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Ötzi: Sprachgeschichte im Zeitraffer  
  Die über 5.300 Jahre alte Eismumie aus den Ötztaler Alpen hat bereits mehr als 500 verschiedene Namen. Dies belegen Forschungen, die von einem "Musterbeispiel für Sprachgeschichte im Zeitraffer" sprechen.  
"Ötzi" von Journalisten erfunden
Die Germanistin Lorelies Ortner untersuchte im Rahmen einer mehrjährigen Forschungsarbeit exemplarisch über 7.700 Textstellen aus Zeitungen und Zeitschriften nach den Benennungen für die Eisleiche.

Auf dem Weg vom Gletscher in die Zeitungsspalte sei der Siegeszug des Wortes "Ötzi" am auffälligsten. Erstmals sei dieser Kosename sieben Tage nach dem Fund aufgetaucht. Erfunden hat diese Bezeichnung nach den Angaben Ortners der Journalist Karl Wendl.
Eisleiche verlor Leichenhaftigkeit
Bereits ein Jahr später wurde "in jeder vierten Textstelle auf den Mann im Eis mit dem Namen 'Ötzi' referiert", betonte die Wissenschafterin. "Leiche", "Toter", "Leichnam" und "sterbliche Überreste" tauchten immer seltener auf.

"Liebevoll als Ötzi bezeichnet, verlor die am Innsbrucker Gerichtsmedizinischen Institut als 'Nr. 619/91' geführte, bei der Staatsanwaltschaft unter 'Strafverfahren gegen unbekannter Täter' eingeordnete und im juristischen Jargon unter dem klingenden Namen 'Leichensache Hauslabjoch' bekannte Eisleiche ihre Leichenhaftigkeit und wurde medienwirksam wiederbelebt", erklärte Ortner im APA-Gespräch.
Mediengerechte Wortbildungen
Dass der Prozess der posthumen Wiederbelebung in der Presse erfolgreich gelungen sei, davon zeuge die Verdrängung der "Leichenwörter" in den Hintergrund der Medienlandschaft. Das griffige Kurzwort "Ötzi" sei auch - mehr noch als "Eismann" - prädestiniert für mediengerechte Wortbildungen, von "Ötzi-Sponsoring" oder "Ötzologie", für metaphorische Verwendungen, etwa wenn ein Keltenskelett als "Kärntner Ötzi" charakterisiert werde, sowie für den Export in andere Sprachen.
Erfolglose andere Namensgebungen
Eine Unzahl anderer Namen hat sich laut Ortner nicht durchgesetzt: Der Vereiste, der Uralt-Tote, unser Uri oder Alpenluis.

"Der erstaunlich hohe Anteil von Einmalbelegen zeigt das hohe Kreativitätspotential, das die Meldungen über den Mann im Eis aktivieren", erklärte die Forscherin.
->   Ötzi im Südtiroler Archäologiemuseum
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01.01.2010