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Verursachen Viren den plötzlichen Kindstod?  
  Von 10.000 Neugeborenen sterben in Österreich sechs an plötzlichem Kindstod. Pro Jahr sind das ungefähr 200 Kleinkinder. Der plötzliche Kindstod zählt, nicht nur in Österreich, zu den häufigsten Todesursachen im 1. Lebensjahr. Trotzdem sind die Ursachen bislang rätselhaft. Eine neue Studie legt nun den Schluss nahe, dass in einem Teil der Fälle eine, durch Viren hervorgerufene, Herzmuskelentzündung für den Tod verantwortlich ist.  
Mit Hilfe neuer, äußerst empfindlicher, Methoden untersuchte der Pathologe und Rechtsmediziner Dr. Reinhard Dettmeyer von der Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn, die Herzgewebeproben von 60 unerwartet verstorbenen Säuglingen.

Bei mehr als 20 Prozent der untersuchten Säuglinge konnte der Wissenschaftler in den Herzgewebeproben Viren-Erbgut nachweisen - Anzeichen einer Infektion im Frühstadium.
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Myokarditis - die Herzmuskelentzündung
Als Myokarditis bezeichnet man eine Entzündung des Herzmuskels. Sie tritt am häufigsten als Komplikation von Virusinfekten auf; seltener ist sie durch Bakterien oder Parasiten bedingt. Typische, aber unspezifische Symptome der Myokarditis sind neben leichter Erschöpfbarkeit, Kurzatmigkeit und Schwächegefühl vor allem Missempfindungen des Herzens (Herzrasen, -stolpern, -klopfen, -schmerzen). Handelt es sich um eine virale Myokarditis, treten die genannten Symptome oft zusammen mit allgemeinen Symptomen der Virusinfektion (Halsschmerzen, Husten, Gliederschmerzen) auf.
->   Ursachen und Risiken der Herzmuskelentzündung
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Große Zahl unterschiedlicher Viren gefunden
Die Proben enthielten in unterschiedlicher Menge verschiedene Entzündungszellen und Entzündungs-Eiweiße. In 14 von 60 Fällen konnte der Pathologe Enteroviren nachweisen. In einigen Proben fanden sich sowohl Erbgut als auch umhüllende Eiweiße sogenannter Coxsackie-Viren, in acht weiteren Proben das Erbgut des Parvovirus B19.

Von Enteroviren der Coxsackie-Gruppe weiß man, dass sie Herzmuskelentzündungen und schwerste - mitunter tödliche - Herzrhythmusstörungen hervorrufen können.
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Enteroviren
Virusgruppe, deren Vertreter sich im Verdauungstrakt des Menschen vermehren. Sie gehören zu den Picornaviren und können verschiedene Infektionen hervorrufen. Zu den beim Menschen nachweisbaren Enteroviren gehören die ECHO-Viren, die u.a. die Ursache für fieberhafte Erkrankungen und Erkältungen sind, und die Coxsackie-Viren, die u.a. die Sommergrippe, Rachenentzündung, Hirnhautentzündung, Entzündungen des Herzmuskels, die Bornholm-Krankheit und das Hand-Fuß-Mund-Exanthem hervorrufen können. Auch das Poliomyelitis-Virus (Erreger der Kinderlähmung) wird über den Verdauungskanal übertragen (fäkal-orale Schmierinfektion) und gehört daher in die Gruppe der E. Der Mensch ist der einzige natürliche Wirt.
->   Mehr Informationen über die Enteroviren
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Der nächste Schritt
Bisher konnten die Spuren einer viralen Herzmuskelentzündung im Gewebe, erst zwei bis drei Tage nach der Infektion festgestellt werden. Da die Säuglinge aber im Frühstadium der Krankheit versterben konnten durch mikroskopische Gewebeuntersuchungen bisher keine krankhaften Veränderungen festgestellt werden.

Als Folge der Ergebnisse möchte Dettmeyer nach weiteren Virustypen im Herzgewebe der plötzlich verstorbenen Kleinkinder suchen. Außerdem soll Erbsubstanz der bisher gefundenen Viren bestimmt werden. So könnt festgestellt werden ob alle Herzmuskelentzündungen durch den gleichen Erreger hervorgerufen werden.
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Plötzlicher Kindstod
Unter dem plötzlichen Kindstod versteht man den plötzlichen und unvorhersehbaren Tod eines Kindes unter einem Jahr während des Schlafs. Dabei gibt es in der Regel keinerlei Vorwarnungen, da die Kinder aus völliger Gesundheit heraus versterben. Mittlerweile sind aber eine Reihe von Risikofaktoren, wie das Schlafen in Bauchlage, bekannt, bei deren Vermeidung das Risiko für das Kind verringert werden kann. Aufgrund von Vorsorge hat sich die Anzahl der am plötzlichen Kindstod verstorbenen Kleinkinder seit ca. 1990 bis zum Jahr 2000 etwa halbiert.
->   Plötzlicher Kindstod - Gefahren und Risiken
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Impfung gegen plötzlichen Kindstod?
Sollte nur ein Virus für das Auftreten der Herzmuskelentzündung verantwortlich sein, so könnte vielleicht eine Impfung das Risiko des plötzlichen Kindstods senken.

Nach Meinung der Wissenschaftler haben allerdings fast alle Kinder in den ersten Lebensjahren Kontakt mit derartigen Viren. "Warum einige daran sterben, andere aber kaum Symptome zeigen, ist noch unbekannt", so Dettmeyer. "Möglicherweise gibt es dafür aber genetische Gründe."
->   Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
->   Viren - Vorkommen, Arten, Schutz
->   Die Familie der Picornaviren
 
 
 
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01.01.2010