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Lernen, ohne es zu wissen  
  Was ist Lernen und wie wichtig ist die einer Aufgabe zugewandte Aufmerksamkeit? Nicht ganz so wichtig wie bisher angenommen, behaupten jetzt Psychologen. Denn im Gegensatz zum schulischen Dogma können wir auch lernen, ohne dabei aufmerksam sein zu müssen - ja sogar ohne uns überhaupt bewusst sein zu müssen, was wir gerade lernen.  
Takeo Watanabe und seine Kollegen von der Boston University überprüften die Annahme, dass wir uns auf eine Aufgabe konzentrieren müssen, um unsere Leistung zu verbessern.

Und sie entdeckten dabei den bisher unterschätzten Anteil unbewussten Lernens. Die Wissenschaftler beschreiben ihre Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe von "Nature".
Artikel in "Nature" (413, S. 844-848; 2001; kostenpflichtig) unter "Perceptual Learning without Perception"
->   Artikel in "Nature"
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Die Psychologie der Aufmerksamkeit
Bezeichnung für einen Zustand der gesteigerten Wachheit und Anspannung, bei dem die geistige Aktivität auf einen oder mehrere bestimmte Gegenstände, Vorgänge, Gedanken usw. gerichtet ist. Andere Gegenstände des Wahrnehmungsfeldes treten dabei in den Hintergrund. Man unterscheidet zwischen der unwillkürlichen und der willkürlichen A.

Die unwillkürliche A. wird durch neuartige, auffällige Umgebungsreize geweckt. Die willkürliche wird von Interessen, Bedürfnissen, Gedanken gelenkt. Die Grenzen zwischen der unwillkürlichen und willkürlichen A. sind fließend. Die A. kann nicht über längere Zeit in einem gleich bleibenden Ausmaß auf einen Vorgang oder Gegenstand gerichtet werden. Sie ist Schwankungen unterworfen, die sich in Leistungsschwankungen äußern. Nach Rohrbacher liegt die Ursache dafür in der Regeneration der Ganglienzellen.
->   Psychologie des Lernens
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Was ist relevant?
Das Team forderte die Versuchsteilnehmer auf, ihre Aufmerksamkeit auf die Benennung von Buchstaben zu richten, die ihnen im Zentrum eines Bildschirms gezeigt wurden. Auf einer Bildschirmseite wanderten jedoch für die Benennung irrelevante Punkte zufällig umher.

Doch ohne dass es die Versuchspersonen bewusst mitbekamen, bewegten sich fünf Prozent der Punkte zusammen in ein und dieselbe Richtung.

Nach fast einem Monat dieses unbewussten Lernens wurden die Teilnehmer auf ihre Fähigkeit hin getestet, zehn Prozent der sich in eine Richtung bewegenden Punkte wahrzunehmen.
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Implizites Lernen
Die erste Lernform ist die explizite Anordnung. Die Person, die sich Wissen angeeignet hat, ist in der Lage, anzugeben, was sie gelernt hat, sie hat den gesamten Lernprozess aktiv und bewusst vollzogen und verarbeitet.

Im Gegensatz hierzu steht das implizite Lernen: Es ist der Person nach dem Lernprozess nicht möglich, anzugeben, welche Inhalte im Zentrum der Lernerfahrung standen, da sich der Lernprozess mehr auf einer unbewussten Ebene vollzog. Es ist nicht möglich, zu bestimmen, mit welchem "Gegenstand sich das Lernen befasste".

So verhält es sich auch mit dem prozeduralen Lernen, welches ebenfalls ein Untersystem des gesamten impliziten Apparates darstellt. Vornehmlich werden hier Abläufe und Prozesse festgehalten. Er ist für sensorische und motorische Fähigkeiten und Handlungsabläufe verantwortlich. Das kommt zum Beispiel beim Laufen, Fahrradfahren, aber auch bei der Atmung zum Tragen.
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Unbewusstes Lernen verbessert Leistung
Unterschwelliges Training verbesserte ihre Leistung - besonders dann, wenn die Bewegungsrichtung der Punkte mit der übereinstimmte, die sie zuvor unbewusst mitbekommen hatten.

In der Vergangenheit mag uns unterschwelliges Lernen geholfen haben, Dinge unserer Umgebung besser zu erfassen. Für die Gegenwart bedeutet das jedoch eher, dass wir die Menge an Informationen, mit der wir ständig bombardiert werden, nicht ausblenden können. Ob wir allerdings auch komplexere Fertigkeiten mühelos erlernen können, muss noch geklärt werden.
Lernen in der Infogesellschaft
Obschon Lernen vor allem im Kindes- und Jugendalter offensichtlich eine besonders wichtige Rolle spielt, ist es nicht auf diese Entwicklungsphasen beschränkt. Lernen findet das ganze Leben lang statt.

Mit den Erkenntnissen der Bostoner Wissenschaftler muss wohl nicht nur der gängige Lernbegriff der Psychologie überdacht und erweitert werden.

Auch und gerade im Licht der sich verdichtenden Wissenstranfers in der Informationsgesellschaft und der neuen virtuellen Arbeitsbereiche muss den unbewussten Formen der Wissenserweiterung und deren Bedeutung in Zukunft wohl mehr Beachtung geschenkt werden.
->   Boston University Department of Psychology
->   Artikel in "Nature Science Update" zur Bedeutung "unbewussten Lernens"
->   NMR Center, Massachusetts General Hospital
Mehr zum Thema Lernen in science.orf.at
Werner Lenz vom Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaften der Universität Graz befasst sich in seinen Artikeln für science.orf.at immer wieder mit Themen wie "Lernen" und "Bildung".
->   Sämtliche Artikel von Werner Lenz in science.orf.at
 
 
 
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01.01.2010