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Kulturfaktor Klima  
  Immer wieder berichten Archäologen vom plötzlichen Verschwinden alter Kulturen. Mehr und mehr wird in diesem Zusammenhang der Einfluss klimatischer Faktoren auf Kulturen diskutiert. Jetzt entdeckten amerikanische Forscher direkte Zusammenhänge zwischen Klimaveränderungen und kulturellem Wandel bei prähistorischen Kulturen Amerikas.  
Mittels Analysen der Mineralzusammensetzung von Stalagmiten in mehreren Höhlen New Mexicos untersuchten Victor Polyak und Yemane Asmeron von der University of New Mexico Klimaveränderungen im Südwesten der heutigen USA in den letzten 4.000 Jahren.

Dabei entdeckten die Forscher, dass sich abwechselnde feuchte und trockene Klimaperioden zur Steuerung großer kultureller Veränderungen beigetragen haben, wie sie in der aktuellen Ausgabe von "Science" berichten.
Originalartikel in "Science" (Band 294, Nummer 5.540, 5.10.2001, S. 148-151, kostenpflichtig) unter "Late Holocene Climate and Cultural Changes in the Southwestern United States"
->   Originalartikel in "Science"
Direkte Zusammenhänge
Landwirtschaftliche Entwicklungen wie die Einführung von Getreidesorten und Baumwolle im Südwesten der heutigen USA, das Auftauchen keramischer Erzeugnisse genauso wie das plötzliche Verschwinden bekannter Felsensiedlungen hängen laut den Wissenschaftlern direkt mit klimatischen Veränderungen zusammen.
Aufzeichnung der Niederschlagsmengen
Polyak und Asmeron untersuchten die mineralische Zusammensetzungen von Stalagmiten von zwei Höhlen in den "Guadalupe Mountains" von New Mexico.

Mittels einer speziellen Datierungsmethode und der Dicke der Kalziumkarbonat-Schichten, die sich an die Stalagmiten anlagern, konnten sie die Niederschlagsmengen der Region bis zu 4.000 Jahre in die Vergangenheit zurückverfolgen.

Dickere Ablagerungsschichten bedeuteten feuchtere Jahre und höhere Niederschlagsmengen.
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Stalagmiten
Stalagmiten sind Tropfsteine, die im Gegensatz zu Stalaktiten vom Boden nach oben wachsen. Sie haben eine meist rundliche Form und eine etwa gleich bleibende Dicke. In der Regel sind sie oben abgeflacht. Typisch ist eine periodische Verdickung, meist oben abgeflacht und nach unten auslaufend.

Tropfsteine werden durch kalkhältiges Tropfwasser gebildet. Wenn der Tropfen am Boden auftrifft, zerspritzt er in viele kleine Tropfen, die sich auf eine Kreisfläche verteilen. Der Radius dieser Fläche ist abhängig von der Höhe des Falls. Der Durchmesser des Stalagmiten wiederum hängt von diesem Durchmesser ab. Er ist aber auch von der Wassermenge abhängig, sodass sich in der Dicke des Stalagmiten auch eine unterschiedliche Versorgung mit Wasser widerspiegelt.
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Tropfen für Tropfen
"Wenn das Wasser von der Oberfläche in den Boden und schließlich in tieferen Schichten und Höhlen sickert, bekommt man eine Tropfen-für-Tropfen-Ablagerung von Kalziumkarbonat", erklärt Polyak in einem Interview gegenüber der Agentur Reuters.

In einem nächsten Schritt verglichen die Wissenschaftler ihre Daten mit den archäologischen Aufzeichnungen für die Region.

Dabei fanden sie heraus, dass eine Änderung in der Dicke der Kalziumkarbonat-Ablagerungen an den Stalagmiten mit Veränderungen in der Kulturgeschichte der Region direkt einherging.
Die archäologischen Spuren
Im Südwesten der heutigen USA lebten vor mehren tausend Jahren die Vorläufer der späteren Pueblo-Indianer, unter anderem das Volk der Anasazi, Erbauer einer der berühmtesten archäologischen Stätten in den USA: Mesa Verde.

Diese Vorpueblo-Kulturen wandelten sich zwischen 2000 v. Chr. und 1000 v.Chr. von einer nomadenhaften Jäger-Sammler-Kultur zu einer sesshaften, landwirtschaftlich ausgerichteten Kultur.

Laut Polyak korreliert dieser kulturelle Wandel direkt mit klimatischen Veränderungen in dieser Region. Die Analyse ergab eine Etablierung des Getreideanbaus zu einer Zeit, als das Klima feuchter wurde, also vor ca. 3.000 Jahren.
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Die prähistorischen Kulturen im Südwesten Nordamerikas
Im Südwesten Nordamerikas fand man etliche Überreste längst vergangener Kulturen. Da sie verschiedene Spuren wie Keramik, Schmuck, Haushaltsabfälle und Nahrungsreste hinterlassen haben, ist es möglich ein Bild jener Kulturen nachzuzeichnen. Viele Gegenstände aus Holz, Leder, Stoff und Federn konnten sich im trockenen Klima erhalten. Es gab drei Haupt- und zwei Nebentraditionen, die sich zur Zeit ihrer größten Ausdehnung über Arizona, New Mexico, Utah, Colorado, Kalifornien und Nevada erstreckten.

Die drei Haupttraditionen sind die Hohokam, Mogollon und Anasazi. Die Pueblos und Klippenhäuser der Anasazi sind archäologisch am bekanntesten. Die Kulturen der Mogollon, Hohokam und Anasazi brachen irgendwann zwischen 1200 und 1450 zusammen.
->   Mehr zur Anasazi-Kultur
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Die ersten Keramiken
Dünnere Kalziumkarbonat-Ablagerungen an den Stalagmiten deuteten wiederum auf eine Trockenperiode in der Zeit um 300 v. Chr. hin. Das fiel interessanterweise genau mit dem Auftauchen der ersten Keramiken, die die bis dahin verwendeten traditionellen Bastkörben ersetzten, und der Baumwolle zusammen.

Eine weitere Koinzidenz zwischen klimatischen Änderungen und kulturellem Wandel fanden Polyak und Asmeron in der Zeit zwischen 750 und 900 n. Chr. Für diesen Zeitraum stellten Archäologen ein deutliches Bevölkerungswachstum fest.

Während dieser Zeit wechselten die Bewohner jener Regionen von tiefer gelegenen, in den Boden gegrabenen Behausungen zu den später berühmt gewordenen höher gelegenen Felsensiedlungen wie Mesa Verde.

 


Darstellung einer "Cliff-dwelling", einer jener Felsensiedlungen
Neuverteilung
Eine Neuverteilung der Bevölkerung in jenen Regionen fand dann in einer trockeneren Klimaperiode statt, die um 900 n. Chr. begann und eher feucht um 1.100 n. Chr. endete, um 50 Jahre später wieder trocken zu werden.

Zu dieser Zeit begannen die Menschen in die offenen Täler zu ziehen und große, komplexe Gebäudestrukturen zu bauen, die man später Pueblos nannte.

Der Beginn einer längeren Trockenperiode um 1330 n. Chr. fiel mit dem Verlassen der Felsensiedlungen wie Mesa Verde zusammen. Die dort ansässige Population wanderte in die feuchteren Flusstäler ab.
Kleinste Veränderungen hatten Auswirkungen
"Sogar während der feuchtesten Klimaperioden war das Gesamtklima der Region immer noch ein eher trockenes. Trotzdem hatten selbst kleinste Veränderungen in den Niederschlagsmengen Einfluss auf die lokalen Kulturen", beschreibt Polyak.

In Zukunft sollte man laut den Forschern der University of New Mexico klimatischen Einflüssen auf kulturelle Phänomene mehr Beachtung schenken.
->   Vom Regen hinweggespült
->   Department of Earth and Planetary Sciences, University of New Mexico
 
 
 
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01.01.2010