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Gewebezüchtung: Therapie der Zukunft?  
  Das berühmte Bild einer Maus, auf deren Rücken ein Ohr wächst, hat einen neuen Zweig der Wissenschaft in die Diskussion gebracht: Das so genannte "Tissue Engineering", das Herstellen künstlichen Gewebes mit Hilfe von menschlichen Zellen.  
Bild: APA
Die Gewebezüchtung ist nach Meinung von Experten eine der aussichtsreichsten Therapien der Zukunft. "Die neue Technologie bietet ein großes Potenzial, Millionen von Menschen, die von Gewebe- und Organschäden betroffen sind, zu helfen", sagte Heiko von der Leyen von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) am Rande einer internationalen Tagung auf der "Biotechnica 2001", die am Donnerstag in Hannover zu Ende ging.
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Tissue Engineering
Tissue Engineering bedeutet die Züchtung von lebendem menschlichem Gewebe im Labor. Lebende, gesunde Zellen werden dem Körper entnommen, in hoch spezialisierten Labors durch natürliche Teilungsprozesse vermehrt und anschließend dem Patienten wieder transplantiert. Dabei kommen komplett lebende Gewebeersatzmaterialien, bestehend aus patienteneigenen Gewebe-bildenden Zellen und einer für die Zellen vitalen Gerüstsubstanz (Matrix) zum Einsatz.
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Ersetzen von zerstörten Venenklappen
Leyen und der Herzspezialist Axel Haverich wollen zerstörte Venenklappen, die zu Krampfadern führen, durch Spezialimplantate ersetzen.

Dazu wird das Gerüst der Venenklappe eines Schafes mit den körpereigenen Zellen des Patienten besiedelt. "Durch die Verwendung solcher Zellen kann die Gefahr der Abstoßung minimiert werden", sagte von der Leyen.
Keine Medikamente zur Unterdrückung des Immunsystems
Außerdem müsse der Patient - anders als beim Einpflanzen von fremdem Gewebe - keine Medikamente mehr einnehmen, die das Immunsystem unterdrücken.
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Erste Versuche am Menschen 2002?
Die Spezialimplantate werden in Tierversuchen getestet. Möglicherweise können die ersten Versuche Ende 2002 am Menschen beginnen.
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"Natürliche" Knorpel, Knochen, Haut ...
Bereits jetzt ist es Wissenschaftlern möglich, Knorpel, Knochen, Haut, Herzmuskelgewebe und Blutgefäße herzustellen. "Künstlich hergestellte Haut können sie bereits kaufen", sagt Günter Maass von der MHH, ehemaliger Leiter der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) in Braunschweig.
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Beispiel: Von der Fett- zur Knorpelzelle
Wissenschaftlern ist es z.B. gelungen, aus menschlichen Fettzellen Knorpelgewebe zu züchten. Die Wissenschaftler verwendeten Material, das aus der Fettabsaugung verschiedener Menschen gewonnen wurde. Nach der Behandlung mit einer Reihe von Enzymen wurden Stromazellen des Fetts isoliert. Diese Zellen wurden in dreidimensionale Tropfen infundiert und mit dem biochemischen Cocktail behandelt. Nach zwei Wochen des Wachstums verhielten sich die behandelten Zellen wie normale Chondrozyten und sahen auch so aus.
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Hilfe bei Brandverletzungen
Besonders Brandverletzten könne so effektiv geholfen werden. Auch bei abgenutzten Kniegelenken gebe es schon gute Heilungschancen.

Dabei werde den Patienten gesunde Knorpelmasse entnommen. Diese wird außerhalb des Körpers vermehrt, das kranke Gewebe entfernt und das gesunde eingepflanzt.
Ziel: Züchtung von kompletten Organen
Mittel- und langfristig wollen die Mediziner mit "Tissue
Engineering" komplex aufgebaute Gewebe züchten bis hin zu kompletten Organen.

"Künstlich hergestellte Herzklappen für Kinder könnten zum Beispiel mitwachsen und würden den Kindern ständige Operationen ersparen", sagte Maass.
"Bio-Reaktoren" als Brutkasten
Augustinus Bader von der Universität Tübingen, der die erste Professur für "Tissue Engineering" in Deutschland inne hat, arbeitet mit so genannten Bio-Reaktoren, in denen komplexe Zellstrukturen wie in einem Brutkasten wachsen.

"Vielleicht ist es uns so eines Tages möglich, eine künstliche Leber oder regenerierende Herzklappen herzustellen", sagte der Mediziner.
Zusammenarbeit verschiedenster Fachbereiche
Damit die Gewebezüchtung funktioniert, müssen verschiedene Fachbereiche wie Zellbiologen, Genetiker, Biochemiker und Ingenieure zusammenarbeiten.

Bader kritisiert allerdings die fehlenden Möglichkeiten für Nachwuchswissenschaftler in Deutschland, an solchen Projekten mitzuarbeiten.
"Keine Alternative zum Tissue Engineering"
Er forderte die Politik auf, verbesserte Strukturen für Wissenschaftler in diesem Bereich zu schaffen. "Im Moment gibt es keine Alternative zum Tissue Engineering."

(Carola Große-Wilde, dpa)
Artikel zum Thema in science.orf.at:
->   Gezüchtetes Fingergelenk eingesetzt
 
 
 
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01.01.2010