer
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Erwin Schrödinger - Vater der 'Verschränkung'
Eine wichtige Grundlage für all das ist die "Verschränkung", die als Begriff vom österreichischen Physiker Erwin Schrödinger eingeführt wurde: Quantenmechanische Teilchen in verschränktem Zustand zeigen nämlich viel stärkere Korrelationen, sprich Gemeinsamkeiten, als das die klassische Physik erlaubt. Vereinfacht erklärt sieht das so aus, dass man, wenn zwei identische Münzen nacheinander geworfen werden, bereits nachdem die erste Münze zum Liegen gekommen ist, exakt vorhersagen kann, was die zweite Münze zeigen wird: Kopf oder Zahl.
->   Quantum Computation and Quantum Cryptography Links
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Millionen von Teilchen
Die bisher von Zeilinger und seine Kollegen durchgeführten Experimente fanden nur mit relativ wenigen Teilchen statt. Die dänischen Physiker versuchten nicht, eine volle 'Verschränkung' aller Teilchen der beiden Cäsiumgas-Wolken zu erreichen.

Statt dessen generierten sie zwei locker 'verschränkte' Teilchenwolken aus Cäsiumgas. Die gegenseitige Abhängigkeit der beiden Teilchen-Wolken in dieser loseren Form eignet sich laut den Physikern besser für stabilere Messungen.
Für Bruchteile einer Sekunde
Laut den Wissenschaftlern ist es unmöglich eine 'volle Verschränkung' sämtlicher Teilchen beider Wolken länger als den winzigen Bruchteil einer Sekunde aufrecht zu erhalten.

Polziks Team kann nach eigenen Angaben die beiden Wolken aus Cäsium-Gas in einer loseren Form der 'Verschränkung' für eine halbe Millisekunde aufrecht erhalten. Das ist zumindest länger als die bisher experimentell erreichten Zeitspannen.
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Was die Quantentheorie beschreibt
Die Quantenphysik ist ein umfassendes System, dass das Verhalten von Materie und Licht von den kleinsten Dimensionen der Elementarteilchen bis an das Ende des Weltalls beschreibt. Sie bestimmt das Verhalten der Atome und Moleküle und aller Materie. Sie erklärt außerdem das periodische System der Elemente und ihr chemisches Verhalten in der anorganischen und organischen Welt bis hin zur Biologie. Mit der mathematischen Formulierung der Quantenphysik von Werner Heisenberg, Erwin Schrödinger und Paul Dirac lässt sich die Tatsache, dass im Mikrobereich Materie und Felder sowohl Teilchen- als auch Wellencharakter besitzen, widerspruchsfrei erfassen. In der Welt der atomaren Dimensionen sind grundsätzlich nur Wahrscheinlichkeitsaussagen möglich und aus den Optionen für das Verhalten eines Mikroteilchens wird bei der Messung herausgegriffen. Um welche es sich handelt, ist rein zufällig. Damit wird in der Mikrowelt die Vorstellung ungültig, dass die Realität unabhängig von der Beobachtung existiert.
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Ausgedehnte Zeiträume
Die Wissenschaftler erhoffen sich, diese Zeiträume der 'Verschränkung' zukünftig weiter ausdehnen zu können, um damit dieselben Ergebnisse für fest Proben und nicht nur wie in diesem Fall für Gase erzielen zu können.

Damit wäre eine neue Grundlage für die ersten Quantencomputer oder für neue Verschlüsselungsformen von Daten in Form der Quantenkryptographie geschaffen.
Quantenkryptographie
"In der Quantenkryptographie nimmt man genau solche verschränkten Teilchenpaare, und erzeugt damit an zwei verschiedenen Orten dieselbe Folge von Zufallszahlen", beschreibt Anton Zeilinger den Zustand der 'Verschränkung'.

"Dieser Schlüssel kann dann zur Verschlüsselung verwendet werden. Ein möglicher Lauscher würde sofort entdeckt, da er Korrelationen stört, was zu verschiedenen Zufallsfolgen auf beiden Seiten führt."

"Dies kann durch einen öffentlichen Vergleich von einem Teil der Bits des Schlüssels festgestellt werden. Sind die Schlüssel korrumpiert, werden sie einfach nicht verwendet. Ein Abhörer kann also allenfalls verhindern, dass eine geheime Nachricht ausgetauscht werden kann, er kann aber eine solche Nachricht nicht abhören", so der österreichische Physiker.
->   Institute of Physics and Astronomy, University of Aarhus
Originalartikel in 'Nature' (kostenpflichtig) unter dem Titel " Experimental long-lived entanglement of two macroscopic objects" ( Nature, 413, 400 ¿ 403; 2001).
->   Originalartikel in 'Nature' (kostenpflichtig)
->   Bericht in Nature Science Update
 
 
 
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01.01.2010