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Die Bedeutung 'atmosphärischer Geister'  
  Vor über zehn Jahren filmte ein Space Shuttle geisterhafte Erscheinungen in den oberen Schichten der Atmosphäre, so genannte "Sprites". Das früher schon mehrfach beobachtete Leucht-Phänomen scheint nach neuen Erkenntnissen eine wesentliche Rolle im globalen Atmosphären-Haushalt zu spielen, angefangen bei der der Produktion von Ozon in höheren Schichten bis zur Bindung des lebenswichtigen Stickstoffs.  
Dies erklären Victor Pasko und Kollegen von der Penn State University, USA, in der aktuellen Ausgabe der 'Geophysical Research Letters'.

Sprites regulieren möglicherweise den 300.000 Volt großen Spannungsunterschied zwischen der Erdoberfläche und höheren Schichten der Atmosphäre wie der Ionosphäre.

Das neue Modell der US-Wissenschaftler zeigt, dass die Reichweite und Energie und damit auch die Bedeutung jener Sprites bisher unterschätzt wurde.
->   Artikel in den 'Geophysical Research Letters'
(28, 3821-3824, 2001; kostenpflichtig)
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Was sind 'Sprites'?
Sprites sind Leuchterscheinungen, die oberhalb von Gewitterzellen auftreten, eine Höhe von 100 km erreichen können und mit Blitzen unterhalb der Gewitterzelle in Zusammenhang stehen. Ein Sprite kann bis zu 10.000 km3 Volumen haben. Sprites wurden erstmals 1989 vom Space Shuttle aufgezeichnet. Es gab aber schon vorher Berichte von Piloten über seltsame Leuchterscheinungen, die sich bis in die Ionosphäre erstrecken. Sprites kann man auch vom Boden aus beobachten, am besten wenn sich ein Gewitter in 200 km Entfernung befindet. Sie haben dann eine Höhe von 10-20 Grad über dem Horizont. Voraussetzung ist, dass der Himmel klar und dunkel ist. Mit Glück kann man dann für Sekundenbruchteile ein Aufleuchten sehen, das etwa die Helligkeit von Polarlichtern hat.
->   Bilder und Hintergrund zu 'Sprites'
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Neues 3-D-Computermodell
"Das jetzt vorgestellte 3-D-Computermodell dieser fließenden Entladungen sieht vor, dass sich Sprites von der Ionosphäre bis zu den obersten Wolkenschichten erstrecken", erklärt Victor Pasko.

Paskos Team kreierte im Labor einen 'synthetischen' Sprite-Zustand und skalierte diesen anschließend in seinen Dimensionen und seinem Verhalten auf die Größe eines kompletten Sprites in einem Computermodell.

"Die daraus resultierenden Simulationen stimmen sehr gut mit den selten beobachteten Sprite-Phänomenen überein", so Pasko.

 
Bild: University of Alaska, Fairbanks

Die Darstellung zeigt einen rotleuchtenden Sprite in ungefähr 80 km Höhe.
Wichtige Rolle in Atmosphären-Chemie
Sollten sich die Ergebnisse der Wissenschaftler um Pasko weiter bestätigen, und Sprites bis in wesentlich tiefere Atmosphären-Schichten als bislang angenommen wirken, dann käme ihnen eine neue Bedeutung im chemischen Kreislauf der Atmosphäre zu.

In den tieferen Schichten der Atmosphäre ist die Luft stärker mit Gasen wie Stickstoff oder Sauerstoff angereichert. Sprites spielen eventuell eine wichtige Rolle in der Bindung von lebenswichtigem Stickstoff oder in der Produktion von Ozon in hohen Schichten der Atmosphäre, betont Pasko.
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Ionosphäre ...
die oberen Schichten der Atmosphäre (etwa oberhalb von 85 km), in denen durch Ultraviolett- und Höhenstrahlen die Gase z. T. ionisiert sind. Man unterscheidet die D-Schicht (etwa in 85 km Höhe), die E- oder Kennelly-Heaviside-Schicht (in 96-144 km Höhe) sowie die F1- und F2-Schicht (in 160-250 und 250-400 km Höhe), die auch unter der Bezeichnung Appleton-Schicht zusammengefasst werden. An den Schichten werden elektromagnetische Lang-, Mittel- und Kurzwellen reflektiert; sie ermöglichen damit den Funkverkehr über weite Strecken durch (mehrfache) Wellenreflexion; Ultrakurzwellen können auch die Ionosphäre durchdringen.
->   Mehr zur Ionosphäre
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Bisher keine Ergebnisse
"Etliche Wissenschaftler hatten ähnliche Vorstellungen zur Bedeutung von Sprites bereits mehrfach geäußert, doch niemand konnte das bisher mit Ergebnissen untermauern", erklärt der Sprite-Forscher Chris Barrington-Leigh von der University of California in Berkeley. "Dieses neue Modell wird die weitere Forschung stark vorantreiben".

Der Wissenschaftler aus Berkeley hat in der aktuellen Ausgabe des 'Journal of Geophysical Research' über die Identifikation von Sprites mittels photometrischen Technologien publiziert.
->   Artikel im 'Journal of Geophysical Research'
(106, 1741 - 1750, 2001; kostenpflchtig)
Neue Erkenntnisse über unbekannte Schichten
Der Großteil der Atmosphäre zwischen dem Boden und der Ionosphäre ist zu hoch für Flugzeuge und zu niedrig für Satelliten. Deshalb versprechen sich die Wissenschaftler neue Erkenntnisse über diese höheren Schichten der Atmosphäre, wenn sie mehr über Sprites lernen.

"Sprites liefern uns ein Fenster auf jenen Teil der Atmosphäre", erklärt Umran Inan, ein Physiker an der Stanford University. Bevor man Sprites entdeckte, wurden jenen Schichten der Atmosphäre in Wissenschaftskreisen auch scherzhaft "Ignorosphäre" genannt.
Bedeutung der Ionosphäre
Die mit den Sprites beginnende Ionosphäre ist auch in technologischer Hinsicht interessant. In der Ionosphäre entstehen durch Ionisation der Atome verschiedene Schichten, die Radiowellen reflektieren und dadurch Kommunikation über große Distanzen ermöglichen.

Andererseits beeinflussen Aktivitäten der Sonne die Ionosphäre und verursachen Ionosphärenstürme, die wiederum die weltweite Radiokommunikation beeinträchtigen.

Ein neues Verständnis der Ionosphäre durch die neuen Erkenntnisse über Sprites soll auch helfen, eine effektivere Signalkommunikation in jenen hohen Schichten der Atmosphäre zu ermöglichen.
->   Penn State Engineering
->   The Space Physics Research Group in Berkeley
 
 
 
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01.01.2010