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Das Rennen zur Ausrottung der Kinderlähmung  
  Im Jahr 2001 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) einen strategischen Plan gestartet, der vorsieht, dass die Welt bis 2005 als "Poliofrei" klassifiziert werden kann. Die Impfkampagnen werden seit Jahren vor allem in den Entwicklungsländern betrieben, aber auch in den westlichen Ländern ist er Weltpoliotag am 28. Oktober Anlass für ein verstärktes Hinweisen auf die Wichtigkeit von Schutzimpfungen.  
Poliomyelitis anterior acuta, kurz Polio, oder spinale Kinderlähmung, wie diese Krankheit früher auch genannt wurde, ist eine Viruserkrankung, die heute vorwiegend in den Entwicklungsländern Afrikas und Asiens verbreitet ist.
Europas erster Polio-Fall seit zwei Jahren
Europa galt eigentlich seit rund zwei Jahren als Poliofrei, doch erst im April dieses Jahres wurde eine Infektion gemeldet. Betroffen war ein wenige Monate altes Mädchen aus Bulgarien, das nicht geimpft war.
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Virus eingeschleppt aus Indien
Das Virus wurde durch genetische Sequenzanalysen identifiziert als der aus Indien stammende Polio-Wildvirus Typ 1. Dies zeige, wie wichtig weltweite Impfkampagnen blieben, bis auch die letzten Reservoire des Polio-Wildvirus eradiziert worden seien, erklärte der Medizinische Referent für die Poliomyelitis-Eradikation und Leiter der WHO-Beratergruppe, George Oblapenko damals.
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Experten rufen zu Schutzimpfung auf
Experten rufen daher anlässlich des Gedenktages dazu auf, sich mit einer prophylaktischen Schutzimpfung gegen das die Krankheit auslösende Virus zu schützen.

Insbesondere die Auffrischungs-Impfungen würden versäumt werden, hieß es bei einer Veranstaltung des deutschen Bundesverbandes Polio e.V. vergangene Woche in Berlin. In Österreich wurde seit 1980 kein Fall einer Infektion mehr vermeldet.
Zu Ehren des ersten Impfstoff-Entwicklers
Der Weltpoliotag erinnert an den Entwickler des ersten bekannten Polio-Impfstoffes: dem US-Bakteriologe Jonas Edward Salk, der am 28. Oktober 1914 geboren wurde, gelang es Mitte des 20. Jahrhunderts erstmals, ein Vakzin gegen die Infektionskrankheit herzustellen.
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Die Geschichte des Polio-Impfstoffes
Noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts versetzten weltweite Kinderlähmungs-Epidemien die Bevölkerung in Angst und Schrecken. Die Krankheit betraf zunehmend auch Jugendliche und Erwachsene, nachdem sie früher in erster Linie bei Kindern auftrat. Geradezu katastrophal war die Lage schließlich 1952: in den USA wurden 58.000 Fälle gemeldet, in Deutschland rund 10.000. Überall waren Forscher damit beschäftigt, den Erreger zu identifizieren. In den Jahren 1947 und 48 gelang dies schließlich einer Gruppe von Wissenschaftlern der amerikanischen "National Foundation für Infantile Paralysis". Sie klassifizierten drei verschiedene Erregertypen.

Einer dieser Forscher war Jonas Edward Salk. 1948 war es drei US-Bakteriologen gelungen, Polioviren auf Kulturen von tierischem Gewebe zu züchten (sie erhielten dafür 1954 den Nobelpreis für Medizin) und Salk arbeitete auf dieser Grundlage an einem Impfstoff: Allerdings durchbrach er ein bis dahin "gültiges" Prinzip, für Vakzine lebende Viren zu verwenden, die bis zur Harmlosigkeit abgeschwächt worden waren. Sein Polio-Impfstoff basiert auf abgetöteten Viren und wird injiziert.
->   Jonas Edwar Salk
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Heute verwendet: Die Schluckimpfung
Der heute zumeist verwendete Impfstoff wurde später von Albert Sabin entwickelt, seine Basis sind - im Gegensatz zu Salks Prinzip - abgeschwächte lebende Viren.

1961 wurde das Sabin-Vakzin zugelassen: Die so genannte Schluckimpfung wird auf ein Stück Zucker geträufelt verabreicht.
Zahl der Infizierten seit 1988 um 99 Prozent gesunken
Immerhin haben die bisherigen Projekte bereits einen immensen Beitrag zur "Befreiung der Welt" von Kinderlähmung geleistet: Seit 1988 die erste weltumspannende Anti-Polio-Initiative startete, sank die Zahl der Infizierten um ganze 99 Prozent, von 350.00 auf weniger als 3.500 im vergangenen Jahr.

"In diesem Jahr sind bisher nur 395 Fälle bestätigt worden", sagt Claudia Drake von der WHO in Genf. Bis zum Jahresende könnten es noch mehr werden, weil bis zur endgültigen Bestätigung eines jeden Falles immer eine gewisse Zeit verstreiche.

Die WHO hofft jedoch, dass bis Jahresende die Polio-Übertragung in allen Ländern bis auf zehn in Asien und Afrika gestoppt wird. Im vergangenen Jahr waren es noch 20 und 1988 bei Beginn der Kampagne 125 Staaten. Ursprünglich wollte die Anti-Polio-Initiative die Krankheit weltweit bis zum Jahr 2000 ausgerottet haben.
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Poliomyelitis
Poliomyelitis, kurz Polio genannt, ist hoch ansteckend. Die Übertragung erfolgt über Tröpfchen- oder Schmierinfektion. Die Viren gelangen über den Mund in den Körper und dringen später in das Nervensystem ein. Sie können innerhalb von Stunden vollständige Lähmungen auslösen. Die Anfangssymptome sind Fieber, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Erbrechen sowie ein steifes Genick und Gliederschmerzen. Nach Angaben der WHO führt eine von 200 Infektionen zur Lähmung, zumeist in den Beinen. Von den gelähmten Patienten stirbt fast jeder zehnte an Störungen der Atemmuskulatur.
->   Robert Koch Institut: Steckbrief Polio
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Schwierige Bedingungen in Risikoländern
Dennoch, in vielen Ländern Asiens und Afrikas ist eine flächendeckende Polio-Impfung aus verschiedenen Gründen sehr schwierig: Schlechte hygienische Bedingungen oder Krisensituationen erschweren die Kampagne.

Im vergangenen Juli blies die WHO in Zentralafrika zum Angriff auf eine der letzten Bastionen der Polio-Viren. Im Rahmen der ersten zeitgleichen und länderübergreifenden Aktion in Bürgerkriegsgebieten erhielten 16 Millionen Kinder unter fünf Jahren in Angola, der Demokratischen Republik (DR) Kongo, der Republik Kongo und Gabun Schutzimpfungen.

Allein in der DR Kongo gingen 86.000 Gesundheitsmitarbeiter von Tür zu Tür und erreichten dabei selbst entlegene, sonst schwer zugängliche Regionen.
->   Schutzimpfung gegen Polio für 16 Millionen Kinder
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Zwei Kategorien der Risikoländer
Die zehn größten Risikoländer teilen sich in zwei Kategorien. Zur ersten gehören Staaten wie Äthiopien, Bangladesch, Indien, Nigeria und Pakistan mit einer großen Bevölkerungszahl und schlechten hygienischen Bedingungen.

In den anderen Ländern wie Afghanistan, Angola, der Demokratischen Republik Kongo, Somalia und Sudan herrschen seit Jahren Krieg oder Bürgerkrieg.
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Keine Entwarnung der Gesundheitsexperten
Trotz des Erfolges gilt unter Gesundheitsexperten weiter der Grundsatz: "Bis zur weltweiten Ausrottung ist kein Kind vor Polio sicher."

Warnendes Beispiel bleiben die Kapverdischen Inseln, die zu den Polio-freien Ländern gehörten. Im August vergangenen Jahres wurde plötzlich das Virus aus Angola eingeschleppt. Von den 44 plötzlich Gelähmten, darunter auch Erwachsenen, starben 17.
Mehr Geld für andere Gesundheitsprojekte
Ein letzter Aspekt der Ausrottung von Polio ist finanzieller Natur: Ganz abgesehen von dem Leid der Betroffenen und ihrer Familien könnten weltweit pro Jahr 1,5 Milliarden US-Dollar (1,67 Mrd. Euro/22,9 Mrd. S) aus den bisherigen Polio-Immunisierungskampagnen in andere Gesundheitsprojekte fließen.
->   WHO: www.polioeradication.org
->   UNICEF: A World Without Polio
->   Weltkarte der Polio-Verbreitungsgebiete
Mehr zum Thema Polio in science.orf.at:
->   Aids stammt nicht von Polio-Impfstoff
 
 
 
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01.01.2010