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Waren Tschernobyl-Opfer Versuchskaninchen?  
  Robert Peter Gale war an vorderster Front als es darum ging, den Opfern des Reaktorunfalls von Tschernobyl zu helfen. Schon kurz nach der Katastrophe war der amerikanische Arzt und Strahlenexperte vor Ort - im Handgepäck ein Medikament, das zuvor noch nie an Menschen verabreicht worden war.  
"Was wir bisher in der Öffentlichkeit nicht breit getreten haben ist, dass wir den Menschen nach Knochenmark-Transplantation gentechnologisch hergestellte Wachstums-faktoren gegeben haben - Hormone, die erstmals an den Tschernobylopfern eingesetzt wurden, "sagt Gale.
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Robert Peter Gale
gehört zu den führenden Wissenschaftlern auf dem Gebiet der Knochenmarkerkrankungen und Leukämieforschung. Erhat über 700 wissenschaftliche Artikel und 20 Bücher veröffentlicht. Die meisten seiner Veröffentlichungen befassen sich mit der Leukämiebehandlung, Krebsimmunologie und den biologischen Auswirkungen von Strahlung. Er wurde für seine Arbeiten von mehreren wissenschaftlichen Instituten bereits ausgezeichnet, darunter die Wissenschaftliche Akademie New York und das Weizman Institut. Er ist aber auch für seine humanitäre Einsätze bekannt. Unter anderem wurde er 1986 von der sowjetischen Regierung gebeten, die medizinische Versorgung der Tschernobyl - Opfer zu koordinieren.
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Verträglichkeit ungewiss
Diese von Gale und seinen Kollegen gentechnisch hergestellten Proteine, die zur Regenerierung des Knochenmarks nach Strahlenschädigung beitragen sollten, waren zuvor nur in verschiedenen Tierversuchen bis hin zu Affen getestet worden.

Allerdings nie am Menschen - nicht einmal hinsichtlich ihrer Verträglichkeit.
Ohne offizielle Erlaubnis
"Wir ersuchten die sowjetische Regierung, diese Substanz den Strahlen-Opfern geben zu dürfen. Und die sagten uns, ihr könnt es machen - nur wir wissen nichts davon. So haben wir diese Wachstumshormone in der Aktentasche eines Schweizer Geschäftsmannes in die damalige Sowjetunion geschmuggelt," erzählt der Mediziner.
Selbstversuch mit Nebenwirkungen
Als die gentechnisch hergestellten Wachstumshormone einmal in der Ukraine waren - testeten Robert Peter Gale und ein sowjetischer Kollege die Substanz an sich selbst: mit spürbaren Nebenwirkungen.

Symptome, die den Verdacht auf Herzinfarkt aufkommen ließen, brachten den sowjetischen Kollegen vorrübergehend ins Spital. Aber die Symptome gaben sich wieder und man setzte die Wachstumshormone an den Strahlenopfern ein.
Mittlerweile anerkannte Therapie
Wenn diese Therapieform heute auch in den USA angewandt werde, so ändere sich dadurch zwar nichts daran, dass das Vorgehen gesetzlich nicht gedeckt war, doch der Erfolg - so Robert Peter Gale - habe ihm Recht gegeben. Für ihn sei Tschernobyl auch nicht die Katastrophe, als die sie gerne hingestellt werde.

Eveline Schütz,Ö1-Wissenschaft
 
 
 
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01.01.2010