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Habermas warnt vor globalem Sicherheitsstaat  
  Der Philosoph Jürgen Habermas hat am Sonntag in Frankfurt den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels entgegengenommen. Habermas erhielt den Preis für seine Gesellschaftstheorien. In seiner Dankesrede rief Habermas zu einem Dialog mit dem Islam auf und warnte vor dem Aufbau eines globalen Sicherheitsstaates.  
Kritischer Zeitgenosse
Der 72-jährige Habermas ist laut Jury ein "Zeitgenosse, der den Weg der Bundesrepublik Deutschland ebenso kritisch wie engagiert begleitete, der mehr als einer Generation die Stichworte zur geistigen Situation der Zeit vermittelte und der von einer weltweiten Leserschaft als der prägende deutsche Philosoph der Epoche wahr genommen wird".

Habermas führe die Tradition der kritischen Aufklärung fort und streiche in seinem Denken Freiheit und Gerechtigkeit als Kern der Demokratie heraus. Habermas ist der 52. Träger des renommierten, mit umgerechnet 175.000 S (12.700 Euro) dotierten Preises.
Sprachloser Zusammenstoß von Welten
In seiner Dankesrede rief Habermas angesichts der Anschlags vom 11. September zum Dialog mit dem Islam auf und warnte vor dem Aufbau eines globalen Sicherheitsstaates. "Im Terrorismus ¿ert sich auch der verh¿nisvoll-sprachlose Zusammensto¿von Welten, die jenseits der stummen Gewalt der Terroristen wie der Raketen eine gemeinsame Sprache entwickeln m¿ssen", mahnte Habermas bei der Preisverleihung am Sonntag in der Frankfurter Paulskirche.

Die radikale Modernisierung in den Herkunftsl¿ern der Attent¿r von New York und Washington beraube die Menschen ihrer Wurzeln beraube und sei einer der Ausl¿ser des religi¿sen Fundamentalismus, sagte Habermas.. Dieser "entgleisenden Slarisierung" d¿rfe jedoch nicht allein mit milit¿schen Mitteln begegnet werden.

"Zivilgesellschaft statt Polizeistaat"

"Angesichts einer Globalisierung, die sich ¿ber entgrenzte M¿te durchsetzt, erhofften sich viele von uns eine Rcckkehr des Politischen in anderer Gestalt - nicht in der Hobbistischen Ursprungsgestalt des globalisierten Sicherheitsstaates, also in den Dimensionen von Polizei, Geheimdienst und Milit¿sondern als weltweit zivilisierende Gestaltungsmacht", betonte der Philosoph.

Die Anschl¿ vom 11. September w¿rden vielleicht einmal als das erste Ereignis der Weltgeschichte betrachtet werden, dessen Zeugen ¿ber die Medien praktisch alle Menschen auf der Erde geworden seien, sagte Habermas vor der Verleihung in einem Pressegespr¿. Neu seien die Mittel der Attent¿r und deren fatale Effektivit¿die symbolische Dimension und die "territoriale Entgrenzung des Terrorismus".

"Ungreifbarer Gegner"

Dazu komme "die Ungreifbarkeit eines Gegners und in dieser Hinsicht die Unangemessenheit einer hoch technisierten Kriegsmaschine gegen¿ber einem solchen Gegner." Ob er die US-Angriffe auf Afghanistan f¿r gerechtfertigt halte, wollte Habermas nicht sagen. "Es ist ja mit der Geschichte immer so: Nachher wei¿man's immer besser. Behaglich habe ich mich aber nicht gef¿hlt am vergangenen Sonntag", erkl¿e er.
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Reemtsma hielt Laudatio
Der Sozialwissenschaftler Jan Philipp Reemtsma sagte in seiner Laudatio, Habermas sei "der Philosoph der Bundesrepublik Deutschland". Er sei einer der großen Theoretiker des ausgehenden 20. und des beginnenden 21. Jahrhunderts, weil er "an dessen zentraler Aufgabe mitgearbeitet hat, geschichtsphilosophische Motive in sozialwissenschaftliche Rekonstruktionen und Hypothesen" zu transformieren.

Reemtsma hielt auf besonderen Wunsch Habermas' die Würdigungsrede.
->   Reemtsmas Laudatio
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Prägender Philosoph der Bundesrepublik
Der Stiftungsrat für den Friedenspreis nannte Habermas den prägenden deutschen Philosoph dieser Epoche sei. Er habe den Weg der Bundesrepublik ebenso kritisch wie engagiert begleitet und mehr als einer Generation die Stichworte zur geistigen Situation der Zeit vermittelt. Der 72-Jährige habe die Tradition der kritischen Aufklärung fortgeführt und Freiheit und Gerechtigkeit als die Grundlagen in Erinnerung gebracht, an die jede staatliche Macht gebunden sei.
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Prominente Schar an Preisträgern
Preisträger vor Habermas waren seit 1950 Schriftsteller wie Siegfried Lenz, Vaclav Havel, Amos Oz, Mario Vargas Llosa und Martin Walser. Der Preis wird traditionell während der Buchmesse in der Frankfurter Paulskirche überreicht, wo 1848 das erste deutsche Parlament zusammentrat.
->   Börsenverein des Deutschen Buchhandels
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Paulskirche als Hochsicherheitstrakt
An dem ungewöhnlich streng bewachten Festakt zur Frankfurter Buchmesse nahmen der deutsche Bundespräsident Johannes Rau, Deutschlands Kanzler Gerhard Schröder, Außenminister Joschka Fischer, Bundestagspräsident Wolfgang Thierse sowie rund 1000 andere Ehrengäste teil.

Vor der abgeschirmten Paulskirche protestierten Demonstranten gegen die US-Militärschläge gegen das afghanische Taliban-Regime.
->   IFS - Institut für Sozialforschung
->   Mehr dazu in ORF ON Kultur
 
 
 
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01.01.2010