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Genetischer Schlüssel gegen Biowaffen  
  Seit den Terroranschlägen in den USA werden auch die Bedrohungspotenziale von Bio- und Chemiewaffen heftig diskutiert. Jetzt könnte es eine erste mögliche Gegenstrategie gegen einen der gefährlichsten Erreger geben: US-Forscher haben bei Mäusen ein Gen isoliert, das die Tiere gegen Milzbrand resistent machen könnte.  
Wissenschaftler des "Howard Hughes Medical Institute" in Maryland/USA untersuchen derzeit, wie der Prozess der Infektion mit dem gefährlichen Erreger des Milzbrandes manipuliert werden kann.

Dabei entdeckten sie ein Gen, das resistente Proteine gegen das Anthrax-Bakterium produziert. Das berichtet die Forschergruppe um William Dietrich in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Current Biology".
Suche nach Immunisierung
Die Wissenschaftler entdeckten, dass die Mäuse unterschiedliche Versionen eines Proteins besaßen, das für den Transport bestimmter Immunzellen verantwortlich ist.

Die verschiedenen Versionen des Proteins sind auch unterschiedlich erfolgreich beim Schutz dieser Immunzellen vor dem Gift des Milzbrand-Erregers.
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Milzbrand
... bakterielle Infektionskrankheit. Bacillus anthracis befällt v.a. Säugetiere und Menschen. Man kennt drei Formen: Ein bis drei Tage nach der Ansteckung entwickelt sich an der Eintrittstelle des Keimes eine Pustel, die unter Narbenbildung abheilt.

Durch Einatmen des Erregers entsteht der Lungenmilzbrand, der wie eine Lungenentzündung verläuft.

Beim Darmmilzbrand gelangt der Bazillus über die Nahrung in den Körper. Bei allen drei Formen kann sich die Infektion unbehandelt auf die Lymphbahnen ausbreiten und Fieber, Schwellung und eine brandige Verfärbung der Milz hervorrufen. Diese Milzbrandsepsis führt oft zum Tod. Behandlung mit Antibiotika ist nötig. Wegen der hohen Ansteckungsgefahr müssen die Erkrankten isoliert werden, die Krankheit ist meldepflichtig.
->   Mehr zu Milzbrand
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Lokalisierung des "zuständigen" Gen-Ortes
Daraufhin versuchten die Wissenschaftler den für die Produktion der "erfolgreichen" Protein-Versionen verantwortlichen Gen-Ort zu lokalisieren. In früheren Untersuchungen konnte bereits das Chromosom elf als mögliche Quelle dieser Proteine ausgemacht werden.

Jetzt entdeckten die Mediziner mittels DNA-Sequenzierung, dass ein Gen namens Kif1C auf dem Chromosom elf selbst in verschiedenen Versionen - bei Genen nennt man das Allele - vorliegt. Und sie konnten jene Gen-Allele identifizieren, die ein resistentes Protein gegen den Milzbrand-Erreger hervorbringen.
Gen-Allele
Ein Allel ist eine Zustandsform eines Gens, die phänotypische Unterschiede hervorruft, aber in homologen Chromosomen an homologen Orten lokalisiert ist. Verschiedene Allele eines Gens entstehen durch Mutation, also durch eine Änderung der vorliegenden Nukleinsäuresequenz der DNA.
Gefahr durch Genmanipulation
Gefährliche Krankheiten wie Milzbrand und Botulismus werden lange schon als mögliche Biowaffen gefürchtet. Wissenschaftler haben im Mai dieses Jahres in "Nature" auch davor gewarnt, dass pathogene Erregerstämme wie der Milzbrand- und der Botulismus-Erreger durch gentechnische Veränderung relativ leicht in tödlichen Biowaffen verwandelt werden könnten.
Ungewollt ein Killervirus geschaffen
Erst zu Beginn dieses Jahres erregte ein Fall ungewollte Aufmerksamkeit. Australische Forscher versuchten, durch gentechnische Veränderung an einem Mäusepockenvirus einen Impfstoff zur Empfängnisverhütung zu entwickeln.

Die Wirkung dieser Veränderung war verheerend. Das an sich harmlose Virus mutierte innerhalb kürzester Zeit zu einem Killervirus, das alle Mäuse tötete. Aus einem an und für sich harmlosen Virus wurde ein äußerst pathogener Erreger.
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Ein kleiner Schritt zum gefährlichen Killer
Anthrax, der Erreger des gefährlichen Milzbrandes, kann mittlerweile problemlos mit Antibiotika geheilt werden. "Mittels biotechnologischer Methoden kann das Anthrax-Bakterium aber relativ leicht in einen resistenten, tödlichen Erregerstamm verwandelt werden", erklärt der Biowaffen-Experte Alistair Hay von der Leeds University.
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Expertenstreit um Gefahrenpotenziale
In der Beurteilung möglicher Gefahrenpotenziale durch Biowaffen sind sich Experten allerdings uneinig. Manche von ihnen weisen darauf hin, dass Panik fehl am Platz sei.

Für den gezielten Einsatz von biologischen und chemischen Waffen durch Terroristen wäre ein erheblicher logistischer Aufwand erforderlich.
"Gewisse Hürden vorhanden"
"Solche Dinge kann man nicht in einer Badewanne oder Privatküche herstellen", erklärt Jean-Pascal Zanders vom Internationalen Friedensforschungsinstitut SIPRI in Stockholm. Falls Terroristen Anschläge mit Krankheitserregern verüben wollten, hätten sie diverse Hürden zu überwinden.

Zunächst müssten sie ein Labor einrichten und Chemiker oder Biologen anheuern. An die Krankheitserreger zu kommen sei nicht einfach, weil sie nirgends gehandelt würden. So werden
Pockenerreger laut WHO nur in den USA und Russland aufbewahrt - unter strengen Sicherheitsvorkehrungen.

Selbst wenn es gelänge, große Mengen eines Erregers herzustellen, wäre die Logistik für einen Anschlag kompliziert. Denn sie könnten nur mit einer Rakete zu ihrem Ziel gebracht werden, die wiederum in einer genau berechneten Höhe explodieren müsste.
->   Friedensforschungsinstitut SIPRI in Stockholm
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Pockenviren
große Gruppe der Viren, die viele Tierarten infizieren und bei Wirbeltieren verschiedene Pockenerkrankungen hervorrufen können. Die Übertragung erfolgt direkt über Tröpfchen- oder Schmierinfektion und indirekt über Kontakt mit infizierten Gegenständen.

Für den Menschen krankheitsverursachende Vertreter findet man unter den "echten" Pockenviren, zu denen das Variolavirus, das Vaccina-, das Affen- sowie das Kuhpockenvirus gehören, und unter den Parapoxviren, zu denen die Erreger der Schaf- oder Ziegenpocken gehören.
->   Mehr zu Pocken
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Nicht in falscher Sicherheit wiegen
Jetzt müssten die Regierungen sicherstellen, dass Terroristen keine Biowaffen herstellen können, sagt der Biowaffen-Experte Simon Whitby von der Universität Bradford. Außerdem müssten Rücklagen an Impfstoffen und Antibiotika gebildet werden.

Das Wichtigste jedoch sei eine Verstärkung der internationalen Kontrollen. Die bisherigen Vereinbarungen seien nichts weiter als ein "Gentleman's Agreement" aus der Zeit des Kalten Krieges, warnt Whitby. Ausgerechnet die USA hätten sich bisher gegen eine verstärkte Zusammenarbeit gesperrt.
->   Biowaffen: Neue Generation von Unheilbringern?
->   Originalartikel in "Current Biology" (Oktober 2, 2001: 11, 19; kostenpflichtig)
->   Howard Hughes Medical Institute
 
 
 
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01.01.2010