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Schönheit im Wandel der Geschichte  
  Worin liegt die Schönheit menschlicher Körper? Gegen soziobiologische Thesen, wonach sie vor allem der "sexuellen Auslese", also der Bevorzugung schöner Menschen bei der Partnerwahl dient, wendet sich ein neues Buch. Es untersucht die gesellschaftlichen Prozesse, die vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart zu unterschiedlichen Vorstellungen von schönen Körpern geführt haben.  
Der Soziologe Otto Penz geht in dem Buch "Metamorphosen der Schönheit" dieser Kulturgeschichte moderner Körperlichkeit nach.

Seine generelle These: Soziokulturelle und -politische Prozesse, vorangetrieben etwa durch die Frauen-, Arbeiter- oder Reformbewegung, schreiben sich in die Körper ein - und führen somit zu unterschiedlichen Idealen von Schönheit.
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Das Buch und seine Präsentation
Otto Penz: Metamorphosen der Schönheit. Zur Kulturgeschichte moderner Körperlichkeit.
Wien: Turia + Kant 2001, 254 Seiten
Am 3. Oktober, 20 Uhr, findet die Präsentation des Buches statt. Ort: Westlicht, Westbahnstraße 40, 1070 Wien.
->   Verlag Turia + Kant
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Entwicklung zu "subjektivistischer Kultur"

"Selbstbildnis mit Gattin", Max Slevogt, 1904
Blieben Körper bis dahin noch unter den sittenstrengen, mehr oder minder uniformierenden Gewändern "versteckt", so setzte am Ende des 19. Jahrhunderts ein Wandel ein.

Vom Einzug des Spiegels in die bürgerlichen Badezimmer über die Massenproduktion von Kleidung, die zu erschwinglicheren Preisen führte und von der Werbung dementsprechend angepriesen wurde, bis zur "Naturisten-Bewegung" waren eine Reihe von Faktoren wichtig, die zu einer "subjektivistischen Kultur" führen sollten.
Individualisierung ab 1960er Jahren

Tattoo Convention, Malmö 2001
Dennoch, so Penz, herrschte auch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein relativ einheitliches Bild von attraktiven Männern und schönen Frauen vor, das erst durch die gesellschaftlichen Individualisierungsprozesse ab den 1960er Jahren abgelöst wurde.

War die Pflege der Schönheit traditionell eine Domäne der Frau, die dem männlichen Blick weit mehr ausgesetzt war als umgekehrt, so begann zu diesem Zeitpunkt auch eine Art "Aufholprozess" des Mannes.
Erfolg der Emanzipationsbewegung
Die steigende Bedeutung körperlicher Attribute verweise, so Penz, einerseits auf "die Entwertung herkömmlicher Elemente der männlichen Anziehungskraft wie Berufsprestige, Einkommen oder sozialer Status" und andererseits auf "die wachsende Autonomie der Frau oder eine zunehmende Egalität der Geschlechter resp. auf den Erfolg der Emanzipationsbewegung".
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Bilder dokumentieren Wandel
Eine Reihe von Bildern unterstreicht den gesellschaftlichen Wandel "körperlicher Schönheit". Vom Gemälde "Selbstbildnis mit Gattin" von Max Slevogt aus dem Jahre 1904, das eine Frau zeigt, deren Körper durch bodenlangem Rock und hochgeschlossenem Oberteil verborgen bleibt, bis zu zeitgenössischen Körperinszenierungen auf Tattoo-Messen, wo Körperschmuck selbstbewusst zur Schau gestellt wird, reicht die Palette der Abbildungen (siehe Bilder rechts oben).
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Medien beschleunigen Änderungen
Eine wichtige Rolle im Diskurs um die Schönheit spielen auch die visuellen Medien. Fotografie, Film oder TV "schaffen eine Schönheitsatmosphäre, der man sich immer weniger entziehen kann".

Nach Ansicht von Penz beschleunigen sie die soziokulturellen Entwicklungen und somit auch den Wandel des Schönheitsbegriffs.

Lukas Wieselberg, science.orf.at
 
 
 
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01.01.2010