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Verkostung im Gen-Labor  
  Die Entstehungsgeschichte der klassischen Rebsorten gibt den Wissenschaftlern nach wie vor Rätsel auf. Mithilfe der Gentechnik sollen die Ursprünge des Kulturguts geklärt werden. Das Ziel: die Genom-Sequenzierung der Rebe.  
Genetischer Fingerabdruck der Reben
Der Genetiker und Rebenzüchter Ferdinand Regner vom Bundesamt für Wein- und Obstbau hat die DNA-Analysemethode für die Önologie, die Wissenschaft von Rebe und Wein, adaptiert und neu entwickelt.

Vor drei Jahren erstellte er gemeinsam mit einem Forschungsteam des Zentrums für Angewandte Genetik der Universität für Bodenkultur in Wien die so genannte "Mikrosatelliten-Analysemethode", anhand der man die Erbsubstanz analysieren und einen genetischen Fingerabdruck jeder einzelnen Sorte erzeugen kann.
->   Bundesamt für Wein- und Obstbau
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Ursprünglich zur Qualitätskontrolle gedacht
Den Ruhm der Pionierarbeit, die Regner ursprünglich als Qualitätskontrolle für importierte Unterlagen - Wurzelstöcke, denen beim Veredelungsprozess die Edelreben aufgepfropft werden - entwickelt hat, teilt sich der Klosterneuburger mit zwei weiteren internationalen Forschungsgruppen.
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Genetische Marker und Mikrosatelliten
Die Methode ist einfach, schnell und kostengünstig zugleich: Mittels genetischer Marker - jene Bereiche der Erbsubstanz, mit denen die Lage von Genen auf den Chromosomen bestimmt wird - wird ein genetischer Fingerabdruck für jede einzelne Sorte angefertigt.

Dafür werden im Erbgut der Rebe bestimmte Gen-Orte anhand so genannter Mikrosatelliten - verschieden lange Abschnitte auf den Chromosomen, die durch die unterschiedliche Anzahl von hintereinander geschalteten Basenpaaren entstehen - gekennzeichnet.
Identitätsrecherche mit Software-Programm
Die Umsetzung dieser genetischen Marker in einen individuellen Strichcode ermöglicht den Wissenschaftlern, die Reben mit standardisierten Daten von bereits erfassten Sorten zu vergleichen und nach Ähnlichkeiten im Erbgut zu suchen.

Mittels eines eigens dafür entwickelten Software-Programms kann anhand der Mikrosatelliten eine Identitätsrecherche durchgeführt werden. Dabei werden die Daten jener Sorten aufgelistet, die möglichst viele gemeinsame Gen-Orte mit dem Analyseobjekt aufweisen.
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Datenbank: Noch wartet die Mehrzahl der Rebsorten
Die von Regner erstellte Datenbank kann sich sehen lassen: Das Team hat bereits die genetischen Fingerabdrücke von mehr als 400 Rebsorten und 40 Unterlagsreben sowie einiger Wildreben - in der Fachsprache als "Vitis silvestris" bezeichnet - gespeichert. Auf den Genetiker wartet allerdings noch einiges an Arbeit: Weltweit sind mehr als 20.000 Rebsorten bekannt.
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Qualitätskontrolle früher mühsam
Die einfache und effektive Analysemethode hat weltweit großen Anklang gefunden. Bis vor wenigen Jahren wurden die Reben ausschließlich ampelografisch - sprich: an der Morphologie der Rebenpflanze - untersucht.

"Das heißt, man musste die Rebe erst anpflanzen, um herauszufinden, ob diese hält, was einem vom Rebenhändler versprochen worden ist", skizziert der Önologe Wilhelm Wunderer, Leiter des Instituts für Weinbau am Bundesamt für Wein- und Obstbau die Situation der Vergangenheit.
DNA-Analyse: einfacher Blick auf Abstammung
"Mit der DNA-Analysemethode lässt sich bereits mit einer kleinen Gewebeprobe aus dem Rebstock, der Wurzel oder dem Blatt die Sorte feststellen." Abgesehen von den praktischen Vorteilen für den Weinbau erweist sich die Methode auch als ideales Werkzeug für die wissenschaftliche Rekonstruktion der Genealogie europäischer Weine.

"Unsere klassischen Rebsorten, wie wir sie seit Jahrhunderten in den Weinbergen kultivieren, tragen allesamt die Geheimnisse ihrer Entstehungs- und Abstammungsgeschichte in der Erbsubstanz mit sich", philosophiert Regner.
Kartierung des Wein-Genoms
Um hinter derartige Geheimnisse zu blicken, hat sich Regner ein großes Ziel gesteckt: Die teilweise Sequenzierung und Kartierung des Reben-Genoms, also aller Erbinformationen, die in der Pflanze stecken.

"International hat man bisher zirka 350 Gen-Orte analysiert, die mit bestimmten Eigenschaften der Rebe in Verbindung gebracht werden konnten - ein Gen-Ort ist beispielsweise mit dem Merkmal der Pilzresistenz gekoppelt. Das Genom besteht allerdings aus 19 Chromosomen und zirka 5.000 Genen", erklärt Regner.

Ziel ist es, einen Einblick in die Mechanismen der Vererbung von Eigenschaften zu bekommen, um damit beispielsweise wichtige Informationen für Züchtungsforschung zu erhalten.
Weinbauer hilft mit
Neue Impulse für die Erstellung einer Weingenealogie bringt die Liebhaberei eines niederösterreichischen Weinbauern: Franz Leth senior ist leidenschaftlicher Sammler alter und unbekannter Rebsorten. Der 64-jährige Besitzer eines Weinguts in Fels am Wagram hat es sich vor zehn Jahren zur Aufgabe gemacht, den Wein als Kulturgut in seiner Vielfältigkeit zu erhalten.
->   Weingut Leth
Aufgespürt in Hinterhöfen, aufgelassenen Weingärten und -kellern hat Leth senior in der Zwischenzeit bereits mehr als 200 Sorten aus dem In- und Ausland zusammengetragen, die zum Teil mehrere hundert Jahre alt sind.

Der Genetiker Regner und sein Forschungsteam können Rebenmaterial aus den Weingärten holen und für ihre Analysen verwenden. Familie Leth unterstützt damit wesentlich die Forschungen zum Verständnis um die Entstehungsgeschichte der Rebsorten und zum Erhalt des Kulturguts.

Eva-Maria Gruber, Universum Magazin
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Lesen Sie mehr dazu in der Oktober-Ausgabe des Universum Magazins.
->   Universum Magazin
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01.01.2010