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Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Gesellschaft .  Leben 
 
Embryonenschutz: Ethische Dilemmata, juristische Fragen  
  Ethische und juristische Aspekte sowie die Fragen nach der Menschenwürde und dem Beginn des menschlichen Lebens wurden zum Auftakt des zweitägigen Ö1-Symposions "Embryonenschutz - Hemmschuh für die Biomedizin?" behandelt.  
Ethikdiskussion - überfällig und im Dilemma?
Während der Theologe und Mitglied der österreichischen Bioethik-Kommission Ulrich Körtner bemängelte, dass die bio-ethische Frage in Österreich im Vergleich zu anderen Ländern verspätet eingesetzt habe, sprach der Philosoph Günther Pöltner von einem generellen Dilemma der Ethik in dieser Frage.
->   Körtner: Plädoyer für eine seriöse Debatte
Sie werde zum einen überschätzt und zum anderen unterschätzt, so Pöltner. Überschätzt werde die Ethik, da sie die Lösung für alle in Zusammenhang mit dem Fortschritt der Biotechnologie auftretende Probleme bieten soll. Unterschätzt werde sie, indem ihr Wirkungslosigkeit vorgeworfen werde.
Ethos und Ethik - ein gewichtiger Unterschied
Der Philosoph verwies in diesem Zusammenhang auf die nötige Differenzierung zwischen Ethos, der gelebten Sittenüberzeugung, und Ethik als der Wissenschaft vom Ethos.

Ethik könne helfen, auftretende Probleme zu erkennen, Methoden bereitzustellen etc., aber die Verantwortung für Andere könne sie sicherlich nicht übernehmen, argumentierte Pöltner.
->   Mehr über Günther Pöltner
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Ö1-Symposion: "Embryonenschutz - Hemmschuh für die Biomedizin?"
Ort: ORF/Funkhaus/Studio 3. Argentinierstraße 30a, 1040 Wien
Zeit: Donnerstag, 11. und Freitag, 12. Oktober 2001, jeweils ab 16.00 Uhr, Eintritt frei
Veranstalter: Ö1, Hauptabteilung Wissenschaft, Bildung, Gesellschaft und das Institut für Ethik und Recht in der Medizin, Universität Wien in Kooperation mit der Österreichischen Ärztekammer und das Zentrum für Medizin.
Auskünfte:
Ö1 Servicenummer: (01) 501 70 371
e-mail: symposien@orf.at
->   Programm und Teilnehmende des Symposions
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Embryonenschutz - eine private Angelegenheit?
Die Frage des Embryonenschutzes ist jedoch nicht eine ausschließlich moralische, zumal sie mit der Berufung auf die Menschenwürde auch den rechtspolitischen Raum berührt.

In diesem Zusammenhang plädierte der Philosoph Franz Josef Wetz für die Auslagerung der Frage nach der Wesenswürde des Embryos aus dem öffentlichen Recht. Da diese Frage, eine strittige, weltanschauliche ist, in der sich ein Staat, der sich zur Religionsfreiheit bekenne, seiner Stimme enthalten sollte, so Wetz.
Würde ist in die Privatsphäre zu verlagern
Ausgehend von der modernen Trennung zwischen Privatem und Öffentlichem, sei die Frage nach der Würde als Wesensmerkmal in die Privatsphäre zu verlegen: Der Einzelne sollte seine Vorstellungen darüber nicht seinen Nachbarn, der Staat nicht seinen Bürgern, die Weltgemeinschaft nicht ihren Mitgliedstaaten aufzwingen wollen.
->   Franz Josef Wetz: Haben Embryonen Würde?
Gegen eine Trennung von Moral und Recht
Dass eine Trennung von Moral und Recht nicht vorhanden sei, argumentierte der Rechtstheoretiker und -philosoph Gerhard Luf.

Demnach sei im juristischen Gehalt das sittliche Prinzip mit dem rechtlichen vereinbart, in Beiden fände sich ein Bezug auf Recht und Moral, so Luf.
Mindeststandards künftig notwendig
Angesichts des vorherrschenden Pluralismus müsse sich die Gesellschaft auf einen Mindestkonsens über Standards, also eine juristische Position, einigen.

Dabei gehe es nicht um den kleinsten gemeinsamen Nenner, sondern um die Einigung auf einer höheren Abstraktionsstufe, eben die Menschenwürde als Grundlage des Embryonenschutzes.
Wann beginnt das menschliche Leben?
Die Frage nach dem Beginn des menschlichen Lebens stellt für den Mediziner Franz Wachtler eine Gleichung mit zwei Unbekannten dar. Da es vom Kontext abhängt, wann vom Beginn und wann vom Leben gesprochen werden kann, ist diese Frage somit entsprechend der vorliegenden Umstände, Anschauungen und Positionierungen entscheidbar.

Wenn es um die Voraussetzungen menschlichen Lebens geht, spricht Wachtler von einem Programm der "menschlichen Entwicklung", das in einem bestimmten Zellstadium gestartet wird.
Programmierung statt Beginn des Lebens?
Voraussetzung neuen menschlichen Lebens sei die Verschmelzung von Ei- und Samenzelle. Dadurch werde in der so entstandenen Zelle, der Zygote - in der sich mütterliches wie väterliches Erbmaterial befinde - das Programm "menschlicher Entwicklung" gestartet. Das sage jedoch noch nichts über den Beginn des Lebens aus, betonte Wachtler.
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Das Programm "menschlicher Entwicklung"
Die Zygote teilt sich mehrmals, wodurch ein kugelrundes Gebilde entsteht. Alle diese Vorgänge finden noch im Eileiter statt, ohne eine "direkte Verbindung zur Mutter". Etwa eine Woche nach der Befruchtung gelangt das Embryo in den Hohlraum der Gebärmutter und nimmt dort einen geweblichen Kontakt auf.

Die folgenden vier bis fünf Wochen sind von rapidem Wachstum und mehrfachen dramatischen Änderungen der Körperform geprägt. Zu Beginn der Entwicklung ist das Embryo kugelförmig, dann entwickelt es sich zu einer kreisrunden Scheibe, danach zu einem länglichen Gebilde und schließlich - nach etwa sechs Wochen - nimmt es seine definitive Form an, und ist ungefähr fünf Millimeter groß.
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Potenzialität berechtige noch keine Existenz
Eine klare Positionierung zu diesem Thema bezieht Wetz: Embryonen mögen potenzielle Personen sein, nur sage die Potenzialität für sich genommen noch nichts über Existenzberechtigung aus.

Erst wenn der Mensch als solcher aufgrund seiner Gottesebenbildlichkeit oder Vernunftfähigkeit eine Wesenwürde besitze, könne auch der Anlage hierzu eine besondere Würde zuerkannt werden. Ob der Embryo allerdings eine solche habe, bleibe eine metaphysisch-weltanschauliche und somit private Frage.
Existenzberechtigung durch Entwicklung?
Dem widerspricht Gerhard Luf mit seiner Argumentation von der Entwicklung des Menschen.

Denn der Mensch entwickle sich nicht zum Menschen, was im Einklang mit der These von der Potenzialität des Menschen stünde, sondern als Mensch. Deshalb sei auch die Frage des Embryonenschutzes jene der Menschenwürde, so Luf.

Agnieszka Dzierzbicka, science.orf.at
->   Mehr zum rechtlichen Aspekt des Embryonenschutzes
 
 
 
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01.01.2010