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Warum das Licht dem Bier nicht bekommt  
  Bier verdankt seinen charakteristischen Geschmack dem Hopfen. Doch Hopfen kann durch Lichteinwirkung nicht nur einen schlechten Geschmack bekommen, sondern auch gesundheitsschädliche Substanzen hervorbringen. Jetzt konnte dieser Mechanismus erstmals detailliert erklärt werden. Vielleicht kann nun Bier bald in hellen Flaschen genossen werden, denn Forscher haben das Patent auf einen Prozess beantragt, der Bier weniger lichtempfindlich machen soll.  
Das berichten Malcolm Forbes und seine Kollegen von der "University of North Carolina at Chapel Hill" und der "University of Gent" in der aktuellen Ausgabe von "Chemistry".

Bereits etliche Chemiker und Lebensmitteltechnologen hatten die einzelnen Bestandteile von Bier analysiert. Dabei wurde mehrfach festgestellt, dass nicht nur die typischen Aromen des Bieres, sondern auch gesundheitsfördernde Eigenschaften auf den Hopfen zurückzuführen sind.
->   Chemistry
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Wie Bier gebraut wird
Malz wird mit Wasser vermengt. Bei konstanten Temperaturen wird die im Malz enthaltene Stärke so weit zu Zucker abgebaut, dass höhermolekulare Stärkeabbauprodukte übrig bleiben. Nach Abtrennen der festen Schrotbestandteile und deren Auslaugung mit Wasser wird die klare Flüssigkeit mit dem Hopfen gekocht. Dieser verleiht dem Bier das typische Aroma.

Die geklärte Würze wird mit obergäriger oder untergäriger Hefe versetzt und in Behältern vergoren. Nach der Hauptgärung gelangt das Bier in Lagertanks, wo es ausreift und mit Kohlensäure angereichert wird. Anschließend wird das Bier filtriert und auf Flaschen gezogen oder in Fässer gefüllt. Der durch die Gärung erzielte Alkoholgehalt schwankt zwischen drei und sieben Prozent je nach Biersorte.
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Ins Gegenteil verwandelt
Leider können sich viele wichtige Merkmale des Hopfens schnell in ihr ungenießbares und gesundheitsschädliches Gegenteil wenden. Denn die dafür verantwortlichen Verbindungen - die Isohumulone - sind äußerst lichtempfindlich.

Das bedeutet, dass eine Photoreaktion freie Radikale produziert, die nicht nur unserer Gesundheit abträglich sind, sondern auch das Aroma des Bieres zerstören.
Den Mechanismus aufgespürt
Um diesen Prozessen auf den Grund zu gehen, beschossen die Chemiker die Isohumulone mit einem Laser, dessen Strahlen die Isohumulone in gleicher Weise angreifen wie sichtbares und UV-Licht.

Mittels der so genannten "Elektronen-Paramagnetischen-Resonanz-Spektroskopie" wurde exakt jene Position in der chemischen Verbindung lokalisiert, an der die Isohumulone bei Lichteinwirkung gespalten werden.

Darüber hinaus konnten die Chemiker die Struktur jener Verbindung identifizieren, welche für die Aromazerstörung und die Produktion freier Radikale nach Lichteinwirkung im Bier verantwortlich ist.

Es handelt sich dabei um eine schwefelhaltige Verbindung namens Thiol, die im Prozess der Lichteinwirkung auf das Bier entsteht.
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Thiole
Thiole sind organisch-chemische Schwefelverbindungen, von den Alkoholen durch Ersatz des Sauerstoffs der alkoholischen Hydroxylgruppe durch ein Schwefelatom abgeleitet; allgemeine Formel: R-SH (R = Alkyl). Thiole haben einen intensiven, lauchartig widerwärtigen Geruch. Sie bilden schwer lösliche Schwermetallverbindungen (Mercaptide, Thiolate).
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Winzige Spuren ausreichend
Bereits winzige Spuren an Thiol, nämlich ein Pikogramm (ein Billionstel Gramm), verändern nachhaltig den Geschmack des Bieres. Aus diesem Grund versuchen Wissenschaftler schon länger, Bier mit stabileren Aromen zu produzieren.

So dürfen Hersteller in den USA dem Bier bestimmte Komponenten hinzufügen, welche die Lichtempfindlichkeit der Isohumulone senkt. Der Hintergrund: Weißglasflaschen sind billiger als die bekannten dunklen Behältnisse.

In Ländern mit einem Reinheitsgebot wie Deutschland ist das allerdings undenkbar, weshalb das beliebte Hopfengetränk immer noch in teuren, lichtschützenden Braunglasflaschen abgefüllt wird.
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Die Geschichte des Bierbrauens
Erste schriftliche Zeugnisse über Bier sind von den Sumerern (um 3000 v. Chr.) erhalten. In Mesopotamien war es ein beliebtes Volksgetränk, das aus Bierbroten, ín Wasser gegoren, hergestellt wurde. Verbreitet war Bier auch im alten Ägypten, später bei Kelten, Skythen und Germanen.

Seit dem 8. Jahrhundert entwickelten sich in Mitteleuropa Brauereien, die sich im 12. und 13. Jahrhundert zu Zünften zusammenschlossen. Die Verwendung von Hopfen wird erstmals 736 erwähnt. 1516 erließ Herzog Wilhelm IV. in Bayern das Reinheitsgebot, das bis heute verbindlich ist. Im 19. Jahrhundert wurden die handwerklichen Brauereien immer mehr durch Industriebetriebe abgelöst.
->   Mehr zur Geschichte des Bieres
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Umstrittene Gesundheitswirkung
Umstritten sind nach wie vor die gesundheitsförderlichen Eigenschaften von Bier. Trotz des Alkoholgehaltes weist es einige Vitamine auf. Es enthält auch Antioxidantien, die möglicherweise bei der Krebsvorbeugung eine Rolle spielen. Untersuchungen, die für oder gegen maßvollen Bierkonsum sprechen, gibt es mehrere.

Vor einigen Monaten erst haben Forscher vom "International Centre for Health and Society" am University College in London tschechische Biertrinker untersucht. Dabei zeigte sich einem Bericht der Fachzeitschrift "British Medical Journal" zufolge, dass diejenigen, die vier bis neun Liter Bier pro Woche tranken und das verteilt über alle oder fast alle Tage der Woche, das geringste Infarktrisiko hatten.

Die Studie erbrachte aber auch Hinweise darauf, dass dieser positive Effekt verloren geht, wenn man mehr Bier trinkt. Und etliche Mediziner weisen darauf hin, dass der damit verbundene Alkoholkonsum die in ihren Augen geringen Effkete der wenigen gesundheitsförderlichen Substanzen nivelliert bzw. übertrifft.
->   Department of Chemistry der University of North Carolina
->   Department of Epidemiology and Public Health, University College London
Artikel im "British Medical Journal" unter "Effect of beer drinking on risk of myocardial infarction: population based case-control study"
->   Artikel im "British Medical Journal" zu Bier und Infarktrisiko
 
 
 
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01.01.2010